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Panorama: Top Mountain Motorcycle Museum - Die hohe Kunst der Zweirad-Präsentation

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  • 29. April 2016, 10:21 Uhr
  • Fred Reisbacher/SP-X

An der Timmelsjochstraße im hintersten Tiroler Ötztal öffnet Mitte Mai das höchstgelegene Motorradmuseum Europas. Im Lauf der folgenden Jahre soll das ,,Top Mountain Motorcycle Museum' dann für einen zweiten Superlativ gut werden.

Noch ist ein paar hundert Meter jenseits des Abzweigs der Hochgurgler Straße von der Ötztaler Straße die Welt zu Ende: Die Weiterfahrt zur Timmelsjoch-Passhöhe und auf Südtiroler Seite hinunter ins Passeiertal ist wegen der Wintersperre momentan noch nicht möglich. Ab voraussichtlich Mitte Mai sollte die auf 2.509 Meter gelegene Passhöhe, zugleich Staatsgrenze zwischen Österreich und Italien, wieder erreichbar sein, sofern nicht weitere heftige Schneefälle die Straßenöffnung verzögern.

Vor der Fahrt heißt es aber zahlen, denn das Asphaltband ist auf Nordtiroler Seite eine Privatstraße: 16 Euro kostet Autolenker die einfache Fahrt, 14 Euro sind für Zweiräder fällig; darin ist die Mautgebühr für den Südtiroler Abschnitt des Passo Rombo enthalten. Ab diesem Jahr dürfte die Fahrt übers Timmelsjoch für Motorrad-Begeisterte noch ein wenig teurer werden: Zusammen mit der Straße öffnet erstmals das ,,Top Mountain Motorcycle Museum" seine Tore; es befindet sich praktischerweise direkt an der Mautstation. Die 10 Euro Eintritt lohnen freilich mindestens ebenso sehr wie die Mautgebühr, denn der Stopp überwältigt Besucher sowohl wegen der äußeren Form des Gebäudes wie auch wegen dessen innerer Werte.

,,Top Mountain Crosspoint" lautet der Name des neuen Bauwerkes im besten neotiroler Slang. Es handelt sich um ein mit 38.000 Kubikmetern umbauten Raum für die Höhenlage extrem großes Gebäude, das sich jedoch aufgrund seiner geduckten Architektur ohne jeden rechten Winkel förmlich in die hochalpine Landschaft schmiegt. Entworfen hat dieses architektonische Juwel der erst 33jährige Michael Brötz aus Hall in Tirol, nahe Innsbruck. Der Architekt nennt die Basisdaten: ,,6.060 Quadratmeter Nutzfläche, davon 2.600 Quadratmeter für das Motorradmuseum. Zusätzlich Seilbahnstation, Mautstelle und ein Restaurant mit 280 Innensitzplätzen und 380 Terrassensitzplätzen." Die Bauzeit betrug bescheidene acht Monate, die Baukosten lagen - ohne die sieben Millionen Euro teure Seilbahntechnik - bei weniger bescheidenen 16 Millionen Euro.

Hat man diese Datenflut erst einmal verdaut und begibt sich in das wunderbar geschwungene Holzgebäude, dürften sich vieler Besucher Augen noch ein wenig mehr weiten: Dem Architekten ist mit dem Vierfunktionen-Bauwerk ein beeindruckendes Werk gelungen. Gleich hinterm Seilbahn-Eingang zweigt links der Weg zum Museumstrakt ab; am Drehkreuz geradeaus weiter geht's in den Bereich der wechselnden Sonderschauen - zu Anfang sind dort gut 20 Gespanne und Roller zu sehen -, rechts gelangen die Besucher in die eigentliche Museumslandschaft. Der Raum kommt ohne wahrnehmbaren 90°-Winkel aus und wird deshalb schon für sich als sehr spannend empfunden. Noch mehr Spannung kommt freilich auf, wenn der Blick durch diese riesige Anlage schweift und auf die derzeit etwa 140 im Hauptraum ausgestellten Motorräder fällt. Dazu kommen einige Autos, zumeist aus dem Familienbesitz der Museumseigner. Weitere Bikes finden sich im Restaurant, wo sie teils an den Wänden befestigt sind, und sogar im Bergbahn-Einsteigebereich.

Wer lässt sich seine Zweirad-Sammelleidenschaft viele Millionen Euro kosten? Hinter dem ,,Top Mountain Motorcycle Museum" stehen die Zwillingsbrüder Alban und Attila Scheiber (49). Ihr Vater war Profi-Rennfahrer auf vier Rädern und Tourismuspionier im hinteren Ötztal. Von ihm, Alban Scheiber senior, haben die Burschen jede Menge ,,Benzin im Blut" geerbt und auch die Fähigkeit, als Unternehmer Verantwortung zu übernehmen. Die Scheibers, von einer deutschen Zeitschrift einst als ,,Schneekönige des Ötztals" bezeichnet, betreiben Seilbahnen, führen Sportgeschäfte und Hotels, sind Berg- und Skiführer mit eigenen Unternehmungen - und dazu auch noch Mehrheitsgesellschafter der Timmelsjoch Hochalpenstraßen AG. Die Mautstraße gehört ihnen also ebenfalls, wenn auch nicht alleine.

,,Mit sechs Jahren haben wir vom Vater das erste Moped bekommen, mit acht das zweite", erzählt Attila Scheiber. Bis zum Erwerb des Autoführerscheins waren dann bereits sieben oder acht Zweiräder verschlissen. ,,Während wir früher richtig schnell gefahren sind, kann man uns heute als echte Genussfahrer bezeichnen", beschreibt Alban junior den mittlerweile eingetretenen Sinneswandel. Vom Verbrennungsmotor abgewendet haben sie sich freilich nicht - ganz im Gegenteil: Seit längerem schon sammeln sie Motorräder. Inzwischen haben es Alban und Attila auf rund 170 Stück gebracht.

,,Es ist uns ganz wichtig, dass sich die Motorräder im Originalzustand befinden, auch wenn dieser optisch schlecht ist", sagt Attila. Herausragende Stücke sind unter diesem Gesichtspunkt die deutsche Megola von 1921 mit Fünfzylinder-Sternmotor im Vorderrad, das Peugeot-Rennmotorrad Model D von 1904 hat sogar mal eine Prämierung als ,,most original bike" auf einer belgischen Ausstellung davongetragen, bevor es nach vierjährigen Bemühungen in die Scheiber-Hände kam. Es ist das älteste ausgestellte Fahrzeug. Nur ein Jahr jünger ist die ebenfalls im - sehr bescheidenen - Originalzustand erhaltene Laurin & Klement aus der Tschechoslowakei; die Firma war Vorläufer der Skoda-Automobilwerke.

Der Schwerpunkt ihrer in vielen Ländern der Erde zusammengetragenen Sammlung liegt derzeit auf den Marken Indian (USA), Brough Superior (Großbritannien), Moto Guzzi und Ducati (beide Italien), Puch (Österreich) sowie Harley-Davidson und Henderson (beide USA); auch die bayerischen Boxer spielen im 100. Jahr der BMW AG eine beträchtliche Rolle. Bei den Autos ragen insbesondere ein Ferrari 275 GTB, ein Aston Martin DB5 und ein Porsche 959 heraus. ,,Den hat unser Vater seinerzeit neu bei Porsche abgeholt", erinnern sich die Scheiber-Zwillinge. Dem Vater zu Ehren, dem sie so viel zu verdanken haben, kauften sie auch dessen Lotus-Rennwagen zurück, den sie im Zuge ihrer Motorrad-Einkaufsreisen in den USA begegnet sind.

,,Mit dem B 23 hat der Vater 1964 Weltmeisterschaftsläufe bestritten", wissen die Söhne. Klar, dass neben vielen anderen Devotionalien - Schilder, historische Zapfsäulen, alte Räder und manches mehr - auch die Pokale der väterlichen Rennleidenschaft ihren Platz im höchstgelegenen Motorradmuseum Europas gefunden haben. Es soll nach den Worten von Alban und Attila Scheiber in spätestens zehn Jahren mit einem weiteren Superlativ aufwarten: ,,Dann wollen wir es zum qualitativ besten Motorradmuseum Europas weiterentwickelt haben, also mehr Klasse und weniger Masse."

Information: Top Mountain Motorcycle Museum, Hochgurgl/Ötztal. Geöffnet ab Straßenöffnung der Timmelsjoch-Hochalpenstraße (voraussichtlich Mitte bis Ende Mai) täglich 9 bis 19 Uhr; im Winter 9 bis 18 Uhr, Eintritt 10 Euro. www.crosspoint.tirol

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