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Automechanika: Spagat zwischen High-Tech und Duftbäumchen

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  • 17. September 2014, 17:49 Uhr
  • Friedbert Weber (vm)

Mit der Rolle als "Lückenfüller" für die berühmte IAA fing die Automechanika 1970 an. Doch die Zeiten der Präsentation von Werkzeugen und Tuning-Zubehör sind lange vorbei: Heute ist die Automechanika die Leitmesse der Automobilwirtschaft. Nun ist es wieder soweit: Die komplett ausgebuchte Messe lockt in den IAA-freien Jahren jeweils rund 150 000 Fachbesucher aus aller Welt. Und die Dimensionen haben sich gewaltig verändert: Ein einziger Messestand nimmt heute beinahe die gesamte Ausstellungsfläche der ersten Automechanika in Anspruch. So belegt der Zuliefererkonzern Schaeffler in Frankfurt 1 200 Quadratmeter und steht mit bis zu 200 Mitarbeitern für die Kunden parat.

Unter den 4 631 Ausstellern dominieren erstmals die Chinesen, was auch als genereller Ausblick auf künftige Entwicklungen verstanden werden darf. Die 707 deutschen Aussteller sehen sich im Automechanika-Ranking erstmals durch 783 chinesische Standbetreiber auf Platz zwei verdrängt. Dazu kommen noch 471 Stände aus Taiwan. Manche Hallen sind komplett mit chinesischen und taiwanesischen Ständen gefüllt. Anstatt sich aber, wie zu Zeiten Mao Tse Tungs und Tschiang Kai-Sheks gegenseitig mit Propaganda zu belästigen, pflegen die Zubehörhersteller heute eine friedliche Koexistenz - zumindest in den Frankfurter Messehallen.

Unter den Besuchergruppen wuseln zwischen ernst dreinblickenden Indern und Japanern Berufsschulklassen aller deutschen Dialekte. Und sie unterstreichen die Einschätzung des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), dass der Handwerks-Beruf des Mechatronikers wohl die geringsten Nachwuchssorgen haben muss. Auf das Werkstattpersonal warten auf der Messe Computer- und Software-Anbieter, die auch noch der kleinsten Freien Werkstatt ihre Dienstleistungen anpreisen.

Nach einem Rundgang durch die Hallen für das Lackiergewerbe weiß man, dass die Zukunft glänzend und energiebewusst sein wird. Für die Lackierer gibt es noch bessere Sprühpistolen, zur Ausbildung der Lehrlinge offeriert eine Firma sogar Simulations-Pistolen mit Computerauswertung. Und kaum eine der ausgestellten Trocknerkabinen kommt ohne Hinweis auf reduzierten Stromverbrauch aus. Die Lehrlinge geben sich allerdings eher gegenseitig Tipps, in welchen Hallen Aussteller nicht ohne Bodypainting-Künstler und entsprechende Models zur Anpreisung von Produkten oder Dienstleistungen auszukommen glauben.

Den Trend zum Wertbewusstsein für Oldtimer spiegelt der Stand des ZDK wider, auf dem sich verschiedene Gewerbe und Dienstleister rund um Oldies und Youngtimer präsentieren. Für Fragen von der Rostvorsorge bis zum Wertgutachten stehen Experten parat. Es fehlen auch die "obligatorischen" Amerikaner nicht, die auf einem kleinen und preisgünstig gestalteten Stand ihre "revolutionären" Produkte loben. In diesem Fall handelt es sich um Lack-Polierscheiben, die drei US-Boys mit dem für ihre Nation typischen Selbstbewusstsein als das Nonplusultra anpreisen und jedem schnell entschlossenen Besucher die einmalige Chance bieten, für sein Land ihr Generalimporteur zu werden.

Mit Hochvolt-Schulungen für Mechatroniker an Elektro-Autos nebst Zertifizierung direkt auf der Messe bereitet sich die Branche auf die Zukunft vor, auch wenn diese im Hinblick auf die Zulassungszahlen sich noch eher zögerlich zeigt. Auf dem Freigelände stehen derweil Autos mit Elektroantrieb zur Fahrerprobung auf einem kleinen Parcours bereit. Skeptiker können sich hier im Selbstversuch davon überzeugen, dass das Fahren mit E-Autos nicht weh tut - außer vielleicht dem Geldbeutel.

Die Messestände der Anbieter von Duftbäumchen und ähnlichen Figuren für das Wageninnere scheinen sich im Zweijahres-Turnus zu vermehren. Und die verschiedenen lieferbaren Duftvarianten streben wohl der Hundertermarke zu. Aber auch echte Novitäten, von denen Otto-Normal-Autofahrer direkt profitieren kann, finden sich auf der Messe: beispielsweise das mit einem Messe-Innovationspreis ausgezeichnete Pannex-Set zur Hilfe bei Reifenpannen. Es besteht aus dem obligatorischen Kompressor zum Aufpumpen reparierter Reifen und einer Sprühdose mit Dichtmittel, das sich für Löcher mit bis zu acht Millimeter Durchmesser eignet. Der Doseninhalt basiert auf speziell entwickelten Mikrofasern, die biologisch abbaubar sind. Ist der beschädigte Reifen reparabel, lässt er sich wiederverwenden. Muss er recycelt werden, ist das Pannex-Mittel mit Wasser abwaschbar. Viele der heute üblichen Reifendichtmittel machen einen reparierten Reifen dagegen zu Sondermüll. Das Komplett-Set wird ab Oktober im Zubehörhandel für 79 Euro angeboten. Die laut Hersteller zehn Jahre lang haltbare Spraydose gibt es für 24 Euro.

Wer auf winterlichen Straßen mit Schneekettenpflicht unterwegs ist und ein Auto mit großen Rädern und breiten Reifen oder einfach einen modernen Fronttriebler mit engem Radhaus fährt, könnte Mühe haben, beim Kettenverleih die passenden Exemplare zu finden. Für Autos mit minimalem Freiraum zwischen Reifen und Kotflügeln hat der österreichische Hersteller Pewag die neue Kette Servo Sport entwickelt. Sieben Millimeter Freiraum reichen für die feingliedrige Kette mit patentiert einfacher Montage und Demontage aus. Die Preise im Handel liegen nach Herstellerangaben bei rund 150 Euro.

Clim-Air hat sein Sortiment um ein Set von Abweisern für Auto-Seitenscheiben aus besonders transparentem Material erweitert. Sie erlauben das Teil-Absenken der Scheiben, ohne Fahrtwind ins Auto zu lassen, was nicht nur Raucher oder Menschen mit Kindern auf den Rücksitzen zu schätzen wissen. Die Teile aus klarem Kunststoff stören die Optik eines Autos kaum und fallen erst auf den zweiten Blick ins Auge. Das Paar für die vorderen Scheiben kostet im Handel rund 60 Euro.

Die Automechanika läuft noch bis zum 20. September. Tagestickets kosten an der Kasse 36 Euro, online unter www.automechanika.messefrankfurt.com sind sie bereits für 26 Euro erhältlich. Die Eintrittskarten gelten auch als Fahrschein von und zur S-Bahnstation Messe im Bereich des Rhein-Main-Verkehrsverbundes RMV. Nur an der Tageskasse gibt es Schüler und Studenten-Tickets für neun Euro und neu ein Wochenend-Ticket für den 19. September ab 13 Uhr oder 20. September von neun bis 17 Uhr zum Preis von 15 Euro.

Friedbert Weber

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