Präsentation

KTM Freeride E: Elektroschocker aus Österreich

  • In MOTORRAD
  • 18. September 2014, 12:35 Uhr
  • Thilo Kozik (vm)

Als erster namhafter Motorradhersteller bringt KTM mit der Freeride E ein elektrisch angetriebenes Offroad-Motorrad mit Straßenzulassung auf den Markt. Die ab Oktober erhältliche Enduro kostet gut 11 000 Euro und wird von einem kompakten E-Motor angetrieben. Als Spitzenleistung stehen 16 kW/22 PS bereit. Homologiert werden Elektrofahrzeuge aber nach der Dauerleistung, die bei der Freeride E bei 11 kW/15 PS liegt - damit genügt für den Geländegänger sogar der A1-Führerschein. Beeindruckend fällt das maximale Drehmoment von 42 Newtonmetern aus, das mit dem ersten Gasgriffdreh zur Verfügung steht. Das entspricht in etwa einem 250-Kubik-Zweitakt-Crosser.

Motor und Leistungselektronik sind flüssigkeitsgekühlt und in einem vollkommen gekapselten Aluminiumgehäuse gekoppelt, um Umwelteinflüsse auszuschalten. Denn Strom verträgt sich bekanntlich nicht gut mit Wasser, das aber bei Offroadern unvermeidlich spätestens beim Einsatz des Hochdruckreinigers ins Spiel kommt. Den benötigten Strom liefert eine 2,6-kWh-Lithium-Ionen-Batterie, die über vier Schrauben befestigt im Handumdrehen ausgetauscht ist. Um eine höhere Leistungsdichte zu erzielen und die stromführenden Bauteile möglichst kompakt halten zu können, verwendet KTM eine Hochvolt-Technik mit 300 Volt Betriebsspannung.

Dieser innovative Antrieb übernimmt in dem ähnlich clever konzipierten Fahrwerk der Freeride aus Aluminium-Gussprofilen mit Stahlrohren und Kunststoffheck eine mittragende Rolle. Zum Chassis gehören außerdem Federelemente mit langen Federwegen. Insgesamt entspricht das Fahrwerks-Ensemble weitgehend dem der Freeride-Schwestern mit 250er- und 350er-Viertakt-Verbrennungsmotor. Ein kostengünstiges Baukastensystem findet sich also auch bei KTM.

Die Freeride E platziert ihren Piloten in luftigen 91 Zentimetern Höhe auf dem schmalen, harten Enduropolster. Die Stiefel ruhen bei moderaten Kniewinkeln auf zackigen Geländerasten. Mit lediglich 110 Kilogramm Gewicht ist die Enduro selbst für Offroad-Anfänger leicht beherrschbar - vorausgesetzt diese sind mindestens 1,75 Meter groß. Zum Starten wird der "Zündschlüssel" an der Lampenmaske gedreht. Dann leuchtet das kleine Multifunktions-Display auf und zeigt den Ladezustand des Akkus sowie den gewählten Fahrmodus an. Der digitale LCD-Tacho informiert über Kilometerstände und Arbeitsstunden.

Doch bevor es richtig losgeht muss der Fahrer wie beim Verbrenner einen Startknopf drücken, erst dann kann er E-Gas geben. Unabhängig vom gewähltem Modus - "Economy" mit geringerer Maximalleistung, "Standard" oder "Advanced" mit progressiver Leistungsabgabe - setzt sich die Freeride E aus dem Stand mit Nachdruck in Bewegung. Verglichen mit einem herkömmlichen Motorrad fällt die Handhabung der elektrifizierten Vorwärtsbewegung leichter: Wie üblich wird das Hinterrad von einer Kette angetrieben, doch zwischen E-Motor und Endantrieb sitzt kein separates schaltbares Getriebe sondern eine vorgegebene Untersetzung. Die im Gelände mitunter schwierige Gangwahl samt Schaltvorgängen entfällt.

Daraus resultieren weitere Vorteile: Durch die direkte Kopplung von Gasgriff und Endantrieb lässt sich der abgegebene Schub wunschgemäß dosieren und spontan einsetzen. Und der Motor kann nicht absterben, selbst wenn er noch so niedertourig gefahren wird. Für Mountainbiker perfekt, für Motorradfahrer zunächst gewöhnungsbedürftig: Durch den Wegfall der Kupplung befinden sich beide Bremshebel nun am Lenker, rechts wie gewohnt für vorn, links wird die hintere Bremsscheibe betätigt. Das lässt gerade im Gelände viel Konzentration für die Begutachtung der Strecke und die richtige Linienwahl übrig, was Neulingen sehr entgegenkommen dürfte. Denn diese zählen neben altgedienten Offroadrecken ebenso wie Mountainbiker zum angepeilten Kundenkreis.

Zur Eingewöhnung lässt sich das bärige Drehmoment des E-Motors über die Fahrmodi bändigen. Doch selbst wenig versierte Offroader schalten nach kurzer Zeit auf vollen Schub. Mit ihrer quasi angeborenen Geländegängigkeit und dem elektrischen Schub meistert die Freeride E Bachdurchfahrten, Auffahrten mit losem Geröll und knifflige Hangpassagen problemlos. Bergab auf mittelschweren Mountainbike-Pisten geht das leichte Gefährt dank der kräftigen Bremsen trialartig um enge Spitzkehren und über Felsbrocken, dass es eine Freude ist.

Je nach Gelände-Schwierigkeit reicht der Akku für Ausfahrten zwischen einer halben Stunde bis zu mehr als einer Stunde. Zu einer exakten Reichweiten-Angabe in Kilometern ließen sich die Verantwortlichen von KTM nicht verführen. Der herausnehmbare Akku ist per Schnellladung schon nach 50 Minuten wieder zu 80 Prozent gefüllt, eine volle Ladung beansprucht etwa 80 Minuten. Ohne Schnellader dauert es an der Haushaltssteckdose jeweils rund 20 Prozent länger. Für den Batterie-Pack garantiert KTM 700 Vollladezyklen, bevor die Kapazität auf 80 Prozent der 2,6 kWh sinkt.

Als waschechter Geländegänger mit emissionsfreiem und geräuschlosem Elektro-Herzen bereitet die Freeride E einen unkomplizierten Fahrspaß für Könner und Anfänger. Gleichzeitig kümmern sich die Österreicher um den Erhalt ihrer Unternehmensbasis: Denn wegen des Lärms und der Emissionen von Offroad-Motorrädern mit Verbrennungsmotoren gibt es kaum noch Gelegenheiten zum Ausüben dieses Sports. Dabei stellt die Freeride E nur den Einstieg dar. Neben der hier besprochenen zulassungsfähigen EXC-Enduroversion für 11 295 Euro gibt es noch eine baugleiche reinrassige SX-Version ohne Blinker, Lampe und Hupe für abgesperrte Strecken zum Preis von 10.995 Euro. Im Vergleich mit hochwertigen Mountainbikes, die schnell 8 000 Euro und mehr kosten können, erscheint das nicht einmal zu hoch gegriffen.

Text: Thilo Kozik/mid

Technische Daten KTM Freeride E:
Enduro mit flüssigkeitsgekühltem Permanentmagnet Synchronmotor in Scheibenläufer-Bauweise, Nennleistung: 11 kW/15 PS bei 5 500/min, Spitzenleistung: 22 kW/30 PS bei 6 000/min, max. Drehmoment: 42 Nm ab 0/min, Lithium-Ionen-Akku mit 2,6 kWh Kapazität, Betriebsspannung: 260 Volt, Kettenantrieb, Stahl-/Aluminium-Brückenrahmen, Upside-Down-Teleskopgabel vorn, Zweiarmschwinge mit Zentralfederbein hinten, je eine Scheibenbremse vorn und hinten, Reifen vorn: 2,75x21, 120/90-18 hinten, Sitzhöhe: 910 mm, Leergewicht: 110 kg, Preis: 11 295 Euro.

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