Technik & Wissen

Winterreifen: Hoher Entwicklungsaufwand für mehr Sicherheit

Die Entwicklung eines Autoreifens ist eine Wissenschaft für sich. Hier arbeiten Ingenieure und Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen, um ein leistungsfähiges und sicheres Produkt herzustellen. Besonders herausfordernd ist die Entwicklung von Winterreifen wegen der Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen. Sie müssen sowohl auf trockener und nasser Piste als auch bei Schnee, Schneematsch und Eis ein Maximum an Sicherheit bieten. Weitere Faktoren sind etwa ein möglichst geringer Rollwiderstand, was sich auf den Verbrauch auswirkt, und das Abrollgeräusch. Wie aufwändig dieser Entwicklungsprozess ist, zeigt etwa der neue Goodyear Ultra Grip 9, der im "Innovation Center" der Marke in Luxemburg entstanden ist. Zwei Jahre lang haben rund 1 000 Ingenieure, Wissenschaftler und Techniker in einem mehrstufigen Prozess an dem Reifen gearbeitet.

Als ersten Schritt erstellten die Designer ein erstes Basis-Design. 20 verschiedene Profile haben sie entworfen. Danach entwickeln und testen die Ingenieure das neue Produkt, bis es den erforderlichen Leistungs-Standards genügt. Hierbei gilt die Devise "die Form folgt der Funktion" oder aber: Die Ingenieure haben das letzte Wort. Die ersten Schritte werden am Computer getätigt, inklusive virtueller Tests. Dennoch wurden vom UltraGrip 9 rund 3 000 Prototypen-Reifen produziert. Zum Schluss werden zahlreiche Wintertests in Finnland, Frankreich, der Schweiz und Neuseeland durchgeführt. Fahrten in den unterschiedlichsten Teilen der Welt sind deshalb wichtig, weil sich die winterlichen Straßenbedingungen je nach äußeren Einflüssen regional unterscheiden. Schnee in der Schweiz ist daher anders als der in Finnland. Da der Reifen aber international verkauft wird, muss er die verschiedensten Bedingungen meistern können.

Der neue Reifen nutzt eine Kombination aus dreidimensionalen und zweidimensionalen Lamellen. Flexible, weiche 2D-Lamellen in der Laufflächenmitte sorgen für optimale Traktion auf Schnee und Eis. In den Schulterblöcken ist dagegen eine große Anzahl von 3D-Lamellen angeordnet. Diese greifen unter der Lauffläche ineinander, wenn Kräfte auf die Profilblöcke wirken, beispielsweise beim Bremsen. Das gibt dem Reifen zusätzliche Stabilität.

Eine Besonderheit: Je nach Breite kommen zwei unterschiedliche Layouts zum Einsatz. Bei den schmaleren Varianten verläuft in der Mitte der Lauffläche eine durchgehende Rille, was die Traktion bei Schnee verbessert. Die breiteren Ausführungen dagegen haben ein geschlossenes Profil. Sie benötigen keine Mittelrille, da sie insgesamt mehr Fläche haben und damit genügend Grip aufbauen können. Erhältlich sind Breiten von 155 bis 205 Millimeter für Felgen von 14 bis 16 Zoll in insgesamt 33 Ausführungen.

Ein weiterer Schlüsselfaktor ist wie bei jedem Reifen die Gummimischung. Insgesamt kommen für die verschiedenen Lagen eines einzigen Reifens zirka 15 verschiedene Gummimischungen zum Einsatz. Hauptbestandteil ist stets Kautschuk in natürlicher oder synthetischer Form. Dazu kommt ein Füllstoff, meist Kieselsäure und Ruß, Weichmacher für Geschmeidigkeit und Flexibilität sowie Antioxidantien als Alterungsschutz. Der UltraGrip 9 verfügt über eine Vollsilica-Lauffläche mit einer neuen Weichmacher-Mischung aus Harzen und pflanzlichen Ölen. Dadurch soll sich die Elastizität des Gummis bei niedrigen Temperaturen verbessern. Außerdem wird der Mischung Schwefel als sogenannter "Vernetzer" zugegeben. Im Anschluss wird die Masse erhitzt, die sogenannte "Vulkanisation", die Charles Goodyear 1839 per Zufall entdeckt hat und somit als Erfinder des Hartgummis gilt. Die Ingenieure von Goodyear und der anderen "Reifenbäcker" entscheiden mit ihrer Arbeit häufig über Leben und Tod: Denn beim Bremsen geht es oft um Zentimeter. Und so ist jeder Cent letztlich auch seine Ausgabe wert.

Thomas Schneider

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