Motorrad

Fahrbericht: Triumph Tiger 800 XR - Domestizierter Tiger

  • In MOTORRAD
  • 25. November 2014, 11:26 Uhr
  • Ulf Böhringer/SP-X

Triumph hat seine Mittelklasse-Reiseenduro Tiger 800 einer Modellpflege unterzogen. Das Raubtier agiert nunmehr feinfühliger als bislang. Ursächlich dafür ist nicht zuletzt ein kleiner Verzicht.

Nach vier Jahren ist es gemeinhin an der Zeit, ein Modell-Update vorzunehmen, um es Angreifern nicht allzu leicht zu machen. Das hält auch der englische Hersteller Triumph so. Denn die Kategorie der Mittelklasse-Reiseenduros wird immer stärker: Zur BMW F 800 GS, der in Mitteleuropa stärksten Vertreterin dieser Gattung, kommt nächstes Frühjahr als Wettbewerber nicht nur die Yamaha MT-09 Tracer hinzu, sondern es buhlt auch die soeben modellüberarbeitete Honda Crossrunner um Kunden.

Die Triumph Tiger 800 soll künftig gleich mit zwei Versionen angreifen: Als Tiger 800 XC, der zusätzlich verbesserte Offroad-Eigenschaften anerzogen worden sind, und als stärker straßenorientierte Tiger 800 XR. Der schon bisher wegen seiner ungemein linearen Kraftentfaltung überzeugende Dreizylindermotor hat zwar an Leistung (95 PS/70 kW) nicht zugelegt, wohl aber an Manieren und Nutzerfreundlichkeit. Denn Triumph hat ihn auf ein Ride-by-wire umgebaut; die bisher nötigen Gaszüge entfallen, weil nun alle Kommandos des Gasgriffs elektronisch weitergegeben werden.

Das stellt sich, zusammen mit einigen weiteren flankierenden Änderungen am Triebwerk, als sehr gelungen heraus: Denn das System arbeitet ungemein sauber, die Gasannahme erfolgt weich und sehr berechenbar. Zudem beeindruckt das Durchzugsvermögen: Der Dreizylinder dreht zwar leicht bis zur 10.000er Marke, tut aber auch willig zwischen 2.000 und 5.000 Touren seinen Dienst. Ein neuer, anders platzierter Katalysator, Änderungen an der Einspritzanlage und andere kleine Kniffe der Entwickler führen zu einem spürbar geringeren Benzinverbrauch: War die bisherige Tiger 800 mit weniger als 5,5 Litern pro 100 Kilometer nur im Schleichmodus zu bewegen, kann man nunmehr mit knapp fünf Litern sogar lustvoll herumtigern. Das Ride-by-wire macht auch die Ausrüstung mit Tempomat möglich.

Deutliche Änderungen hat Triumph auch beim Fahrwerk der 800er einfließen lassen. Vorne arbeitet jetzt eine Upside-down-Gabel von Showa mit 180 Millimetern Federweg, hinten kommt ein in der Vorspannung einstellbares Zentralfederbein vom selben Hersteller zum Einsatz. Die Abstimmung dürfte den Geschmack von 95 Prozent der Fahrer treffen: Nicht zu hart, nicht zu weich. Die XR-Version erreicht aber dennoch nicht den ausgezeichneten Fahrwerks-Level der neuen XC-Version mit 220 Millimetern Federweg und mannigfachen Einstellmöglichkeiten. Insgesamt ist die XR ein handliches, gutmütiges Bike, das beispielsweise auch auf Bremsmanöver in Schräglage ganz ohne bösartige Aufstelltendenz reagiert.

Auch der Fahrkomfort ist gelungen: Der kleine Windschild entlastet den Oberkörper vom Fahrtwind, die Sitzhöhe ist auf 81 oder 83 Zentimeter fixierbar. Lästig ist, dass der Lenkeinschlag etwas zu gering ist; manches Rangiermanöver fällt deshalb schwerer als nötig. Recht umfangreich ist die Bestückung des Bordcomputers ausgefallen; zum Anzeigeumfang gehören auch eine Ganganzeige sowie eine Anzeige der Umgebungstemperatur.

Noch mehr Informationen vermittelt der Bordcomputer, wenn die 900 Euro Mehrpreis kostende Version XRx geordert wird: Dann kann der Fahrer nämlich auch zwischen den Fahrprogrammen Road und Offroad wählen und sich zusätzlich ein selbstkonfiguriertes Fahrprogramm zusammenstellen und abspeichern. Zur Wahl stehen dann vier Motormappings (Straße, Sport, Regen, offroad), drei Settings des ABS (an, aus, offroad) und drei Settings der serienmäßigen Traktionskontrolle (an, aus, offroad). Doch nicht nur Elektronik-Features werden in der x-Zusatzausstattung geliefert, sondern auch Handfestes: ein Hauptständer, eine Verstellmöglichkeit des Windschildes, eine automatische Blinkerrückstellung oder der schon erwähnte Tempomat. Ob diese Details neun Prozent Mehrpreis rechtfertigen, muss der Tiger-Dompteur selbst beurteilen.

In Versuchung, mehr Geld zu investieren, führt auch das sehr reichliche Zubehörangebot. Es umfasst 70 Positionen, darunter so nützlich erscheinende wie eine Griffheizung, LED-Zusatzscheinwerfer (beide mit etwas klobig ausgefallenen Bedientasten) oder das sehr voluminöse Gepäcksystem mit Aluminium-Behältern. Lieferbar sind weiterhin Komfortsitze für Fahrer und Passagier, ein Tankrucksack und viele weitere Accessoires.

Besonders angenehm an der Tiger 800 XR ist aber, dass sie bereits serienmäßig großen Fahrspaß liefert. Das liegt primär am wirklich gelungenen Triebwerk. Für 9.990 Euro bietet Triumph ein solides Paket, das zwar kein Schnäppchen darstellt, aber sein Geld wert ist.

Technische Daten Triumph Tiger 800 XR/XRx

Motor: Flüssigkeitsgekühlter Dreizylinder-Viertaktmotor, vier Ventile pro Zylinder, DOHC, Hubraum 800 ccm, Leistung 70 kW/95 PS bei 9.250/min, Drehmoment 79 Nm bei 7.850/min, Traktionskontrolle, Sechsganggetriebe, Kette.
Fahrwerk: Stahl-Gitterrohrrahmen; USD-Telegabel, Ø 43 mm; Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, verstellbare Federbasis; Doppelscheibenbremse vorn Ø 308 mm, Doppelkolben-Schwimmsättel; Scheibenbremse hinten Ø 255 mm, Einkolben-Schwimmsattel; Zweikanal-ABS (abschaltbar); Aluminium-Gussräder, Reifen vorne 100/90 R 19, Reifen hinten 150/70 R 17.
Maße und Gewichte: Radstand 1.530 mm, Sitzhöhe 830/810 mm, Gewicht vollgetankt 213 kg, Tankinhalt 19 Liter.
Messwerte: Höchstgeschwindigkeit über 200 km/h, Beschleunigung 0 - 100 km/h: ca. 4 Sek. Praxisverbrauch: ca. 5,5-6 Liter/100 km.
Preis: 9.990 Euro (XRx 10.890Euro)

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