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Tradition: Europäische Devisenbringer made for USA - Speedster, Spider & Sportscars

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  • 12. Oktober 2015, 11:27 Uhr
  • Wolfram Nickel/SP-X

Amerika rief und alle folgten dem Lockruf des Dollars: Gleich ob Alfa Romeo, BMW, Jaguar oder Porsche, europäische Autobauer konstruierten in den Golden Fifties speziell für die kaufkräftige US-Klientel schnelle Sportwagen. Darunter Ikonen wie die Flügeltüren-Mercedes, die sonst nicht auf die Straße gekommen wären.

Welche Leidenschaft teilten Elvis Presley und Hollywood-Legenden wie James Dean mit einfachen GIs der amerikanischen Armee? Es war ihre Faszination für europäische Sportwagen. Leichte Roadster, Spider und Sportcoupés, die so ganz anders waren als das chromblitzende Detroiter Schwermetall, mit dem US-Konzerne immer neue Produktionsrekorde erzielten. Mehr als acht Millionen Sechs- und Achtzylinder schickten die Automobil-Giganten allein 1955 auf die Highways.

Während in Deutschland noch Kabinenroller und der VW Käfer als soziale Statussymbole galten, war in Amerika schon der hubraumstarke Zweitwagen Alltag. Zeit zum Umdenken, dachten nicht wenige Autofans in den USA - und ein genialer Autohändler. Waren es zunächst die in Europa stationierten US-Soldaten, die bei ihrer Heimkehr vor allem englische Roadster mitbrachten, wurde wenig später der in Wien geborene Autoimporteur Max Hoffman zum Hauptabnehmer und Ideengeber sportlicher Schönheiten. Ob Alfa Giulietta oder BMW 503 und 507, Mercedes 190 SL und 300 SL oder Porsche Speedster, sie alle wurden durch Hoffman angeregt.

Nicht mehr Messen in Frankfurt, London oder Paris, sondern New York und Chicago entschieden im ersten Nachkriegsjahrzehnt, ob neue Sportwagen toppten oder floppten. Konnten die speedsüchtigen Amerikaner damals doch gar nicht genug Nachschub an flotten europäischen Flitzern bekommen, die sich als Weekend-Racer empfahlen. Werktags ins Büro und sonntags auf die Strecke, das war damals angesagt. Sogar Leinwandhelden wie James Dean sicherten so ihre Sportabzeichen. Zusätzlich forciert wurde dieser Sportwagenhype durch englische und französische Exportgesetze, die den defizitären Staatshaushalten einen wohltuenden Dollarregen bescherten. So wurden von Jaguar, MG, Triumph oder Facel Vega bis zu 90 Prozent der Produktion in die USA geliefert. Gerade Jaguar hatte sich schon 1948 mit seinem ersten Traumsportwagen der XK-Serie ein Denkmal gesetzt. Trug der XK 120 doch das Tempo in der Typenbezeichnung, 120 Meilen (192 km/h) machten ihn zu einem der schnellsten Autos der Welt. Dennoch blieb der XK 120 ebenso wie der 1955 lancierte XK 140 getreu dem Jaguar-Motto ,,Value for money" unter den Kosten der Konkurrenten. Beste Basis für Bestsellerkarrieren.

Auch bei MG und Triumph war es die Bezahlbarkeit, die die 1955 vorgestellten Typen TR3 und MGA boomen ließ. Von dieser amerikanischen Liebe zu europäischen Sportlern wollte die US-Marke Nash profitieren, die dafür mit Austin in England kooperierte. Nash entwickelte kleine Coupés und Cabriolets, die aber in England gebaut wurden. Tatsächlich zählte der Nash Metropolitan mit rund 100.000 Einheiten zu den erfolgreichsten Importwagen auf dem US-Markt.

,,Sporty and small is beautiful", von diesem Trend profitierten ab 1955 auch die schwedischen Marken Saab und Volvo. Vollmundig bewarben die Göteborger ihren Buckel-Volvo PV 444 als ,,most important new import", der Superlative setzen sollte: Mehr Sport und mehr Leistung bei geringeren Kosten als alle anderen. Tatsächlich verfielen die Amerikaner diesem Volvo auf Anhieb, denn der kleine Fastback lieferte mit 63 kW/85 PS mehr PS pro Kubikzentimeter als großvolumige amerikanische Power-Limousinen. Viel Kraft aus mikrobenhaften Motörchen, das war auch das Erfolgsgeheimnis der sportiven frontgetriebenen Fahrzeuge aus Trollhättan: Nach dem Typ 93 legte Zweitaktspezialist Saab für seine US-Klientel den GT 750 auf mit stolzen 37 kW/50 PS aus 0,75 Liter Hubraum. Stimmung machte zudem der offene Saab Sonett für sunny California.

Genau dort ließ der Automobilimporteur Max Hoffman 1955 mit Facel Vega einen neuen französischen Stern am Firmament der Luxusautomobile aufsteigen. Der ehemalige Citroen-Konstrukteur Jean Clément Daninos hatte in seinen Facel Vega Coupés und Cabriolets geschickt das Beste aus Alter und Neuer Welt vereinigt: Aus Detroit stammte die gewaltige Kraft hubraumstarker Chrysler-V8 und Frankreich vermittelte Couture und Chic. Das Ganze zu Preisen auf Rolls-Royce-Niveau, was für Hollywood-Idole kein Hindernis war. Tony Curtis, Danny Kaye, Dean Martin oder Ava Gardner, die beim Händler Hoffman gleich drei Facel Vega orderte, wurden Werbeträger für die Franzosen.

Facel Vega war jedoch nur eine von über einem Dutzend Marken, die Mega-Händler Max Hoffman in den USA zum Durchbruch brachte. Seine ,,Hoffman Motor Company" hatte schon 1950 den ersten Porsche 356 ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten gebracht. Als Hoffman sogar persönlich auf Porsche 356 bei Wettbewerben startete, dauerte es nicht mehr lange bis beinahe ein Drittel der Porsche-Gesamtproduktion in der Neuen Welt verkauft wurde. Hoffmans Einfluss war es auch, der 1952 den Porsche America Roadster realisierte - als Vorboten des Porsche 356 Speedster. Jenes Erfolgs-Sportwagens, der Mitte der 1950er die ganze amerikanische Westküste euphorisierte und den sich schließlich auch James Dean kaufte. Bis der erst 23-jährige Schauspieler im Herbst 1955 auf den noch schnelleren Porsche 550 Spyder wechselte, tragischerweise sein letztes Auto.

Seinen Einfluss auf Mercedes-Benz machte Max Hoffman erstmals 1954 nachdrücklich geltend. Damals debütierte auf der New Yorker Motor Sports Show das spektakuläre ,,Gullwing"-Coupé 300 SL - und gleich daneben der 190 SL als absoluter Publikumsliebling. Max Hoffman hatte sich von Mercedes eine Serienversion des Flügeltüren-Supercars gewünscht. Dazu einen offenen Tourensportwagen für alle Kunden, denen der 300 SL zu teuer und zu maskulin war. Tatsächlich fand der 190 SL besonders unter Frauen eine große Fangemeinde. Davon kündeten Leinwandstars der frühen Nachkriegsära wie Gina Lollobrigida und Grace Kelly. So markierte der 190 SL den Anfang der komfortbetonten SL-Reihe, während der 300 SL Urvater aller SLR-Racer wurde.

Nicht erfüllt haben sich allerdings Hoffmans Hoffnungen vom Superauto-Duo BMW 503 und BMW 507 mit der einzigen deutschen V8-Maschine. 1.500 Bestellungen pro Jahr erwartete der Händler allein vom Roadster 507. Doch diese Träume platzten wie Seifenblasen. Zu wenig PS-Leistung im Vergleich zu muskulösen amerikanischen V8, befanden Presse und potentielle Kunden schon im Juli 1955 beim Debüt im feinen New Yorker Hotel Waldorf-Astoria. Stattdessen viel zu hohe Preise, ganz besonders in Relation zu den neuen US-Sportlern Chevrolet Corvette und Ford Thunderbird. So wurden vom BMW 507 insgesamt nur 254 Fahrzeuge verkauft und auch auf den BMW 503 reagierten die Kunden zurückhaltend. Trotzdem: Showstars wie Elvis Presley, der 1958 während seiner Dienstzeit im hessischen Bad Nauheim einen weißen BMW 507 kaufte, brachten BMW in Amerika eine Bekanntheit, die künftigen Modellen den Boden bereitete.

Auch für eine heißblütige Italienerin setzte Hoffman die Initialzündung. Das Verkaufsgenie überzeugte Alfa Romeo 1955 von einer Spider-Version seiner schnellen Giulietta, die so manchem Porsche oder Jaguar davon fahren konnte. Erschwingliches italienisches Dolce Vita, das wollten die Amerikaner nun über Jahrzehnte nicht mehr missen, weshalb Dustin Hoffman 1967 eine neue Alfa Spider-Generation im US-Kultfilm ,,The Graduate - Die Reifeprüfung" vorstellen durfte.
Wichtige Modelle:
Alfa Romeo Giulietta Spider (Italien) mit 1,3-Liter-(59 kW/80 PS)-Vierzylinder, Vmax 165 km/h.
BMW 503 Coupé bzw. Cabriolet (Deutschland) mit 3,2-Liter-(103 kW/140 PS)-V8-Motor, Vmax 190 km/h.
BMW 507 Touring Sport (Deutschland) mit 3,2-Liter-(111 kW/150 PS bzw. als US-Version mit höherer Verdichtung 121 kW/165 PS)-V8-Motor, Vmax 190 bis 220 km/h (je nach Hinterachsübersetzung).
Facel Vega FV (Frankreich) mit 5,4-Liter-(184 kW/250 PS bzw. 210 kW/285 PS)-V8-Motor, Vmax 190 bis 205 km/h (je nach Hinterachsübersetzung).
Jaguar XK 140 (Großbritannien) mit 3,4-Liter-(140 kW/190 PS bzw. 154 kW/210 SAE-PS)-Sechszylinder-Benziner, Vmax180-200 km/h (je nach Motor und Hinterachsübersetzung).
Jaguar XK-SS (Großbritannien) mit 3,4-Liter-(184 kW/250 PS)-Sechszylinder-Benziner, Vmax über 240 km/h.
Mercedes-Benz 190 SL (W 121 B II), Deutschland, mit 1,9-Liter-(77 kW/105 PS)-Vierzylinder, Vmax 170-180 km/h.
Mercedes-Benz 300 SL, Deutschland, mit 3,0-Liter-(158 KW/215 PS mit Seriennockenwelle und 176 kW/240 PS mit Sportnockenwelle)-Sechszylinder, Vmax 220-260 km/h.
MGA 1500 (Großbritannien) mit 1,5-Liter-(51 kW/68 PS bzw. 54 kW/72 PS)-Vierzylinder, Vmax 152 bzw.158 km/h.
Nash bzw. Hudson/Austin Metropolitan (USA/Großbritannien) mit 1,2-Liter-(30 kW/41 PS)-Vierzylinder bzw. mit 1,5-Liter-(37 kW/51 PS)-Vierzylinder, Vmax 112 bzw. 115 km/h.
Porsche 356 Speedster (Deutschland) mit 1,5-Liter-(40 kW/51 PS)-Vierzylinder, Vmax 160 km/h.
Porsche 356 A 1500 GS Speedster (Deutschland) mit 1,5-Liter-(74 kW/100 PS)-Vierzylinder, Vmax 200 km/h.
Porsche 550 Spyder 1500 RS (Deutschland) mit 1,5-Liter-(81 kW/110 PS)-Vierzylinder, Vmax bis 220 km/h.
Saab 93 (Schweden) mit 0,75-Liter-(28 kW/38 PS)-Dreizylinder, Vmax 110 km/h.
Saab 93 GT 750 (Schweden) mit 0,75-Liter-(33 kW/45 PS bzw. 37 kW/50 PS)-Dreizylinder, Vmax 120 km/h.
Triumph TR3 (Großbritannien) mit 2,0-Liter-(71 kW/96 PS)-Vierzylinder, Vmax 170 km/h.
Volvo PV 444 Family Sports Car (Schweden) mit 1,4-Liter-(51 kW/70 PS)-Vierzylinder bzw. mit 1,6-Liter-(63 kW/85 PS)-Vierzylinder, Vmax 144 bzw. 153 km/h.
Ausgewählte Produktionszahlen:
Alfa Romeo Giulietta Spider, Produktion 1955-1962: 17.096 Einheiten.
BMW 503 Coupé bzw. Cabriolet, Produktion 1955-1960: 412 Einheiten.
   BMW 507 Touring Sport, Produktion 1955-1960: 254 Einheiten.
   Jaguar XK 140, Produktion 1954-1957: 8.935 Einheiten, vor allem als
   Exportversionen.
Jaguar XK-SS, Produktion 1957: 16 Exemplare.
Nash bzw. Hudson/Austin Metropolitan, Produktion 1953-1954: 13.905 Einheiten; Produktion 1955-1956: 15.164 Einheiten; Gesamtproduktion von 1953-1962: 94.986 Einheiten, davon 83.442 Einheiten für die USA.
Mercedes-Benz 190 SL (W 121 B II), Produktion 1955-1963: 25.881 Einheiten, davon 20.636 Exportmodelle.
Mercedes-Benz 300 SL (W 198) Flügeltürer (1954-1957): 1.400 Einheiten,
davon ca. 1.100 Einheiten in den USA verkauft.
Mercedes-Benz 300 SL (W 198 II) Roadster (1957-1963): 1.858 Einheiten.
MGA 1500/1600/MK II (1955-1962): 101.081 Einheiten, davon 95.212 Export-Einheiten, vor allem für die USA.
Porsche 356 America Roadster: 15 Einheiten.
Porsche 356 Speedster: 4.144 Einheiten.
Saab 93/93 B/93 F (1955-1960): 52.731 Einheiten.
Saab 93 GT 750 (1958-1960): 605 Einheiten, davon 546 Einheiten für die USA.
Triumph TR3 Series 1 (1955-1957): 13.377 Einheiten, davon 12.091 Export-Einheiten, vor allem für die USA.
 
 

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