Ratgeber

Mehr Sicherheit für Radfahrer - Auch Musterstädte kann man verbessern

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  • 1. Juli 2016, 12:24 Uhr
  • Mario Hommen/SP-X

Der Trend zum Fahrrad ist seit vielen Jahren ungebrochen. Angesichts der wachsenden Zahl von Radfahrern wachsen auch die Gefahren im Verkehr. Vieles wurde bereits getan, vieles lässt sich noch verbessern.

Der bereits gut 20 Jahre andauernde Fahrradboom stellt die Verkehrssicherheit vor immer neuen Herausforderungen. Radfahrer, Verkehrsplaner und alle anderen Verkehrsteilnehmer müssen sich dem Wandel stellen. Unter dem Motto ,,Keiner kommt um. Alle kommen an." haben Experten des Deutschen Verkehrssicherheitsrats DVR einige Ratschläge und Empfehlungen zusammengetragen, wie Radfahren künftig sicherer werden könnte.
 
Besonders im Hinblick auf die Infrastruktur gibt es viel Spielraum, die Sicherheit für Fahrradfahrer zu verbessern. Seit Jahrzehnten arbeitet man zum Beispiel in Deutschlands Fahrradhauptstadt Münster daran, die Räume für Radfahrer attraktiver und sicherer zu gestalten. Laut Stephan Böhme vom Amt für Stadtentwicklung in Münster wurde das Radwegnetz der Stadt über Jahrzehnte hinweg auf mittlerweile 450 Kilometer ausgebaut. Dabei wurden die Radwege unter anderem breiter und auch die Kanten zwischen Fußweg und Radweg entfernt. Mittlerweile werden in Münster 40 Prozent der Fahrten per Fahrrad erledigt. Tendenz steigend. Auch angesichts der stetig wachsenden Bevölkerung der Stadt erfordert dieser Erfolg neue Maßnahmen.
 
Viel hat Münster in der jüngeren Vergangenheit für die Sicherheit der Radfahrer getan. Auf den Autostraßen gibt es häufig große rote Radfahrstreifen, außerdem wurden viele Straßen zu Fahrradstraßen deklariert, verkehrsberuhigt sowie Einbahnstraßen für Radfahrer in beiden Richtungen befahrbar gemacht. Auch hat man in Münster Fahrradschleusen vor Ampeln angelegt, an denen Fahrräder an Autos vorbei in vorderste Reihe von den Ampeln starten können. Schließlich gibt es mittlerweile in Münster überall Radfahrweg-Hinweisschilder und aufgrund vieler Ganzjahresradfahrer werden sogar im Winter die Radwege geräumt. Sehr erfolgreich war man in Münster mit einer trickreichen Lichtkampagne: Radler, die bei Verkehrskontrollen ohne Licht erwischt wurden, mussten sich außerdem einer Alkoholkontrolle unterziehen. Das hat sich rumgesprochen und mündete in einer Lichtquote von stolzen 98 %. Außerdem gibt es eine offene Fahrradwerkstatt, die dabei hilft, die Verkehrstüchtigkeit von Rädern zu verbessern.
 
Glückliches Münster? Nicht ganz, denn Böhme sieht auch zahlreiche Probleme, die angegangen werden sollen. So konstatiert er eine fehlende Normakzeptanz bei allen Verkehrsteilnehmern, ein mangelndes Gefahrenbewusstsein bei Radfahrern, fehlende Kommunikation zwischen unterschiedlichen Verkehrsteilnehmern und oft bei Neuankömmlingen Unkenntnis darüber, wie man sich als Radfahrer in Münster verhält. Die Stadt versucht diesen Problemen mit Aufklärungskampagnen und dem Umbau der Verkehrswege zu begegnen, um Autofahrer und Radfahrer stärker füreinander zu sensibilisieren. So werden neuerdings zum Beispiel gezielt Lkw-Fahrer und Radfahrer auf die Gefahren des Toten Winkels aufmerksam gemacht.
 
Münster will auch in Zukunft viel Aufwand betreiben, die Situation für Radfahrer weiter zu optimieren. Unter anderem arbeitet man derzeit auch an einem Schnellwege-Netz für Pendler, die dann vor allem mit Pedelecs recht entspannt auch längere Strecken abspulen könnten. Ein Vorteil dieser Strategie: Der Innenstadtbereich wird noch stärker vom Autoverkehr der Pendler entlastet und die Bevölkerung noch stärker zum Radeln motiviert. Die hohe Radnutzungsquote zahlt sich für Münsters Bevölkerung übrigens schon heute aus. Herzkreislauferkrankungen sind in der Fahrradhauptstadt seltener als in anderen deutschen Städten.
 
Vor allem den Gesundheitsaspekt sieht auch Franz Linder vom Kölner Planerbüro Südstadt als einen besonders großen Anreiz, die Infrastruktur für Fahrräder massiv auszubauen. Seine Vision ist die einer maximal fahrradfreundlichen Stadt, die sich radikal vom bisherigen verkehrsplanerischem Kleinklein verabschiedet. Eine ,,bewegungsaktivierende Infrastruktur" und eine ,,Transformation der Straße, die zu sehr auf das Auto ausgelegt ist", fordert Linder.
 
Er sieht vor allem im Ausbau kommunaler und regionaler Radschnellwege großes Potenzial, die Fahrradnutzung attraktiver und sicherer zu machen. Solche Radschnellwege, 6 Meter breit und gut ausgebaut, würden die Fahrradnutzung allgemein erhöhen. Besonders Pendler und der Lastenverkehr könnten hiervon profitieren. Der derzeit im Bau befindliche Ruhrradschnellweg RS1 ist ein erster Schritt in diese Richtung. Wirklich richtungsweisend sind nach Ansicht von Linder allerdings fahrradfreundliche Verkehrskonzepte im Ausland. Hier nennt er Eindhoven oder Kopenhagen, die in sehr konsequenter Weise neu gedacht und neu dimensioniert haben. Ein vergleichbar radikales Umdenken wünscht sich Linder auch für Deutschland.
 

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