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Panorama: Tesla Model X als Reisemobil - Rein elektrisch 10.000 Kilometer durch Kanada

So sehen moderne Hippies aus: Ein aus Deutschland stammendes Paar fährt drei Monate mit Auto und Wohnwagen 10.000 Kilometer durch Kanada. Der Clou: Sie verbrauchen dabei nicht einen Tropfen Benzin.

Manchmal werden Träume wahr. So zum Beispiel der von Rolf Oetter und Silke Sommerfeld, die sich aufgemacht haben, ihre Wahlheimat Kanada von West- nach Ost zu durchqueren. Mit dieser Mitte Juni 2016 begonnenen Traumreise lebt das Paar zugleich seinen Traum von einer emissionsfreien, nachhaltigen Mobilität. Den gut 10.000 Kilometer langen Trip von Vancouver Island bis nach St. John's (Neufundland) bewältigen sie nämlich mit einem Tesla Model X, der einen Wohnwagen samt Solaranlage zieht.
 
,,Wir glauben, dass Solarstrom und E-Mobilität ein Teil des Puzzles für eine nachhaltige Zukunft sind. Als Vater sorge ich mich um die Zukunft meiner Tochter. Deshalb machen wir diesen Trip", erklärt Rolf Oetter. Der 1987 aus Deutschland nach Kanada ausgewanderte Ingenieur hat in der jüngeren Vergangenheit seine Begeisterung für Solaranlagen und für Tesla entdeckt. Bereits 2014 hat sich der 61-jährige ein Tesla Model S gekauft und damit auch seine Frau, eine eigentlich überzeugte C-Klasse-Fahrerin, für den Luxus-Stromer und das rein elektrische Fahren nachhaltig begeistert. 2015 installierte sich der Geschäftsführer einer Firma für Schiffskonstruktions-Software zudem eine riesige Photovoltaikanlage auf dem Dach seines Wohnhauses in Victoria BC. Zwischenzeitlich folgte ein weiteres Model S und dann Mitte 2016 der Model X samt Wohnwagen mit einigen Umbauten.
 
Das Blaue Band für den schnellsten Küste-zu-Küste-Trip werden Rolf Oetter und Silke Sommerfeld mit diesem Model-X-Gespann definitiv nicht ergattern. Vielmehr wollen sie mit gemütlichen 80 km/h über die oft von unberührter Natur gesäumten Landstraßen und Highways stromern. Dabei dürften sie allerdings auch manchen Fingernagel abkauen, angesichts der bangen Frage, ob der Reststrom noch bis zum nächsten Etappenziel reicht. In Kanada verlangt diese Reise noch nach echtem Pioniergeist. Zumindest in den ländlichen Regionen, wo es noch keine Ladeinfrastruktur für Elektroautos gibt, hat man es als kanadischer E-Mobil-Nutzer nicht gerade leicht. Statt auf ein komfortables Netzwerk von Superchargern wie im Großraum Vancouver setzen zu können, müssen die beiden ihre Etappen genau durchplanen und zumeist auf konventionelle und zeitaufwendige Ladungen an Haushaltssteckdosen zurückgreifen.
 
Erschwerend kommt hinzu, dass der Wohnwagen die Reichweite des Model X um etwa 50 Prozent verkürzt. Der Tesla ist zwar mit der großen 90-kW/h-Batterie ausgestattet, die eigentlich 415 Kilometer ermöglichen soll. Doch im Gespann-Modus schmilzt selbst mit beschaulichen 70 km/h die Reichweite auf 260 Kilometer zusammen. Bei 80 km/h Reisegeschwindigkeit geht die Reichweite sogar auf 215 Kilometer runter.
 
Wer glaubt, die Solarpanel auf dem Wohnwagen, übrigens ein Safari Condo, würden ein vom Stromnetz autarkes betanken des Tesla erlauben, muss enttäuscht werden. Die 800-Watt-Solaranlage produziert Strom in erster Linie für den Wohnwagen selbst. Auf Campingplätzen gibt es in der Regel nur eine Stromleitung pro Standplatz, welche die beiden dann mit dem Ladekabel für die Tesla-Batterie belegen wollen. Der von Oetter mit einer 5 kW/h großen Lithium-Eisen-Batterie ausgestattete Wohnwagen erlaubt einen von jeder Strominfrastruktur unabhängigen Komfort von elektrisch betriebenen Geräten wie einem Kühlschrank. Der in Bremen aufgewachsene Ingenieur Oetter hat aber auch an den Notfall gedacht: Sollte es nötig sein, könnte der in der Wohnwagen-Batterie gespeicherte Strom über einen Konverter auch als Notreserve in die Batterie des Model X gespeist werden. Mit Hänger reicht der Wohnwagen-Strom für weitere 18 Kilometer, ohne sogar für 35 Kilometer. ,,Sollten wir uns in einer Ausnahmesituation befinden, würden wir sehr wahrscheinlich den Anhänger zurücklassen, um das Auto an anderer Stelle komplett aufzuladen und zum Anhänger zurückzukehren", so die 45-jährige Sommerfeld.
 
Reichweitentechnisch bietet das Reisegespann für die Weiten Kanadas also eher suboptimale Voraussetzungen. Doch die beiden Langzeiturlauber werden im Gegenzug mit dem guten Gewissen belohnt, nicht mit einer Abgasrauchfahne im Schlepptau durch die herrliche Natur zu marodieren. Die für Nordamerika typischen Wohnmobile mit ihren großen, ineffizienten V8-Benzinern sind in der Regel eher Dreckschleudern.
 
Silke Sommerfeld und Rolf Oetter glauben an die Zukunft der E-Mobilität. Sie wollen der Öffentlichkeit zeigen, dass man selbst einen Transkontinental-Trip ohne CO2-Emissionen absolvieren kann und dabei noch Komfort genießen kann. Sie wollen außerdem dokumentieren, dass eine solche Reise auch Spaß machen kann. Deshalb teilen sie ihre Eindrücke auch auf der Website www.TeslaXCanada.com sowie auf Twitter, Youtube, Facebook und Instagram. Und sie wollen mit ihren Lesern in Kontakt stehen. ,,Hat jemand Fragen? Schickt Sie uns, wir werden unser Bestes geben, sie zu beantworten", so die in Hennef bei Bonn aufgewachsene Silke Sommerfeld. Auf ihren Fahrten und während der langen Ladezeiten dürfte die 2002 aus Deutschland nach Kanada übergesiedelte E-Mobilitäts-Propagandistin jedenfalls viel Zeit finden, auf alle Mails zu antworten.

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