Oldtimer

Tradition: 60 Jahre Fiat 600 - Italienischer Volkswagen

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  • 26. Januar 2015, 10:55 Uhr
  • Wolfram Nickel/SP-X

Heckmotor-Layout, wegweisende Einzelradaufhängung rundum, relativ flotte Fahrleistungen und ausreichend Platz für vier Erwachsene - der Fiat 600 war die erste automobilen Amore für über fünf Millionen Menschen.

Der Fiat 500 Topolino aus Vorkriegszeiten leitete die Volksmotorisierung in Italien ein. Zum ersten vielfachen Produktionsmillionär und automobilen Megastar wurde aber der Fiat 600. Mit knuddeliger Form und zahlreichen Karosserieversionen avancierte er zum weltweiten Herzensbrecher.

Der 3,22 Meter kurze Zweitürer zählte von Anfang an zu den billigsten Massen-Automobilen auf dem Markt. Bei seiner Einführung war er sogar günstiger als der allererste italienische Volkswagen, der Fiat 500 Topolino. Dieser Kostenvorteil war eine der wenigen Vorgaben, die Fiats erfolgsverwöhnter Präsident Vittorio Valletta seinem legendären Entwicklungschef Dante Giacosa für das künftige ,,auto per tutti" (Auto für alle) mit auf den Weg gab. Vier Plätze, 85 km/h Spitze und ein Preis von 450.000 Lire waren die drei entscheidenden Maßgaben, nach denen der Fiat 600 ab 1951 konstruiert wurde. Tatsächlich gelang Giacosa mit dem Fiat 600 ein Geniestreich, wie er nur in jener Ära möglich war als Designer und Entwickler noch fast freie Hand hatten.

So wie Alec Issigonis damals für den Morris Minor ein neues, aber typisch englisches Konzept erfand, Flaminio Bertone dem französischen Automobilbau mit dem legendären Citroen DS ein Denkmal setzte, verkörperte der Fiat 600 - und wenig später auch der Fiat 500 - italienische Lebensart in Reinform. Zeitlos schön, liebenswert und doch vernünftig bis ins Detail waren Dante Giacosas Konstruktionen. So erklären sich auch die in zeitgenössischen Testberichten hochgelobten Fahreigenschaften des Fiat 600. Spendierte Giacosa ihm doch eine aufwändige Einzelradaufhängung statt der verbreiteten preiswerten Pendelachse. Ungewöhnlich für ein Heckmotorauto war auch die Heizung via Ventilator, der warme Luft aus dem Motorraum in die Kabine schaufelte. Die damals noch neuartige selbsttragende Karosserie war so robust, dass sich der Fiat 600 auch als verführerischer Luftikus mit Sonnen-Faltdach vorstellte.

Gar nicht zu reden von den damals formidablen Fahrleistungen des sparsamen 14 kW/19 PS-Vierzylinder-Benziners im gerade einmal 585 Kilogramm wiegenden Fliegengewicht. 100 km/h Vmax bei 5 bis 5,5 Liter Verbrauch versprach Fiat zum Marktstart in Deutschland, womit der Fiat 600 kaum langsamer, aber deutlich sparsamer als der größere VW Käfer war.

Beliebt war der Kleine aber auch wegen der vielfältigen Karosserievarianten, in denen er von Fiat oder italienischen Karossiers inszeniert wurde. Gab es zunächst nur den Zweitürer mit anfangs vorn angeschlagenen Türen, folgte bereits ein Jahr später der geniale Fiat Multipla. Als früher Vorläufer heutiger Microvans präsentierte sich der Multipla alternativ als Vier- bis Fünfsitzer und als variabler Sechssitzer, der bei umgelegten hinteren Sitzreihen bis zu 1,75 qm Laderaum bot.  

Ein verführerisches italienisches Volksauto-Package, das rasch auch andere Märkte motorisieren sollte. Während in Deutschland der in Heilbronn montierte NSU-Fiat Jagst 600/770 bis 1969 für Furore sorgte, war es in Spanien der Seat 600, der das Volk mobil machte. In Europa setzte Fiat seinem rundlich geformten Bestseller ein spätes Denkmal durch den 1998 eingeführten Kleinstwagen Seicento, der ab 2005, anlässlich des 50. Geburtstag seines Ahnherren mit dem Modelllabel 600 ausgeliefert wurde.

Überdies war der Seicento direkter Herold für Fiats allerkleinsten Hero, den zwei Jahre später lancierten Fiat 500, alias Cinquecento. Dieser winzige italienische Sympathieträger adaptierte das Antriebs- und Designkonzept des Fiat 600, packte es in noch kompaktere Form und machte sich so unsterblich. Andererseits gelang dem Fiat 600, was seinem noch kleineren Bruder 500 verwehrt blieb: Der ,,Seicento" wurde zur ersten automobilen Amore für über fünf Millionen Menschen, vor allem in West- und Osteuropa sowie in Südamerika.

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