Fahrbericht

Lexus NX: Bestseller auf Abruf

  • In AUTO
  • 26. September 2014, 10:18 Uhr
  • Frank Wald (vm)

In Deutschland einen Lexus zu fahren, war immer zugleich auch ein Statement gegen den Mainstream der deutschen Premium-Phalanx á la Audi, BMW und Mercedes. Ein ganz starkes Ego brauchen allerdings Käufer des neuen Kompakt-SUV NX, den Toyotas Edel-Tochter ab18. Oktober zu Preisen ab 39 800 Euro beim Händler bereithält. Selten zuvor war ein SUV extrovertierter gezeichnet, allen voran der zackige Chromgrill, gegen den Audis Single-Frame zum süßen Schmollmund wird.

Wobei der so genannte "Diabolo"-Grill nicht der einzige Hingucker des 4,63 Meter langen Viertürers ist. Mindestens ebenso auffällig gestaltet sind die extrem spitzwinkligen LED-Frontscheinwerfer samt Tagfahrlicht oder die pfeilförmigen Heckleuchten. Schon fast deformiert erscheint die coupéartig flache Karosserie mit ihren kräftigen Kniffen und Knicken in den vorderen Stoßfängern, den hinteren Flanken sowie den muskulös ausgestellten hinteren Radhäusern.

Das schrille Design ist volle Absicht. Der NX soll erobern, und das nicht zu knapp. Mindestens 80 Prozent Neukunden im Segment der kompakten Premium-SUV, wo BMW X3, Audi Q5 oder Volvo XC60 den Ton angeben, haben die Japaner avisiert. "Um hier erfolgreich zu sein, wollten wir ein Auto mit einer eigenständigen Persönlichkeit auf die Räder stellen, das die Kunden vor allem emotional stark anspricht", erläutert NX-Chefingenieur Takeaki Kato die Strategie. Werbekampagnen mit Hip-Hopper und Ex-Black Eyed Pea Will.i.am oder der 3D-Brillentechnolgie "Oculus Rift" sollen helfen, neue Kunden für den kantigen Lexus zu begeistern. In Deutschland sollen es 2015 mindestens 600 Käufer werden. Das klingt erst mal nicht viel. Doch bedenkt man, dass Lexus in diesem Jahr bislang bundesweit gerade mal 550 neue Autos zulassen konnte, wäre der neue NX der absolute Bestseller im Showroom von Toyotas Edeltochter.

So provokant das Äußere, so schnörkellos und funktional erscheint dagegen der Innenraum. Das Cockpit ist sportlich knapp geschnitten, aber übersichtlich gestaltet. Auf dem breiten und hohen Mitteltunnel, der Fahrer und Beifahrer deutlich voneinander trennt, sind Schalter und Bedienelemente sinnvoll geordnet und intuitiv zu bedienen. Je nach Ausstattung gibt es Echtholz- und Carbonblenden sowie weiches Leder. Viel Platz gibt es auf der Rückbank. Durch den großen Abstand zwischen Vorder- und Rücksitzen genießen die hinteren Passagiere ordentlich Knie- und Bewegungsfreiheit. Dahinter eröffnet eine große Heckklappe einen 555 Liter fassenden Kofferraum, der bei umgeklappten Rücksitzlehnen auf maximal 1 600 Liter wächst. In der Top-Ausführung funktionieren Klappe und Lehnen elektrisch.

Ein guter Bekannter ist der Vollhybrid-Antrieb aus 2,5-Liter-Benziner plus Generator, Elektromotor und Hybridbatterie, der schon aus der Limousine IS 300h bekannt ist. Im NX bringt er es allerdings nur auf eine Systemleistung von 145 kW/197 PS. Die aber reichen in den meisten Situationen aus, um den mindestens 1 715 Kilogramm schweren SUV gut in Schwung zu halten. Auf die Straße gelangt die Kraft serienmäßig über eine Sechs-Stufen-Automatik, die trotz neuer Steuerungslogik je nach Fahrprogramm (eco oder sport) immer noch träge oder nervös reagiert. Ist der NX aber erst mal auf Touren, überzeugt er auch bei hohem Tempo mit kultiviertem Lauf und ruhigem Abrollverhalten.

Beim entspannten Cruisen werden auch die angegebenen Normverbräuche realistisch. Anders als auf dem Prüfstand, wo der NX 300h auf einen Normverbrauch von 5,0 Liter (116 g/km CO2) kommen soll, hat der Bordcomputer bei unseren Testfahrten mit zügigen Überland- und tempolimitierten Autobahnetappen stets eine 8 vor dem Komma angezeigt. Im Februar 2015 soll der NX200t mit einem komplett neu entwickelten 2,0-Liter-Turbobenziner mit 175 kW/238 PS die Motorenpalette ergänzen. Beide Motorvarianten sind wahlweise mit Front- oder Allradantrieb erhältlich.

Die Entscheidung gegen den Mainstream wird mit einer reichhaltigen Ausstattung, unter anderem mit Acht-Zoll-Multimedia-Display mit Rückfahrkamera, Zwei-Zonen-Klimaautomatik und 17-Zoll-Alufelgen versüßt. Echte Goodies jedoch wie die drahtlose Smartphone-Aufladung in der Mittelkonsole, Parksensoren rundum, elektrisch verstellbare Ledersitze mit Heizung sind erst ab Ausführung "Executive" zu Preisen ab 46 000 Euro an Bord. Viel umworbene Innovationen sind der Top-Version "Luxury Line" vorbehalten. Dazu zählen etwa ein adaptiver Tempomat mit Abstandsradar bis zur Höchstgeschwindigkeit inklusive Notbremsfunktion, ein Premium-Navigationssystem mit Touchpad-Bedienung, eine Heckkamera mit Einparkführung oder eine elektrisch umklappbare Rücksitzbank. Diesen Luxus gibt es nur mit Allradantrieb ab 56 600 Euro.

Und voll ausgestattet ist der NX dann immer noch nicht. Das Head-up-Display etwa kostet zusammen mit Fernlicht- und Spurhalteassistent noch mal 2 200 Euro extra, ebenso wie das Panorama-Glasdach (950 Euro) oder die 360-Grad-Kamera mit Totwinkel- und Rückraum-Assistent (1 350 Euro). In puncto Preisgestaltung ist der Lexus NX dann doch wieder nah am Mainstream.


Bewertung:
Plus: extravagantes Design, viel Platz und großer Kofferraum, moderater Verbrauch
Minus: nervöse Automatik, nur eine Motorvariante

Frank Wald/mid

Technische Daten Lexus NX 300h:
fünftüriger SUV mit Hybridantrieb, Länge/Breite/Höhe/Radstand in Metern: 4,63/1,85/1,65/2,66, Kofferraumvolumen: 555 l - 1 600 l
Antrieb: 2,5-Liter-Vierzylinder-Benzinmotor mit 114 kW/155 PS, max. Drehmoment: 210 Nm von 4 200/min - 4 400 U/min, Elektromotor, 50 kW/68 PS, Systemleistung: 145 kW/197 PS, 0 -100 km/h: 9,2 s, Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h, Verbrauch: 5,0 l/100 km, CO2-Ausstoß: 116 g/km, Preis: ab 39 800 Euro.

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