Oldtimer

Panorama: US-Urlaub im deutschen Oldtimer - Amerika auf eigener Achse

  • In OLDTIMER
  • 20. Mai 2016, 14:15 Uhr
  • Benjamin Bessinger/SP-X

Mietwagen sind doch nur was für Pauschal-Touristen. Wer wirklich Spaß hat am Autofahrern, der nimmt im Urlaub am besten seinen eigenen Oldtimer - selbst wenn es nach Amerika geht. Und spart mitunter auch noch Geld dabei.

Der junge Mann, nennen wir ihn mal Hans-Jürgen, mag seinen Mini nicht missen. Zwar hat er als Alltags-Auto noch was Modernes. Doch wann immer der Weg das Ziel ist und die Fahrt nur den Spaß zum Zweck hat, holt er seinen Klassiker aus der Garage. Deshalb hat es in den letzten zehn Jahren auch noch keinen Urlaub gegeben, den Hans-Jürgen nicht mit seinem kleinen Cabrio bestritten hätte. Erst als ihn im letzten Jahr das Fernweh packt und er ein Ticket nach Amerika bucht, kommt er ein bisschen ins Grübeln. Denn so klein und handlich der Classic Mini auch sein mag, ist er für das Flugzeug dann eben doch ein bisschen zu groß. Aber weil Mietwagen in Hans-Jürgens Augen nur was für Pauschaltouristen sind, der Urlaub ohne das eigene Auto nur halb so viel Spaß macht und er seit Jahren davon träumt, einmal den Highway Number One unter die eigenem Räder zu nehmen, hat er seinen Mini trotzdem mitgenommen und den Oldtimer kurzerhand mit dem Schiff voraus geschickt.
 
Damit liegt der Münchner durchaus im Trend. Denn es gibt immer mehr Europäer, die ihr eigenes Auto mit in den Urlaub bringen, sagt Chip Raut. Er ist Zollagent in Port Huneme in Kalifornien, hat sich auf die Einfuhr von Touristen-Fahrzeugen spezialisiert und gemessen an den vielen Autos auf seinem Parkplatz mittlerweile offenbar gut zu tun.
 
In der Regel führen die Kunden ähnlich emotionale Gründe an wie Hans-Jürgen, erzählt Chip. Sie lieben ihr Auto, sie lieben das Fahren und sie wollen die amerikanischen Traumstraßen nicht in irgend einem x-beliebigen Mietwagen herunter reißen" fasst der Zollagent die Gespräche mit seinen Auftraggebern zusammen. ,,Es macht schließlich einen Unterschied, ob man die Route 66 in einem alten Ford Mustang oder einem neuen Chevrolet Malibu abfährt oder an der kalifornische Küste mit einem langweiligen Van oder einem leidenschaftlichen Sportwagen cruist." Und für viele Wohnmobilfahrer kommt ein Miet-Mobil ohnehin nicht in Frage. ,,Die schlafen auch in der Fremde am liebsten im eigenen Bett", sagt Chip mit einem Lachen auf den Lippen.
 
Unter die vielen Cabrios, die klassischen Musclecars, Reisemobile und vor allem die offenen Sportwagen aus Europa mischen sich aber auch zahlreiche Geländewagen mit mehr oder minder professioneller Expeditionsausstattung, hat Chip beobachtet. Denn neben den klassischen Amerika-Urlaubern bedient er viele Abenteurer, die ihre Fahrt über die legendäre Panamericana nach Feuerland mit einem Urlaub in Kalifornien beginnen. ,,Und auf 25 000 Kilometern vom Ushuaia im Süden nach Alaska im Norden verlässt sich niemand gerne auf einen unbekannten Mietwagen", sagt Chip. ,,Für solche Tortouren nimmt man ein Auto, von dem man weiß, was man an ihm hat."
 
Egal ob Sommerferien oder Südamerika-Expedition - der vorübergehende Export des eigenen Autos ist leichter, als man gemeinhin denkt: ,,Man darf das Auto ohne großen Papierkrieg für ein Jahr mit in die USA nehmen", sagt Hans-Georg Marmitt von der Sachverständigenvereinigung Kues in Losheim am See. Allerdings muss man sich an ein paar Rahmenbedingungen halten, schränkt der Experte ein: Der Zweck muss die Beförderung, also persönliche Nutzung von A nach B sein. Das Auto muss dem Fahrer gehören und er muss auch mit ins Land kommen. ,,Stimmen diese Vorgaben, dann ist die Einfuhr zollfrei", sagt Marmitt.
 
Vorher sollte man sich jedoch bei einem spezialisierten Versicherer um eine entsprechende Police für die Fernreise kümmern und bei der heimischen Zulassungsstelle einen internationalen Fahrzeugschein besorgen, rät der Kues-Mann. ,,Das macht vieles einfacher."
 
Wenn man das Auto nach Bremen oder Rotterdam zum Schiff bringt, gibt es ein paar weitere Details zu beachten, sagt Tanja Breslin, die als Zollagentin in Long Beach arbeitet: ,,Während des Transports sollte man unbedingt die europäischen Nummernschilder abbauen. Weil die sehr begehrt sind bei Sammlern, könnten die sonst auf der Überfahrt verloren gehen. Und ohne ein gültiges Kennzeichen darf man auch in den USA nicht fahren.
 
Am Ende des Urlaubs sollte man nicht im Traum daran denken, sich das Geld für den Rücktransport zu sparen und das Auto am Zielort einfach weiter zu verkaufen, mahnt Breslin: ,,Mogeln gilt nicht", sagt die Zollagentin. Wer sein Auto nicht innerhalb des Jahres aus den USA exportiert, der muss mit heftigen Strafen bis zur Beschlagnahmung und Verschrottung des Fahrzeuges rechnen. Wer ihr nicht glaubt, dem schickt sie ein paar Youtube-Links. Dort haben die US-Behörden zur Abschreckung Videos eingestellt, auf denen europäische Oldtimer nach dem illegalen Import gnadenlos gecrasht werden.
 
Aber es gibt nicht nur sentimentale Gründe dafür, seinem Auto mal einen Amerika-Urlaub zu spendieren. Jje nach Route und Reisezeit kann das sogar eine Frage des Geldes sein. Denn viele Autovermieter verlangen für die klassischen Touristenstrecken wie die Route 66, den Pacific Coast Highway oder gar die Fahrt von der Ost- an die Westküste horrende Einweg-Tarife und lassen sich den Rücktransport des Wagens so teuer bezahlen, dass man trotz der Transportkosten im eigenen Auto mitunter sogar billiger fährt. Für die 2.500 Euro jedenfalls, die Hans-Jürgen für die zwei Atlantik-Überfahrten seines Minis bezahlt hat, hätte er nie einen Leihwagen für einen Coast-To-Coast-Trip oder für eine Tour entlang der Atlantik-Küste bekommen. Erst recht kein Cabrio mit so viel Charme und Historie.
 
Aber nicht nur, weil er am Ende sogar ein bisschen was gespart hat, war die große Tour mit dem kleinen Auto für Hans-Jürgen ein Once-In-A-Lifetime-Erlebnis. Denn so verloren er sich mit seinem Winzling in den Wüsten von Arizona oder Nevada gefühlt hat, so hip war sein Mini in Hollywood. Auf dem Walk of Fame war der kleine Unbekannte der große Star, den legendären Mulholland-Drive in den Hollywood-Hills hat er noch nie so kurvig erlebt und die Mega-Metropole Los Angeles wirkt gleich nochmal eine Nummer größer, wenn man sie vom Steuer eines so kleinen Autos aus erkunden.
 
Nur ein Wehrmutstropfen hatte der Ausflug nach Amerika für die Hans-Jürgen und seinen Mini dann doch: Während er nach 14 Stunden aus dem Flieger steigen konnte, kam der Mini erst nach 36 Tagen vom Schiff und Hans-Jürgen musste so lange sein langweiliges Alltagsauto fahren.

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