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Panorama: Familienausflug nach Schweden - Kleider machen Autos

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  • 6. März 2015, 13:04 Uhr
  • Adele Moser/SP-X

Dank modernem Baukasten-Lego sparen gerade Hersteller mit umfangreichen Markenportfolio Kosten, weil sie ein neues Modell nicht unbedingt von Grund auf neu entwickeln müssen. Aber das ist nicht zwingend so langweilig, wie es sich anhört.

Jeder Mann sieht im Anzug souveräner aus als in der Jeans und im kleinen Schwarzen wirken Frauen stilsicher, Pelze suggerieren Wohlstand und Cowboystiefel umweht ein Gefühl von Freiheit und Abenteuer. Bei Autos ist es manchmal gar nicht so viel anders.

Welches Design auf die technische Basis gesetzt wird, ist für die Käufer heute mindestens genauso wichtig wie Leistung, Verbrauch oder Preis. Natürlich gibt es auch hier Mainstream, also eine Art automobiles H&M. Was übrigens ähnlich wie beim Klamottenhersteller nicht zwingend negativ sein muss - siehe etwa die baugleichen und optisch kaum zu unterscheidenden Kleinstwagen-Drillinge VW Up, Skoda Citigo und Seat Mii. Es geht aber auch spannender. So wird der Uneingeweihte kaum merken, dass es sich auch bei Fahrzeugen wie dem Jeep Renegade oder dem Fiat 500X technisch um Geschwister handelt.

Sie sind die ersten gemeinsamen Kinder der Ehe zwischen Chrysler und Fiat und beide im italienischen Melfi geboren. Als erstes freuten sich die jungen Eltern Ende vergangenen Jahres über den Jeep Renegade. Seit diesem Februar ruhen aber die stolzen Augen auch auf dem Fiat 500X. Der eine hat das Robuste und Kernige vom Vater, der andere die Stilsicherheit und Heiterkeit der Mutter. Neugierig aufgeweckte, runde Augen beim Renegade, formschöne und leicht ovale beim 500X. Kastige Bauweise, robuste Optik und Dachreling beim Italo-Amerikaner, coupéhaftes Heck, modischer Chic und viel Chrom beim Italo-Italiener.

Fiat hat aus seinem kultigen Kleinstwagen 500 schon längst eine ganze Familie gemacht, inklusive Cabrio und Van. Der jüngste Spross mit dem Zusatz X will mit den typischen optischen Merkmalen der Gattung SUV punkten - ohne jedoch seine lebenslustige Verwandtschaft zu verleugnen.

Eine eher robustere Optik erwartet man hingegen vom Renegade. Wird dieser Kerl doch in eine traditionsreiche Familie geboren, deren Name seit 1941 für Individualität, Unangepasstheit und echte Geröllwanderer steht. In diese Fußstapfen will also auch der neueste und zugleich kleinste Kraxler treten. Er begnügt sich nicht nur mit kernigem Aussehen, sondern bietet seinem Besitzer mit fünf unterschiedlichen Fahrmodi, hoher Bodenfreiheit und optional Allrad genug Möglichkeiten, die weite Welt zu entdecken.

Beweisen will er uns das am Polarkreis, fast 1.000 Kilometer nördlich der schwedischen Hauptstadt Stockholm. In einer Gegend also, die buckelig, rutschig und in der meisten Zeit des Jahres auch noch verschneit ist. Mitgebracht hat der Jeep seinen Bruder 500X, der schließlich auch mal ein Abenteuer erleben will.

Doch kommen wir zunächst zum Erstgeborenen und gehen mit ihm ins Gelände. Kniehoher Schnee, steile Hänge und mittendrin ein hochmotivierter Renegade. Problemlos schiebt ihn sein 2,0-Liter-Diesel (103 kW/140 PS) an, mühelos spaziert er über den schwierigen Untergrund und gibt seinem Fahrer das Gefühl, er drücke lediglich Puderzucker platt. Beim ersten Steilhang findet er jedoch keinen richtigen Halt. Wir ändern den ,,Rock"-Modus auf ,,Snow" und versuchen es mit viel Anlauf erneut. Und tatsächlich: So präpariert krabbelt der Renegade ohne Probleme den Hügel hoch und dank 20 Zentimeter Bodenfreiheit setzt er dabei auch nicht auf.

Doch nicht nur über Stock, Stein und Schnee ist der kleine Jeep ein guter Begleiter. Auch auf normaler Strecke überzeugt er mit ausreichend Komfort und einfacher Bedienung. Dazu offeriert er gar nicht mal so wenig Platz, auch wenn Wettbewerber wie Renault Captur, Opel Mokka oder Nissan Juke mehr Stauraum bieten, als die 350 bis maximal 1.300 Liter des Renegade.

Seine Kraft verteilt der Motor in der von uns gefahrenen Top-Version Trailhawk natürlich an alle vier Räder. In der Basis werden allerdings nur die Vorderräder angetrieben. Aber ob mit oder ohne  Allrad - ab Tempo 130 stemmt sich seine hohe Karosserie dann doch vernehmlich  gegen den Fahrtwind.

Was leistet dagegen der Fiat? Echte Wintereigenschaften traut man den Südländer ja eigentlich gar nicht zu. Trotzdem wagen wir uns mit ihm auf den zugefrorenen Uddjaure-See, der mit einer Fläche von 250 km²mehr als genug Platz zum Hetzen, Driften allerdings auch zum Blamieren bietet. Eingestiegen in den 500X bestätigt sich der Wunsch, mit dem netten Italiener vielleicht doch lieber durch Rom zu flanieren. Bequeme Ledersitze, chromverzierte Drehregler, recht hochwertig wirkende Armaturen und Materialien machen ihn eher zum Hingucker als zum Eroberer.

Mit identischer Technik sollte er sich jedoch eigentlich nicht hinterm älteren Brüderchen verstecken müssen. Einige langsame Runden auf Schwedens zehntgrößtem See dienen zum Herantasten. Zügig schicken wir den X dann bis auf Tempo 90. Fünf Fahrmodi wie der Jeep hat er nicht, aber immerhin drei. Mit der Traction-Einstellung hält sich auch der 500X auf dem glatten Untergrund ganz wacker, kommt nicht ins straucheln und wirkt zu keiner Zeit überfordert.

Das ansehnliche Kostüm des Fiat 500X hat jedoch Nachteile: Durch das abfallende Heck sollten die Passagier im Heck lieber nicht allzu groß sein. Zudem bietet das Kofferraumvolumen mit 245 Litern noch weniger Platz für Gepäck als der des Renegade und auch die Sicht nach hinten wird durch die kleinere Heckscheibe erschwert.

Da ist der Jeep bis hin zu netten Kleinigkeiten konsequenter aus Ourdoor eingestellt und fördert zudem den Entdeckerdrang seiner Besitzer. Neben der Taschenlampe im Heck finden sich auch einige sogenannte ,,Ostereier". Das sind von Entwicklern versteckte kleine Gags, wie beispielsweise der Schriftzug ,,...to new adventures!" (etwa: ,,auf zu neuen Abenteuern) unter dem Start-Stopp-Knopf, ein kleiner Jeep in der Windschutzscheibe unten rechts oder der Mini-Yeti auf der Heckscheibe unten. Auch der Sieben-Schlitze-Grill als typisches Jeep-Merkmal taucht an der Kofferraumabdeckung, in den Rückleuchten und auch im Innenraum wieder auf.

Und nun zum Geld: Der Fiat 500X kostet in der Basis mit City-Look und 1,6-Liter-Benziner (81 kW/110 PS) knapp 17.000 Euro. Im Offroad-Kleid und 1,4-Liter-Benziner (103 kW/140 PS) dann schon 22.450 Euro. Der Renegade beginnt bei 19.900 Euro.
Angetrieben wird auch er dann von einem 1,6-Liter-Benziner mit 110 PS, manueller Fünfgang-Schaltung und Frontantrieb. Wer die Top-Ausstattung Trailhawk wählt, muss den Selbstzünder mit 125 kW/170 PS nehmen und mindestens 31.900 Euro investieren.

Die Differenz von knapp 3.000 Euro bei den Basisversionen lässt sich kaum anders begründen, als mit dem großen Markennamen. Denn viel mehr Ausstattung hat der kleine Renegade im Vergleich zum 500X nicht an Bord.

Beim Preis gehen die beiden 4,25 Meter langen Geschwister also nicht Hand in Hand. Das ist neben dem Blechkleid und den ausgeprägteren Offroad-Eigenschaften des Jeep der größte Unterschied. Der Rest ist Design und Image. Der Kunde hat die Wahl zwischen einem eher charmanten Typ für alle Tage oder einem kernigen Freigeist. Man könnte auch sagen zwischen Disco-Musik und Wolfsgeheul, Stadtlichtern und Lagerfeuer. Man darf und muss sich nur entscheiden.

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