E-Mobil

Die Elektro-Welle rollt auf zwei Rädern

  • In MOTORRAD
  • 30. Juli 2015, 16:39 Uhr
  • Hans Schuster (vm)

Elektro-Motorräder sind im Kommen. Volles Drehmoment aus dem Stand bringt viel Fahrspaß, und begrenzte Reichweiten sind bei zweirädrigen Spaß- und Freizeitgeräten leichter zu verschmerzen als beim Pkw. Ab Ende 2015 will Victory mit seiner Empulse TT kräftig mitmischen, Harley-Davidson folgt noch vor 2020.

Victory bläst nun auch bei den Elektro-Bikes zum Vollangriff auf den Hauptrivalen Harley-Davidson. Die Tochter des amerikanischen Polaris-Konzerns hatte sich im Januar 2015 die Elektro-Marke Brammo einverleibt. Nun steht für Ende 2015 der Verkaufsstart des ersten Serien-Motorrads unter dem wesentlich bekannteren Victory-Label fest. Die Empulse TT wird als technische Weiterentwicklung der bisherigen Brammo Empulse mit 40 kW/55 PS Leistung und 100 km bis 160 km Reichweite auf den US-Markt kommen - bis zu drei Jahre vor einer elektrisch angetriebenen Harley-Davidson, die noch vor 2020 starten soll. Mit diesen beiden US-Bikes wird das Angebot an Elektro-Motorrädern abermals vielfältiger. Ein Marktstart der Victory Empulse TT in Deutschland steht derzeit noch nicht fest.

Die technischen Daten lassen aufhorchen: Typisch für Elektromotoren wuchtet der Antrieb der 55 PS starken Victory Empulse TT von der ersten Umdrehung an 83 Nm Drehmoment aufs Hinterrad. Bei 213 kg Trockengewicht eine gewaltige Schubkraft, die für impulsiven Fahrspaß sorgen sollte. Je nach Leistungsabruf liegt die Reichweite mit den 10,4 kWh starken Lithium-Ionen-Akkus bei 100 km bis 160 km. Das sollte für die meisten Einsatzzwecke eines agilen, bis zu 160 km/h schnellen Naked Bikes ausreichen; ob man damit in der Großstadt flink und ohne Parkplatzsuche ins Büro fährt, oder ob am Wochenende der Kurztrip zur nahegelegenen Lieblingsstrecke ansteht. Mit dem gemeinsamen Know-how des Polaris-Konzerns und der Brammo-Spezialisten hat Victory die Antriebstechnik in den vergangenen Monaten optimiert, ehe nach Aufgabe des exotischen Brammo-Labels das erste käufliche Serien-Motorrad der bekannteren Marke Victory mit entsprechend engmaschigerem Händlernetz auf den Markt kommt.

Absolute Spezialität der Victory Empulse TT unter allen Elektro-Motorrädern: Entweder man fährt E-Bike-typisch ohne zu schalten oder zu kuppeln mit nur einem Gang, oder man schaltet wie beim konventionellen Motorrad mit sechs Gängen. Dabei liegt der Leerlauf zwischen zweitem und drittem Gang, und der Eingang-Modus vollzieht sich dauerhaft im Dritten. Neben dem "ECO"- steht ein "SPORT"-Modus zur Wahl, in dem die Energie-Rückgewinnung und Bremswirkung des Motors im Schiebebetrieb um 20 Prozent höher sind. Damit soll eine noch sportlichere Fahrweise möglich sein. Die Ladezeit beträgt an einem speziellen "Stage2"-Schnell-Ladegerät 3,9 Stunden, an einer normalen Steckdose mit Bordladegerät acht Stunden von null auf hundert Prozent.

US-Rivale Harley-Davidson lässt derzeit Kunden, Journalisten und Händler in den USA, Kanada und Europa mit seinem elektrischen Konzept-Motorrad LiveWire probefahren und hat schon über 15.500 Stimmen gesammelt, wie sich die Biker ein Strom-Motorrad der traditionellen US-Marke wünschen. Die aktuelle LiveWire leistet bereits beachtliche 55 kW/74 PS, stemmt 70 Nm auf den Riemen und beschleunigt wie ein Katapult in weniger als vier Sekunden von null auf hundert. An der Reichweite von aktuell 85 km soll sich bis zum Marktstart einer käuflichen Elektro-Harley "vor 2020" noch einiges tun, so Harley-Davidson-Präsident Matt Levatich. Die Ladezeit der Strom-Harley liegt momentan bei 3,5 Stunden am Schnell-Ladegerät.

Aktuell hat Zero aus dem kalifornischen Santa Cruz die Nase vorn mit seinen Elektro-Motorrädern, die wegen ihres Fahrverhaltens und besonders der extremen Wartungsfreundlchkeit bei der US-Polizei immer beliebter werden. Das sportliche Spitzenmodell Zero SR tritt mit zwar überschaubaren 50 kW/67 PS auf, protzt aber mit der gewaltigen Schubkraft von bis zu 144 Nm Drehmoment. Je nach Akku-Pack liegt die Reichweite bei maximal 298 km im Stadt- und 200 km im kombinierten Verkehr. Die S/SR des Elektro-Motorrad-Pioniers Zero bewegt sich preislich zwischen 13.490 Euro und knapp 20.000 Euro.

Unter den etablierten Motorrad-Marken tut sich bisher vor allem KTM mit Elektro-Motorrädern hervor. Die Österreicher haben bereits das Spaßgerät Freeride E auf dem Markt, das es je nach fahrerischen Vorlieben ab 10.995 Euro als Enduro E-XC, als reinen Sportler E-SX oder für Schräglagen-Fahrspaß auf Asphalt in der Supermoto-Ausführung E-SM gibt. Die aktuelle Entwicklung lässt erahnen, dass die Zweirad-Mobilität in naher Zukunft deutlich an Spannung gewinnen wird - im übertragenen und vor allem im wörtlichen, elektrischen Sinne.

Hans Schuster

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