Studien/Concept

Studie: Rückruftrends der globalen Hersteller

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  • 24. Juli 2014, 12:05 Uhr
  • Rudolf Huber (vm)

General Motors (GM) liefert gerade ein ziemlich schlechtes Beispiel in Sachen Zuverlässigkeit und Kunden-Vertrauen: Eine riesige Rückrufaktion jagt schon fast die nächste, gerade erst wegen möglicher Probleme mit Zündschlössern. Prof. Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) hat die Rückruf-Aktivitäten der globalen Hersteller im Referenzmarkt USA für das erste Halbjahr 2014 beleuchtet und dabei "ein nie da gewesenes Ausmaß" festgestellt.

Die Zahlen sprechen für sich: Im ersten Halbjahr wurden laut CAM alleine in den Vereinigten Staaten mehr als 37 Millionen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge in die Werkstätten gerufen - nach "nur" 11,1 Millionen Einheiten im Vergleichszeitraum 2013. Oder anders ausgedrückt: Von Januar mit Juni dieses Jahres gab es mehr Rückrufe als 2012 und 2013 zusammen. Prof. Bratzel: "Damit markiert das Jahr 2014 bereits zur Halbzeit das größte Rückrufvolumen aller Zeiten." Die Hersteller haben in den USA viereinhalb Mal so viele Fahrzeuge außerplanmäßig zum Service geholt, als sie im gleichen Zeitraum verkauft haben: Die Rückrufquote liegt bei 455 Prozent (2013: 142 Prozent). Ganz vorne mit einer Quote von 1 668 Prozent liegt General Motors. Der Konzern musste rund 25 Millionen Fahrzeuge zurückrufen, das ist ein historischer Negativ-Rekord.

Auf Platz zwei folgt Toyota mit einer Quote von 379 Prozent. Die Japaner holten dieses Jahr bereits 4,4 Millionen Fahrzeuge zum Mechaniker, etwa wegen akuter Probleme mit den Airbags bei Toyota- und Lexus-Modellen. Sorgenkind Nummer drei ist der Senkrechtstarter und Elektro-Pionier Tesla. Er kommt auf eine Rückrufquote von immerhin 321 Prozent, weil Komponenten aller bisher ausgelieferten Fahrzeuge des Typs Model S wegen Überhitzungsgefahr überprüft werden mussten. Auf den Rängen folgen Subaru und Ford mit ebenfalls massiven Verschlechterungen. "Im Vergleich hinterlassen die drei deutschen Hersteller ein positiveres Bild", so der Automobil-Experte Bratzel. Wobei sich BMW mit einer Quote von 89 Prozent gegenüber 334 Prozent im Vorjahr stark verbessern konnte. Bei Mercedes lief es genau anders herum: Wegen Problemen bei der C-Klasse waren es bisher 151 Prozent - nach nur 0,2 Prozent im Vorjahr. In Relation zu den Zulassungszahlen kommt der VW-Konzern auf die beste Platzierung der deutschen Hersteller, mit 61 Prozent. Kia/Hyundai stabilisierten sich auf 28 Prozent.

Für die Hersteller verursachen die Rückrufe neben einem massiven Image-Schaden ebenso massive Kosten. Bei GM geht man derzeit von Belastungen von mehr als 2,5 Milliarden Dollar aus. "Die Massenrückrufe von General Motors haben in der Automobilindustrie im Allgemeinen und in den USA im Besonderen einen noch nie dagewesenen Domino-Effekt ausgelöst", konstatiert Prof. Bratzel. Fast alle Hersteller seien durch die hohe öffentliche Aufmerksamkeit aufgeschreckt und würden sämtliche Komponenten ihrer Fahrzeuge überprüfen. In fast der Hälfte der Fälle im ersten Halbjahr 2014 ging es um elektronische Komponenten, dann folgen Probleme mit Airbags und Gurtsystemen, an dritter Stelle stehen Mängel an der Bremsanlage.

Fünf Hauptfaktoren hat der Auto-Spezialist für den massiven Anstieg der Rückruf-Zahlen ausgemacht: Die Autos werden zwar immer sicherer, aber auch technisch komplexer - das erhöht die Fehleranfälligkeit. Zudem, so Bratzel, sei wegen erhöhten Wettbewerbsdrucks das Tempo bei der Entwicklung immer weiter gesteigert worden - das wirke sich negativ auf die Qualitätssicherung aus. Dass aus Kostengründen immer größere Anteile an der Entwicklung auf Zulieferer verlagert würden, erschwere das Qualitätsmanagement ebenfalls.

Auch der gestiegene Kostendruck birgt laut Bratzel Gefahren für die Produktqualität. Und: Die Baulasten- und Gleichteile-Strategien der Hersteller könnten zwar Kosten sparen, im Falle von Problemen mit einzelnen Komponenten sei aber gleich eine riesige Zahl von Fahrzeugen betroffen. Bratzel: "Ein zu spät entdeckter Fehler kann infolge hoher Rückrufmengen und Schadenersatzklagen zu direkten und indirekten Kosten in Milliardenhöhe führen." Vom Image-Schaden gar nicht zu reden.

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