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Volkswagen zwischen Sport und SUV - Ab durch die Mitte

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  • 28. Juni 2016, 10:35 Uhr
  • Peter Maahn/SP-X

Das berühmte ,,Festival of Speed' im englischen Goodwood ist Treffpunkt für Autos, die schön, stark, teuer und vor allem schnell sind. Während Staatsanwälte daheim in Niedersachsen Aktenberge durchstöbern und in den USA über Strafzahlungen in Milliardenhöhe verhandelt wird, zeigte sich Volkswagen im PS-Mekka eine Autostunde von London entfernt von einer ganz anderen Seite.

Eigentlich wollte ja VW-Markenchef Herbert Diess den runden Geburtstag des GTI im Brexit-Land zelebrieren. Doch dann kam die Nachricht, dass zu Hause auch gegen ihn ermittelt wird. Bühne frei also für den Mann, der im VW-Markenvorstand derzeit wohl einen der schwierigsten Jobs hat. Jürgen Stackmann leitet den Vertrieb, ist also der oberste Verkäufer von VW. Entspannt lehnt er an der Brüstung des Balkons auf dem VW-Stand, während sich die Fans unten am historischen Golf GTI, aber auch am neuen, bis zu 213 kW/290 PS starken Golf GTI Clubsport die Nasen plattdrücken. Stackmann aber zeigt auf den ebenfalls ausgestellten neuen Tiguan: ,,Es ist ein gutes Gefühl zu sehen, wie positiv die Menschen auf die Marke VW reagieren. Wir spüren, dass das Vertrauen langsam zurückkommt. Auch wenn wir noch einen weiten Weg vor uns haben".

Über die aktuellen Ereignisse in der scheinbar endlosen VW-Affäre spricht der Norddeutsche natürlich nicht, auch wenn er als unbelastet gilt. Er sagt aber: ,,Die Vorgänge haben im Unternehmen wie ein Katalysator gewirkt. Überall sind Wille und Mut zur Veränderung erlebbar". Er spricht von Beschleunigung von Entscheidungen, vom Teamgeist und dem Engagement der Mitarbeiter. ,,Die Verkäufe in Europa sind stabiler als wir erwartet haben. Die Nachfrage nach dem neuen Tiguan ist enorm". Ähnliches berichtet er aus China und von anderen wichtigen Märkten. Nach wie vor schwierig sei die Situation in den USA. ,,Wir bieten derzeit keine Dieselmodelle an, die immerhin 30 Prozent des Absatzes ausmachten. Weil uns aber viele Privatkunden die Treue halten, liegt der Absatzrückgang bei nur acht Prozent".

Auf der schmalen Rennstrecke von Goodwood, die als Laufsteg für die von zahlreichen Herstellern präsentieren Sportwagen, Luxuslimousinen und wertvollen Oldtimer dient, dreht auch einer der ersten für den Motorsport umgebauten Golf GTI seine Runde, gesteuert von Altmeister Hans-Joachim Stuck. Nicht so laut wie andere Oldtimer, auch nicht so schnell. Aber dennoch mit viel Sympathie von den Tausenden von Festival-Besuchern bedacht. Ebenso wie der kleine Radaubruder des Golf, der Rallye-Polo mit seinen 232 kW/315 PS. Er gilt seit drei Jahren in der Weltmeisterschaft als nahezu unschlagbar, zeigt dem Ford Fiesta ebenso die Rücklichter wie dem Hynundai i20 oder dem Citroen DS3.

Jürgen Stackmann, über Ford und den Chefsessel bei Seat nach Wolfsburg gekommen, genießt das Wohlwollen der Fans, sieht kurzfristig aber weniger sportliche Modelle im Vordergrund. ,,Wir konzentrieren uns auf den Ausbau unseres SUV-Angebots, der neue Tiguan ist dafür ein wichtiger Meilenstein". Noch in diesem Jahr soll in den USA die Produktion des größeren Cross Blue beginnen. Er soll vor allem in Amerika neue Kunden anlocken, ist gut fünf Meter lang und hat bis zu sieben Sitze. Im nächsten Jahr folgt dann eine verlängerte Version des Tiguan. Auch ein kompaktes SUV von der Größe des neuen Audi Q2 ist in Vorbereitung. Spitzenmodell bleibt der bekannte Touareg, der vermutlich im nächsten Jahr in neuer Form und auch als Plug-In-Hybrid erscheinen wird. Elektromobilität ist denn auch das andere große Thema: ,,Bis zum Ende dieses Jahrzehnts wird eine ganze Palette von E-Autos auf der Straße sein", verspricht Stackmann. Für den Pariser Salon im Herbst kündigt er eine Überraschung an., über deren Einzelheiten er jedoch nichts verrät.

Auch über die Straffung des Modellprogramms will sich der Vertriebschef nicht äußern. Konzernchef Matthias Müller hatte die Verkleinerung der derzeit 340 Modelle umfassenden Palette angekündigt. Noch ist nicht klar, welche Typen vom deutschen Markt verschwinden werden. Gefährdet sind der Scirocco ebenso wie der Beetle. Auch die Modellvielfalt der Golf-Baureihe steht auf dem Prüfstand, nachdem das Cabrio bereits eingestellt wurde. Ein vertrautes Nischenmodell wird es aber auf jeden Fall auch in Zukunft geben. Die viertürige Coupé-Limousine CC, die in ihrer Anfangszeit zur Passat-Familie gehörte, soll mit viel optischer und technischer Sorgfalt erneuert werden.

Für alles, was VW im Köcher hat, soll laut Jürgen Stackmann eine neue Zielgruppe aktiviert werden. ,,Die ambitionierte Mittelschicht gibt zwischen 25.000 und 35.000 Euro für ein neues Auto aus, hat technisch hohe Ansprüche und ist in besonderem Maße an der Vernetzung des Autos interessiert", erläutert er. VW werde deshalb stärker als bisher in die Lücke zwischen Volumenherstellern und Premiummarken stoßen".

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