Neuheit

Motorshow Essen 2015 - Alles, nur nicht normal

  • In AUTO
  • 27. November 2015, 16:35 Uhr
  • Patrick Broich/SP-X

Die 48. Essener Motorshow startet wie jedes Jahr seit 1968 wieder mit einer Fülle an Tuning-Trends und interessanten Sonderschau-Aktionen. Automobile Highlights kommen hier traditionell eher von kleinen Schmieden statt von den großen Autokonzernen. Normal gilt als langweilig, Tuning ist hier Trumpf. Wir haben uns umgesehen.

Das soll es schon gewesen sein? Sidney Hoffmanns Mercedes C 63 AMG S mit etwas Fahrwerk-Optimierung als Tuning-Highlight? Gut, die Basis hat schon 375 kW/510 PS - und ab einer bestimmten Leistung lässt sich die Performance nur noch marginal steigern. Es ist fast ein bisschen traurig dieses Jahr, wer sich in Halle 12 mit großer Erwartungshaltung den beiden Boliden G-Klasse und SLS nähert, muss bei genauem Hinsehen feststellen: Nein, das sind keine Brabus-Gewächse mit hoher Zusatzleistung.

Stattdessen lockt ein optisches Tuning-Kit aus dem Hause Prior Design. Der Grundtenor der Messe wird dieses Jahr von den kleineren Veredlern angestimmt. Es geht darum, den teuren Karossen möglichst bunt und schrill eine individuelle Note zu verpassen. Auch zahlreiche Fahrwerk- und Felgen-Schmieden sind im Boot - allerdings hat die große Uniwheels AG der Messe den Rücken gekehrt. Somit fehlt auch das Traditionslabel ATS. Aber auch ohne diesen Big Player gibt es eine Masse an verzierten Autos, teils mit auffälligen Flipflop-Lacken, anziehenden oder abschreckenden Felgen sowie Spoilerwerken versehen.

Und so manche Skurrilität ist zu beobachten (Halle 12). Dazu gehört auch der Splinter mit Holzchassis. Unter seiner Motorhaube kauert der 4,6 Liter große Northstar-V8 aus dem Hause General Motors. So befeuert ist das Naturmobil mit 600 Pferdchen definitiv am richtigen Platz. Auch die Zagato-Studie - ein zum Shooting Brake umgebauter Aston Martin Virage - hat eher das Zeug zum Design- als zum Tuning-Preisträger.

Eine kleine James Bond-Sonderschau (Halle 10) weiht Tuning-Freunde in die abgehobene Serienautomobilität ein, wenn man einmal von den typischen Bond-Gadgets absieht. Allerdings steht der Lotus Esprit ganz klar im Schatten des inzwischen sündhaft teuren Aston Martin DB5. Apropos sündhaft teuer. Man kann sein Geld auf der Messe an Ort und Stelle ausgeben. Einfach für einen der zahlreichen Oldtimer entscheiden genügt schon. Sie machen längst einen guten Teil der Essener Show aus.

Immer wieder begegnet man auf dem gesamten Areal individualisierten Oldtimern aller Couleur. Ob man fast auf dem Boden schleifende BMW Dreier der E21-Baureihe oder Golf II nun mag oder nicht - es scheint für jede Tuning-Spielart zahlungskräftige Zielgruppen zu geben. Der Fahrwerk-Hersteller H&R zeigt auf der Seite der modernen Autos, wie weit - nein, wie tief man gehen kann und demonstriert an den Beispielen Audi A4 Avant und TT, dass die Räder ruhig auch mal ein bisschen in die Radhäuser eintauchen dürfen.

Alte Autos individualisieren ist auch ein Hersteller-Thema. Originalitätsfans sollten den Gang in die Mercedes-Fanworld (Halle 3) aber tunlichst meiden, sofern sie keinen Kulturschock erleben möchten. AMG hat einen 300 SL Flügeltürer mit neuzeitlicher Technik versehen und ihm einen aktuellen Farbton verpasst.
Auch andere Serienhersteller tummeln sich in Essen. Da können die Besucher - ebenfalls in Halle 3 - ganz gewöhnliche Karossen bestaunen, die es teils aber bereits auf den Straßen zu sehen gibt und die längst auf anderen Messen standen. Dabei handelt es sich um Autos à la Skoda Superb Combi, der mit Tuning eigentlich nichts zu tun hat. Immerhin leistet die Spitzenversion 206 kW/280 PS. Ein Kaliber wie der Peugeot 308 GTI kann mit 200 kW/272 PS, aber einem deutlich besseren Leistungsgewicht aufwarten und ist in Essen schon eher zu Hause. Für den kommenden Focus RS mit seinem 2,3 Liter großen Turbo (257 kW/350 PS) gilt das natürlich in besonderem Maße. Hier dürften selbst hartgesottene Tuning-Jünger ein Auge zudrücken und dem originalen Auto etwas abgewinnen.

Die Halle 3 steht außerdem im Zeichen aktueller und künftiger Automobilität - Italdesign präsentiert ein mächtiges Vehikel mit vis-à-vis-Sitzanordnung, das übrigens autonom unterwegs und ein Graus für Motorsportaffine ist.

Dann zum Abschluss schnell in Halle 7. Dort findet man die Motorsport-Arena, in der sich Racer wohlfühlen werden. Die Luft hier ist mit Benzingeruch vermischt, der Motorensound unterbindet jegliche Unterhaltungen. Ein aufgemotztes BMW Dreier-Coupé der E36-Reihe tänzelt mit dem Heck durch die per Reifenstapel definierten Kehren, es quietscht und röhrt ununterbrochen. An den Absperrungen tummeln sich Besucher mit glücklichen Gesichtern. Am Ende lohnen sich 16 Euro Eintritt, um die Produkte von 500 Ausstellern und ein bisschen Aktion am Rande erleben zu dürfen.

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