Motorsport

Le Mans 2016: Geschichte wiederholt sich nicht

  • In MOTORSPORT
  • 20. Juni 2016, 14:45 Uhr
  • Axel F. Busse/ampnet

Geschichte wiederholt sich nicht, auch nicht in Le Mans. Aber bis wenige Minuten vor Ende des diesjährigen 24-Stunden-Rennens sah es so aus. Und um ein Haar wäre Köln noch eine Art Welthauptstadt des Langstrecken-Motorsports geworden.

Ein Autorennen, das zum 84. Mal ausgetragen wird, ist ohne Bezüge zur Geschichte nur für den Augenblick interessant. Selbst, wenn es 24 Stunden dauert. Die lange Tradition aber, die Tatsachen, Mythen und Legenden machen das härteste Langstreckenrennen der Welt erst zu dem, was es ist. Die diesjährige Auflage zeigte im Lichte eines silbernen und einen goldenen Jubiläums überraschende Parallelen und seinen Ausnahmestatus in der Welt des Motorsports.

Der Zeitpunkt von 50 Jahren nach dem spektakulären Ereignis war für Ford Anlass, eine Neuauflage zu versuchen. Nachdem 1966 ein überraschender Dreifachsieg über den Erzrivalen Ferrari gelungen war, sollte der Mythos ,,Ford GT" eine spektakuläre Wiederbelebung erfahren. Die roten Renner aus Maranello waren am vergangenen Wochenende nah an der Revanche, doch am Ende fehlten Speed und Glück. Nicht einmal das von der Rennleitung noch kurz vor dem Start aufgebürdete Handicap vermochte die V6-Turbo-Renner aus den USA zu stoppen. Mit beeindruckender Performance hatte die Ford-Bewegung das Qualifying dominiert, worauf dem Rennstall auferlegt wurde, jeweils zehn Kilogramm zusätzliches Gewicht an Bord der Boliden unterzubringen. So wollte der Veranstalter das Rennen spannend halten.

Das gelang, wie mehrere tausend Ford-Werker in Köln live verfolgen konnten. Der deutsche Haupt-Standort der amerikanischen Marke wurde zum Schauplatz einer ungewöhnlichen Public-Viewing-Aktion. Rund 3000 Plätze vor der Großbildleinwand auf dem Werksgelände waren im Nu ausgebucht, harte Positionskämpfe, spektakuläre Überholmanöver und atemlose Boxenstopps der in den Jahreszahlen der letzten Ford-Siege durchnummerierten US-Starter übten an diesem Wochenende deutlich mehr Anziehungskraft aus als die Partien der Fußball-Europameisterschaft.

Noch an einer anderen Stelle Kölns wurde um Teilnehmer des Le-Mans-Rennen gefiebert. In der Domstadt ist das Toyota-Team für die FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft beheimatet. Aus dem ehemaligen Formel-1-Rennstall der japanischen Marke ist die Crew hervorgegangen, die in diesem Jahr den wahrscheinlich besten Hybrid-Prototypen auf die Räder gestellt hat. Beim Rennen in Silverstone im April hatte der 875 Kilogramm leichte Wagen seine Karbon-Nase bis auf den zweiten Platz vorgeschoben.

Ein technischer Defekt beim Konkurrenten Porsche rief gestern Vormittag in Le Mans Erinnerungen an jenes Rennen der Gruppe-C-Weltmeisterschaft wach, das vor 25 Jahren für ein bis heute einzigartiges Le-Mans-Ergebnis gesorgt hatte. Das lange führende Fahrzeug - 1991 ein Sauber-Mercedes - wurde durch einen Wasserpumpen-Defekt aus dem Rennen katapultiert, worauf am Ende der erste (und bis heute einzige) japanische Teilnehmer - der Mazda 787B - gewann. Ein Defekt der Wasserpumpe war es auch 2016, die dem Titelverteidiger-Team aus Mark Webber, Timo Bernhard und Brendon Hartley den Garaus machte. Toyota behauptete daraufhin souverän die Spitzenposition und es gab allen Grund zu der Vermutung, dass sie 25 Jahre nach Mazda für den zweiten japanischen Sieg sorgen könnten.

Aber Geschichte wiederholt sich eben doch nicht, wie Kazuki Nakajima um 14.53 Uhr gestern am Steuer seines TS050-Hybriden auf so bittere Weise erfahren musste. Sein Fahrerkollege Joey Hand im Ford GT mit der Nummer 68 hatte es da schon besser. Auf den Spuren von Chris Amon und Bruce McLaren, die vor 50 Jahren für Ford den 24-Stunden-Pokal geholt hatten, gelang es ihm, die Ferrari-Konkurrenz nieder zu halten. Denkbar knapp am Ende, denn nach einer Renndistanz von 4624 Kilometern in der GTE-Pro-Klasse lagen Sieger und der Zweitplazierte Giancarlo Fisichella nur 10,2 Sekunden auseinander.

Ein Dreher in der letzten Rennstunde hatte für den Ferrari 488 die Chancen auf einen Klassensieg zunichte gemacht. Im Unterschied zum Zieleinlauf 1966 konnte sich die Startnummer 82 aber zwischen den beiden Autos aus Dearborn behaupten und so, wenn schon nicht Revanche nehmen, doch wenigstens eine Wiederholung des damaligen Dreifachsieges verhindern - einfach nur, damit Geschichte sich nicht wiederholt. (ampnet/afb)

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