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Fahrbericht: BMW 2er Gran Tourer Allrad - Ein Zweier für Sieben

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  • 22. April 2015, 12:31 Uhr
  • Peter Maahn/SP-X

Mit dem 2er Gran Tourer begibt sich BMW auf Neuland und entdeckt die Großfamilie. Mit bis zu sieben Sitzplätzen bietet er mehr Raum als alle anderen Münchner Modelle. Doch kann ein Großraum-Kombi im Mini-Van-Format noch die sportlichen Ansprüche erfüllen, die von einem BMW erwartet werden?

Zu siebt im BMW. Das ist kein Rekordversuch fürs berühmte Guinness-Buch, auch keine abgelehnte Wette für eine abgesetzte ZDF-Sendung und keine Übung im Anti-Klaustrophobie-Seminar. Es gibt ihn bald wirklich, den BMW mit drei Sitzreihen. Dabei ist der Familien- oder Freizeit-Münchner gar nicht riesig, sondern eher kompakt und knuffig. Um mehr Platz schaffen, haben die bayerischen Ingenieure den schon bekannten 2er Active Tourer um 21,4 Zentimeter verlängert und die Dachlinie um 5,3 Zentimeter angehoben. Heraus kam ein völlig neues Auto mit Namen Gran Tourer, für das sich BMW ebenso völlig neue Kunden suchen muss.

Es gibt durchaus bekannte Vorbilder. Den Grand Scénic von Renault zum Beispiel oder auch den C-Max von Ford. Auch der VW Touran und der Opel Zafira spielen in dieser Liga. Aber BMW ist nun mal Premium, also immer etwas teurer als die Modelle der oben genannten. Deshalb hat es den Marktstrategen vor allem die B-Klasse des Erzrivalen Mercedes angetan, die aber weniger bei Familien als bei älteren, aber noch sehr aktiven Kunden beliebt ist. ,,Wir haben das mit Abstand sportlichste Angebot in diesem Segment", betont der neue Entwicklungschef Klaus Fröhlich. Und wirklich: Begriffe wie Sportlichkeit und Dynamik finden sich im Übermaß in den vor der ersten Testfahrt überlassenen Unterlagen zum 2er Gran Tourer. BMW will nun mal BMW bleiben, auch in der Zunft der Kinderreichen und Platzhungrigen.

Der Frühling hat schon Einzug gehalten an der Adria-Küste, noch fehlen die Touristen, die Hotels sind derzeit verwaist. Das verspricht leere Straßen durch das Velebit-Gebirge, einem Teil der Dinarischen Alpen. Hier wurden früher einmal Karl-May-Filme gedreht, hier wird immer noch wegen der Minengefahr davor gewarnt, die ausgeschilderten Wanderwege zu verlassen. Relikte des Grauens aus dem Balkan-Krieg vor gut 20 Jahren. Der neue 2er Gran Tourer ist mit seinen großen Fensterflächen und der erhöhten Sitzposition das passende Auto für Entdeckungstouren durch Land und Geschichte. In keinem BMW hat mal so eine gute Rundumsicht und so ein üppiges Raumgefühl wie in dem 4,57 Meter langen Fünftürer mit dem geraden Kombi-Heck. In dieser Disziplin übertrifft er sogar die bekannten SUV der X-Familie.

Unter der deutlich nach unten geneigten Motorhaube und hinter dem typischen BMW-Gesicht arbeitet im Testwagen der derzeit stärkste Diesel für diesen 2er. Dank 140 kW/190 PS spricht schon die Papierform für die angekündigte Dynamik. Umso mehr als dieses Spitzenmodell serienmäßig mit Allradantrieb geliefert wird. Die übrigen Versionen werden wie auch der kleinere Active Tourer von den Vorderrädern gezogen. Schon auf den ersten Kilometern erweist sich das Raumschiff als lebendig, durchzugstark und beim Überholen als angriffslustig. Dank der bissigen Sportlenkung lässt es sich sicher und flott um enge Kurven wuchten, auch wenn ihm die Leichtfüßigkeit zum Beispiel eines 1er fehlt. Der Testverbrauch von rund acht Litern auf 100 Kilometer liegt zwar um gut drei Liter über der angegebenen Norm, ist aber für einen 1,6-Tonner durchaus akzeptabel. Wer das rechte Pedal allzusehr strapaziert, muss mit dem dann unvermeidlichen D-Zug-Zuschlag rechnen.

Aber die künftige Kundschaft hat ohnehin anderes im Sinn. Bei Fahrzeugen dieser Art geht es um Komfort, das eher bedachte Fortkommen, aber auch um die praktischen Dinge des Lebens und das Gemeinschaftserlebnis an Bord. Hier hat BMW viel zu bieten: In den Verkleidungen aller Türen können 1,5-Liter-Flaschen verstaut werden, insgesamt hat er 40 Liter Stauraum im Innenleben. Auf allen fünf hinteren Sitzen können Universal-Kindersitze montiert werden, für die Rücksitze in Reihe 2 können Monitore bestellt werden, auf denen dann eine eigens erstellte App mit einem Unterhaltungsprogramm für Kinder deren Langeweile auf langen Touren bekämpft.

Doch auch für den Fahrer bietet der 2er Gran Tourer viel Modernes und Angenehmes: Ein Head-Up-Display spiegelt Infos über Geschwindigkeit und Navi-Anweisungen auf eine kleine ausfahrbare Scheibe zwischen Lenkrad und Frontscheibe. Mittels eines Dreh-Drück-Knopfes in der Konsole kann sogar beim Fahren im Internet gesurft werden. Alles Feinheiten gegen Mehrpreis, alles typisch BMW.

Dazu kommt natürlich das übliche edle Innenleben, dass durch diverse Angebote in der Preisliste noch erweitert werden kann. Zwar haben schon die Basismodelle (ab 26.950 Euro) eine verschiebbare zweite Sitzreihe, Klimaanlage, eine City-Bremsfunktion oder Licht- und Regensensor. Doch richtig nett wird´s erst beim Plündern des Bankkontos. Beispiele sind LED-Scheinwerfer, Abstandsradar mit Staufolge-Funktion, Panorama-Glasdach und die elektrisch öffnende Hecktür beim Wedeln mit dem Fuß unter dem hinteren Stoßfänger. Die Preisliste ist 60 Seiten stark und hält eine Menge bereit. Die dritte, umklappbare Sitzreihe kostet übrigens 790 Euro mehr.

Der Preis für den besonders komplett ausgestatteten Testwagen erhöht sich durch viele Extras von 40.200 auf gut 50.000 Euro. Natürlich geht das auch bescheidener, wenn auf diverses Zubehör verzichtet wird. Aber zwischen 35.000 und 40.000 Euro müssen wohl angelegt werden, um einen 2er Gran Tourer (dann ohne Allrad) zu besitzen. Ob das junge Familien mit drei und mehr Kindern stemmen können? Oder wird der Raumriese eher von gut situierten Freizeit-Sportlern oder eben von Ruheständlern mit guter finanzielle Versorgung bevorzugt. So ganz nach dem Motto: Mit 66 kann das Leben auch im BMW erst richtig anfangen.

BMW 2er 220d Gran Tourer  - Technische Daten:
Fünftürige Coupé-Limousine, Länge: 4,57 Meter, Breite: 1,80 Meter, Höhe: 1,61 Meter, Radstand: 2,87 Meter, Kofferraumvolumen: 645 -1.905 Liter
Vierzylinder-Dieselmotor mit Twinturbo, 1.995 ccm, 140 kW/190 PS, maximales Drehmoment: 400 Nm bei 1.750 U/min.
Achtgang-Automatikgetriebe, Allradantrieb. Vmax: 218 km/h, 0-100 km/h in 7,9 sec., Normverbrauch: 5,0 l/100 km, CO2-Ausstoß: 133 g/km, EU 6
Preis ab 40.200 Euro

Kurzcharakteristik:
Warum: Weil man sich vom VW Touran des Nachbarn unterscheiden will, auch kein Fan der Mercedes B-Klasse ist und trotzdem als Shuttle zum Kindergeburtstag gefragt ist
Warum nicht: Weil man so viel Platz gar nicht braucht und weil man sich an einen so aussehenden BMW in diesem Leben nicht mehr gewöhnen will
Was sonst: Mercedes B-Klasse, Renault Grand Scénic oder auch Opel Zafira

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