Tradition 40 Jahre BMW 6er Coupé (E 24)

Tradition 40 Jahre BMW 6er Coupé (E 24) - Bracqs Bayern-Bomber

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  • 23. Mai 2016, 15:23 Uhr
  • Wolfram Nickel/SP-X

Dieses von Paul Bracq zeitlos schön gezeichnete Coupé wurde länger gebaut als jeder andere BMW. Ein Erfolg, den der 6er seiner bella figura verdankt - und der Durchsetzungsfähigkeit auf Rennstrecken wie Überholspuren. Machte doch Motorsporttechnik aus dem Zweitürer Deutschlands schnellsten Viersitzer.

In seiner Schlagkraft wurde der BMW 6er von Fachleuten gerne mit dem Rekord-Fußballtorjäger Gerd Müller verglichen, dem damaligen ,,Bomber der Nation". Schließlich ließ das 1976 vorgestellte bayerische Sportcoupé die meisten Gegner geradezu behäbig wirken, zuerst in den Verkaufscharts, dann in den Fahrleistungen.

Seine außergewöhnliche Agilität verdankte der teuerste viersitzige BMW nachgerüsteter, reinrassiger Rennsporttechnik aus dem BMW M1. Mit dessen 3,5-Liter-Sechszylinder war der für seine vollendeten Formen gelobte Gran Turismo auf dem Höhepunkt seiner Karriere über 255 km/h schnell. Genug Vmax für den 210 kW/286 PS starken M 635 CSi, um auch Zwölfzylindern wie Ferrari 400i und Jaguar XJS die Endrohre zu zeigen. Tatsächlich waren die teuren Topversionen des 6ers auch in den Verkaufszahlen weit populärer als die 2,8- und 3,0-Liter-Typen. Insgesamt produzierte BMW von der Baureihe E 24 mehr als 86.000 Einheiten und das über den sensationell langen Zeitraum von 13 Jahren, erst dann wurde der 850i als neuer elitärer Zweitürer eingeführt.
 
War es BMW nach 1966 gelungen, mit den glamourös gezeichneten Hardtop-Coupés der Typen 2000 C bis 3.0 CSL ins Segment der automobilen High Society zurückzukehren, sollten die neuen 6er diese Position ausbauen. Die technische Basis lieferte die 1972 eingeführte 5er Limousine, denn wie diese setzte das 6er Coupé mehr als bisher auf Komfort und Sicherheit - ohne jedoch auf sportives Temperament zu verzichten. Schließlich wollte die auf Nischen ausgerichtete blau-weiße Marke jene Kunden erreichen, denen ein Mercedes SLC bzw. später SEC zu betulich war, ein Porsche 911 aber zu sportlich. Eine Mission, die sich im Design des 6ers spiegelte, das einerseits Elemente der Supercarstudie BMW turbo von 1972 zitierte wie die Motorhaube mit Hutze, die vorn in der markentypischen Niere ausläuft. Andererseits entspricht etwa die seitliche Fensterlinie der Formensprache der BMW 5er und 3er. Entwickelt hatte diese Linien
das interne Stylingteam um Paul Bracq, der sich damit gegen ein vielleicht aufregenderes, aber weniger zeitloses Konzept von Giorgetto Giugiaro durchsetzte.
 
Der Aspekt Komfort findet sich auch im 2,63 Meter messenden Radstand des Gran Turismo und den 4,76 Meter langen Außenabmessungen, die das Format der Flaggschifflimousinen 2500 bis 3.3 erreichten. Für Sicherheit stand der Verzicht auf ein Hardtop-Konzept mit rahmenlos und voll versenkbaren Fenstern, allerdings suggerierte eine mattschwarz lackierte B-Säule den Hardtop-Gedanken. Gebaut wurde der BMW 6er anfänglich komplett beim renommierten Karossier Karmann in Osnabrück, dies um lange Lieferzeiten zu vermeiden. Insgesamt der richtige Mix für eine internationale Erfolgsstory des Luxussportlers, der BMW auch in Amerika endgültig als Prestigemarke etablieren sollte.
 
Woran es zunächst jedoch haperte, waren Motoren mit der Power, die BMW-Piloten benötigten, um sich als ,,King of the Road" zu fühlen. Ganz besonders galt dies für die Katalysator-geschwächten US-Versionen des 6ers. Entsprechend groß war der Jubel in der Presse, als BMW 1978 die Vergaserversion 630 CS und den Einspritzer 633 CSi um den 635 CSi ergänzte. Ein 3,5-Liter-Motor, der bis dahin nur im Motorsport eingesetzt wurde und dort mit Vierventil-Technik und Turbo bis zu 800 PS freisetzte. Davon blieben beim Serienaggregat zwar nur 160 kW/218 PS, diese reichten aber bereits für 225 km/h Höchstgeschwindigkeit und den Titel ,,Deutschlands schnellstes viersitziges Coupé". Schlagzeilen wie ,,Eine echte Bombe" förderten den Nimbus des wahlweise mit sportlich oder komfortabel abgestimmtem Fünfgang-Getriebe ausgelieferten 635 CSi. Für einen reduzierten Auftrieb und gleichzeitig freie Bahn sorgte die tiefer heruntergezogene Bugschürze, die sich raubtierähnlich und aggressiv in die Rückspiegel von Linksfahrern fraß.
 
Noch hungriger auf Vmax-Triumphe waren die Rennversionen des 6ers. So gewann Dieter Quester 1983 auf einem 635 CSi die Tourenwagen-Europameisterschaft, übertroffen nur durch gleich drei Siege beim 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps in den Jahren 1983,1985 und 1986. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Münchner für speedsüchtige Alltagsfahrer bereits den M 635 CSi im Programm, der sich in den USA und in Japan sogar als M6 vorstellte. In 6,4 Sekunden katapultierte das 286-PS-Kraftwerk den Viersitzer aus dem Stand auf Tempo 100, rasanter etwa als ein Lamborghini Jalpa, dem es auch an der großzügig dimensionierten Vierkolben-Festsattelbremsanlage des BMW für kurze Bremswege fehlte.
 
Konsequente technische Evolution hielt den 6er jung, vielleicht orientierten sich die Bayern dabei an ihren Stuttgarter Kollegen, die ihrem Langzeitauto Mercedes SL (R 107) damals ebenfalls alle Neuerungen spendierten. So gab es den 6er noch im vorletzten Modelljahr optional mit dem ersten von BMW entwickelten elektronisch geregelten Fahrwerk.
 
Allein auf eine werksseitige Frischluft-Version des 6ers verzichtete BMW und überließ dieses Feld verschiedenen unabhängigen Cabriospezialisten aus Europa und den USA. Der weltweit bekannteste Cabrioumbau besetzte 1989 eine automobile Hauptrolle im Leinwandepos ,,Zurück in die Zukunft 2" als Fahrzeug von Griff Tannen, Gegenspieler des Helden Marty McFly, der mit einem DeLorean zeitreiste. Zwar wurden Cabriolet-Prototypen auch bei BMW getestet - ein solches Fahrzeug war sogar auf der diesjährigen Techno Classica Essen zu sehen - aber die Stabilität der aufgeschnittenen, wenn auch verstärkten offenen Viersitzern genügte nicht BMW-Ansprüchen. Traditionell keine Rolle spielt Alltagstauglichkeit dafür bei den legendären BMW Art Cars. 1986 verwandelte etwa der amerikanische Wegbereiter der Pop Art, Robert Rauschenberg, einen 635 CSi in ein rollendes Museum. Schmückte er das Coupé doch mit Fotoelementen verschiedener Kunstobjekte.
 
Einzelstücke oder Kleinserien blieben zudem die von Tunern umgebauten BMW Coupés, etwa von Koenig-Specials, Gemballa, Zender und Kamei. Schnitzer und Hartge legten leistungsgesteigerte Versionen auf mit bis zu 180 kW/245 PS bzw. 244 kW/330 PS und Alpina präsentierte das B7 Turbo Coupé mit 243 kW/300 PS für eine Vmax von 260 km/h. Mit Preisen ab 80.000 Mark kostete der Alpina B7 überdies 12.000 Mark weniger als der BMW M 635 CSi. Mit dieser M-Version mit neuartiger digitaler Motorelektronik überflügelten die Münchner bei Einführung preislich erstmals sogar die teuersten Mercedes-Modelle, was von frischem Selbstbewusstsein kündete.
 
BMW war mit dem 6er Coupé unter die globalen Premiumplayer zurückgekehrt. Dennoch wuchsen die Bäume auch für die Bayern nicht in den Himmel, wie das 1989 vorgestellte Sportcoupé 850i zeigte. Dieser V12 bot Power und Prestige, stürzte aber in den Verkaufszahlen rasch ab. Auch der 2003 eingeführte zweite Sechser konnte nicht mit der Langzeit-Aktualität seines Ahnherren gleichziehen.

Daten BMW 6er Coupés:
Länge: 4,76 Meter, Breite: 1,73 Meter, Höhe: 1,37 (M 635 CSi: 1,35) Meter, Radstand: 2,63 Meter
BMW 630 CS (1976-1979) mit 3,0-Liter-Sechszylinder-Benziner (136 kW/185 PS), Vmax 210 km/h;
BMW 633 CSi (1976-1982) mit 3,2-Liter-Sechszylinder-Benziner (145 kW/197 PS), Vmax 215 km/h;
BMW 635 CSi (1978-1987) mit 3,4- bzw. 3,5-Liter-Sechszylinder-Benziner (160 kW/218 PS), Vmax 225 km/h;
BMW 628 CSi (1979-1987) mit 2,8-Liter-Sechszylinder-Benziner (135 kW/184 PS), Vmax 210 km/h;
BMW 635 CSi KAT (1987-1989) mit 3,4-Liter-Sechszylinder-Benziner (155 kW/211 PS), Vmax 225 km/h;
BMW M 635 CSi (1984-1989) mit 3,5-Liter-Sechszylinder-Benziner (210 kW/286 PS), Vmax 255 km/h.

Modellhistorie BMW 6er Coupé:
 
Chronik:
1975: Zum Jahresende geht die Vorgängerbaureihe E 9 (2.5 CS bis 3.0 CSL) aus der Produktion. Im Oktober laufen bereits die ersten Vorserienfahrzeuge des 6ers vom Band
1976: Weltpremiere feiert der BMW 6er auf dem Genfer Salon, der Serienstart als 630 CS und 633 CSi erfolgt bei Karmann in Osnabrück. Dort werden die Karosserien gefertigt, außerdem wird hier bis Ende 1977 die Endmontage erledigt. Der 6er übernimmt technische Komponenten des 1972er eingeführten 5ers und präsentiert vorab Techniken aus dem für 1977 vorbereiteten ersten 7er
1977: Die Endmontage des 6ers wird nach Dingolfing verlagert, dorthin liefert Karmann die Rohkarossen
1978: Serienstart für US- und Japanversionen des 633 CSi. Einführung des neuen Spitzenmodells 635 CSi, auch als Rechtslenker. Optisch erkennbar ist der lesitungsstärkste 6er an seitlichen Zierstreifen und markanten Front- und Heckspoilern      
1979: Produktionsanlauf 628 CSi. Der 630 CS wird dadurch ersetzt und zugleich die Ära der Vergasermotoren in der BMW-Oberklasse beendet
1980: 628 CSi jetzt auch als Rechtslenker lieferbar
1982: Im Mai große Modellpflege. Steifere und zugleich leichtgewichtigere Karosserie. 635 CSi serienmäßig mit ABS, in anderen Typen optional, Bordcomputer und Service-Intervallanzeige in einer überarbeiteten Armaturentafel. Zum Modelljahr 1983 verschwindet der 633 CSI aus der deutschen Preisliste, wird aber auf Exportmärkten weiterhin angeboten. Der Karossier Tropic päsentiert den Prototypen eines 6er Cabriolets auf dem Genfer Salon
1983: Dieter Quester gewinnt auf BMW 635 CSi die Tourenwagen-Europameisterschaft. Auf der IAA feiert der M 635 CSi Weltpremiere mit dem 24-Ventil-Motor des früheren BMW M1. Hammond & Thiede, britischer Karossier, baut einen 82er 628 CSi zum Cabrio um, zu einer Serienfertigung kommt es nicht. Auch die Stuttgarter Firma Hy-Tech bietet ein Cabrio an, ebenso die belgische Firma Ernst-Berg-Systems (EBS). Cabrio-Protypen entstehen außerdem bei den US-Cabriospezialisten von ASC und von Coach Builders. In kleine Serie gehen Cabrioumbauten des niederländischen Karossiers Oldenhof, des deutschen Unternehmens ABC und von einer Kooperation aus Crayford und Emil Frey      
1984: Fertigungsanlauf der US- und Japanversionen des 635 CSi. Markteinführung des neuen Spitzenmodells M 635 CSi, entwickelt von der BMW Motorsport GmbH, gebaut bei BMW. Auch der Entwicklungsstart des nachfolgenden Coupés 840i/850i der Baureihe E 31 erfolgt in diesem Jahr  
1985: Der 635 CSi wird mit geregeltem Drei-Wege-Katalysator verfügbar. Erste Viergang-Automatik mit wählbarem Schaltprogramm wird eingeführt
1986: Mit dem Art Car BMW 635 CSi realisiert Robert Rauschenberg seinen Traum eines fahrbaren Museums. Bei diesem Art Car ist die Karosserie von fotografischen Darstellungen geprägt. Schon 1982 gestaltete Ernst Fuchs einen 635 CSi als Art Car
1987: Im Mai zweite Modellpflege für die im Programm verbleibenden Typen 635 CSi und M 635 CSi, optisch erkennbar an neuen, voluminöseren Stoßfängern. Katalysator jetzt Serie, optional aber abwählbar
1988: Zum Modelljahr 1988 gibt es optional ein elektronisch geregeltes Fahrwerk
1989: Letztes Produktionsjahr für den 6er. Am 14. April setzt ein 635 CSi in Lachssilber den Schlusspunkt in der Produktionsstatistik als Nummer 86.216. Im Film ,,Zurück in die Zukunft 2" spielt ein BMW 633 CSi Convertible eine automobile Hauptrolle. Auf der IAA debütiert der BMW 850i, der fortan die Rolle des größten BMW Coupés übernimmt
2003: Die zweite BMW 6er Generation (E 63) wird eingeführt und bis 2010 gebaut. Dann folgt der bis heute produzierte BMW 6er
 
Ausgewählte Produktionszahlen:
BMW 6er Coupé (1976-1989): 86.219 Einheiten, davon
5.950 Einheiten als BMW 628 CSi von 1979-1987,
5.766 Einheiten als BMW 630 CS von 1976-1979,
23.332 Einheiten als BMW 633 CSi von 1976-1984 (ab 1981 nur Exportversionen),
45.213 Einheiten als BMW 635 CSi von 1978-1989 (davon 2.217 als 635 CSi KAT),
5.855 Einheiten als BMW M 635 CSi von 1984-1989.

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