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Sonst noch was? - Definiere Chuzpe

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  • 29. April 2016, 15:36 Uhr
  • Peter Eck/SP-X

Frechheit siegt, sagt der Volksmund. Und er hat - wie meistens - Recht, wie sich diese Woche wieder mal bewies. Ansonsten gilt: Chinesisch lernen und Vorsicht in Parkhäusern.

Schlagen wir doch mal kurz bei Wikipedia nach: Als ,,Chuzpe" wird dort eine Mischung aus ,,zielgerichteter, intelligenter Unverschämtheit, charmanter Penetranz und unwiderstehlicher Dreistigkeit" bezeichnet. Hm, woran nur erinnert uns das? An die Transferverhandlungen eines mittelbegabten Fußballers bzw. dessen nicht minder mittelbegabten Beraters? An die Art und Weise, wie unser Verkehrsminister uns noch immer seine Pkw-Maut verkauft? Ja und ja. Wie man aber wirklich Chuzpe beweist, dass haben uns in dieser Woche die wahren Profis gezeigt, jene der Automobilindustrie.
 
Geht da jemand in Sack und Asche, weil man je nach Hersteller, Modell und eingesetzter Technik von Betrug (Software) bis Schummelei (Thermofenster) so ziemlich alles in und außerhalb gesetzlicher Grenzen ausgereizt hat? Aber nicht doch. Stattdessen verhandelt die Branche mit der Politik und die weiß, was sie zu tun hat: Steuergeld lockermachen für Autos, die sich sonst offensichtlich nicht verkaufen lassen. Und als Deckmantel beteiligt sich ,,die Industrie" natürlich am Deal. Und wie wir uns rabattgeile Deutsche kennen, werden jetzt tatsächlich ein paar mehr Autofahrer 4.000 Euro Prämie nicht widerstehen können und gnadenlos auf dem Elektroauto-Markt zuschlagen. Wobei, mal anders gerechnet: Ein gut ausgestatteter E-Golf kommt mit ein paar Extras sagen wir auf 40.000 Euro. Glauben unsere Politiker und jene Autofahrer tatsächlich, man kann beim VW-Händler keine 10 Prozent Rabatt rausschlagen? So ganz alleine und ohne staatliche Unterstützung? Offensichtlich nicht.
 
Hoher Grundpreis, geringe Reichweite und eine praktisch nicht vorhandene Lade-Infrastruktur. Alles kein Problem mehr. Es geht schließlich darum, in den nächsten vier Jahren noch knapp eine Million E-Autos auf die Straße zu bringen. Das hat die Politik versprochen. Und die Politik hält immer ihre Versprechen. Dieses Dilemma erkannt und genutzt zu haben, kann man der Autoindustrie kaum wirklich vorwerfen, höchstens mangelnden Stil. Aber Chuzpe, die hat man.
 
Und hier noch unsere Lieblingsdefinition dieses schönen jiddischen Begriffs: Wenn ein Mann Vater und Mutter erschlägt und dann um mildernde Umstände bittet, weil er ja schließlich Vollwaise sei. Wer in unserer Geschichte die Elternrolle spielt, wer die des Mörders und wer die des Richters - das soll hier man ungeklärt bleiben. Auf jeden Fall könnte sich die Politik mal wieder als eine in Verhandlungen mit der Wirtschaft zu kleine Nummer erwiesen haben.
 
Klein ist übrigens kein Kriterium in China. Dort ist alles groß bis auf die Nasen. Denn ,,Langnasen" sind dort nur wir. Und was man so von uns hält wurde diese Woche mal wieder auf der ja ach so wichtigen Peking Motor Show deutlich: Inkompetentes, nicht englisch sprechendes Personal auf den Ständen, Informationen nur in chinesischer Sprache. Ja, so erobert man die Welt. Jeder fünfte Mensch ist ja sowieso schon Chinese, der Rest soll es gefälligst werden oder mindestens mal die Sprache lernen.
 
Noch nicht einmal unsere jährliche Aufregung über China-Plagiate lässt man uns noch. Wie uns berichtet wurde, kommen die kaum noch vor. Sind wir selbst dafür nicht mehr gut genug? Schade. Schließlich wusste schon Theodor Fontane: ,,Über Plagiate sollte man sich nicht ärgern, sie sind wahrscheinlich die aufrichtigsten aller Komplimente." Also wäre im Umkehrschluss nun das Fehlen der Plagiate eigentlich ein Grund, sich zu ärgern.
 
Apropos fehlen: In einem aktuellen Test hat der ADAC 44 Parkhäuser unter die Lupe genommen. Mit sehr durchwachsenem Ergebnis übrigens. Noch interessanter als die Liste der besten und weniger guten Parkhäuser ist allerdings eine andere Zahl: Laut dem Automobilclub sollten noch um die 50 Parkhäuser mehr getestet werden. Aber deren Betreiber hätten die Prüfung unter Androhung einer Klage wegen Hausfriedensbruch abgelehnt. Wie heißt es so schön:Nichts fällt so sehr auf, wie das, was man verbergen will.Sonst noch was? Nächste Woche wieder.
 

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