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Sonst noch was? - Die Zukunft ist der Gegenwart ihr Tod

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  • 24. Juli 2016, 13:24 Uhr
  • Peter Eck/SP-X

Heißt es nicht immer, man solle im ,,Hier und Jetzt' leben? Warum müssen wir uns dann ständig mit der Zukunft beschäftigen? Ein bisschen mehr Gegenwart wäre vielleicht gar nicht schlecht.

Die Zeit zwischen Vergangenheit und Zukunft nennt man Herausforderung, haben wir zumindest mal irgendwo gelesen. Hört sich gut an. Andererseits: Uns ist im Moment ein bisschen arg viel von Herausforderungen die Rede und von Zukunft auch. Und vielleicht etwas zu wenig von Gegenwart. Beispiel Mobilität: Schließlich fahren heute nur die wenigsten von uns elektrisch (oder gar autonom) durch die Gegend. Welcher ganz normale Autofahrer hat schon mal in einem Leaf, Zoe oder Ioniq gesessen? Nein, das sind keine Tiere oder Kleinstteilchen.
 
Aber zurück in die Gegenwart. Wie die aussieht konnte man diese Woche zum Beispiel so lesen: Die Reduktion des CO2-Ausstoßes durch den Pkw-Verkehr in Deutschland hat nach Experten-Berechnungen deutlich an Fahrt verloren. Heißt: Der durchschnittliche CO2-Ausstoß pro Pkw sinkt zwar nach wie vor, aber leider nicht mehr so schnell wie in den Vorjahren. Womit unsere für die Zukunft gesetzten CO2-Ziele in Gefahr geraten. Vielleicht sogar die Zukunft selbst. Warum? Unter anderem, weil uns ein schönes SUV in der Gegenwart dann doch lieber ist als ein Kollaps irgendwann in ferner Zukunft.
 
Ja, jetzt werden Sie sich - verehrter Leser - natürlich fragen, wer denn daran schuld sein könnte? Die Autoindustrie, sagt der Käufer, sie lockt ständig mit neuen, immer besseren Angeboten auch und gerade in Sachen SUV. Und die hohe Sitzposition tut meinem Rücken ja ach so gut. Nein, sagt die Autoindustrie, der Käufer ist selbst schuld, denn er hat die freie Wahl und einen freien Willen. Er könnte sich ja auch einen Kleinwagen oder ein Elektroauto oder gar ein kleines Elektro-Auto kaufen.
  
Eine weitere Information aus dieser Woche, die die Herzen echter Abenteurer höher schlagen lassen wird: Die Mercedes G-Klasse wird nicht zum SUV - sondern bleibt ein ,,echter Geländewagen", was man ja gemeinhin am Leiterrahmen festmacht. Oder so ähnlich. Ein bisschen mehr ,,Asphalt-Tauglichkeit" soll die zweite Generation trotzdem bieten. Das ist auch nicht mehr als konsequent, schließlich übersteigt zumindest gefühlt die Anzahl der samstäglich durch unsere Innenstädte cruisenden G-Modelle der AMG-Angeber-Klasse jene der sich durch Matsch und Gestrüpp kämpfenden Basismodelle ziemlich deutlich. Und etwas mehr Komfort ist ja immer gut, wenn im Dschungel der Großstadt tiefe Schlaglöcher oder um Zentimeter aus dem Asphalt herausragende Gully-Deckel mannhaft genommen werden müssen.
 
Wem eine G-Klasse im AMG-Trim dann doch etwas zu martialisch ist, wer also mit anderen Worten eine distinguiertere Form des Angebens bevorzugt, dem raten wir zum Fliegenfischen. Nein, der Autor dieser Zeilen ist (noch) nicht vollständig neben der Spur. Er will vielmehr auf das neueste Angebot von Bentley aufmerksam machen: Den neuen Bentayga - übrigens ein Trumm von einem SUV - gibt es jetzt auch mit einer Ausstattung eben fürs Fliegenfischen. Dann erhält man zum Beispiel Angelruten-Köcher aus allerfeinstem Leder und vieles mehr  - ein absolutes MUSS für 95.000 Euro. Nein, das ist nicht der Endpreis für das Fahrzeug, die kommen auf den Grundpreis von rund 208.000 Euro für den Basis-Bentayga noch obendrauf.
 
Ach, wir sehen schon den in feines English-Tweed gekleideten Herren, wie er mit seiner nur (un-)wesentlich jüngeren Begleitung im Bentayga zum Fliegenfischen in die Münchner Innenstadt braust, um dort - zwei bis drei Parkplätze in Anspruch nehmend - zum Angeln aufzubrechen. Oder wie nennt man die Shopping-Tour zum Juwelier noch mal?
 
Ja, Luxus muss man sich eben leisten können, und er sei den Besserverdienern und Leistungsträgern unserer Gesellschaft  ja auch von ganzem Herzen gegönnt. Gibt es allerdings zu viel Luxus, ist es halt kein Luxus mehr. Das hat sich wohl auch Porsche gedacht und sich dazu entschlossen, nun doch kein Fahrzeug unterhalb eines Macan oder der 718-Baureihe anzubieten. Weil, so Entwicklungschef Michael Steiner in der AMS, die Marke ja ,,sportlich und exklusiv" sein muss. Na ja, sportlich sein könnten ja eigentlich auch kleinere Fahrzeuge. Also liegt der Fokus wohl er auf dem Wörtchen ,,exklusiv". Heißt übersetzt, man will den Fahrern teurer 911er oder Cayennes nicht zumuten, ihre Marke mit einem automobilen Pöbel zu teilen, der vielleicht gerade mal 45.000 Euro - also den Preis für einen wirklich komplett ausgestatteten VW Golf GTI - auf den Tisch legen kann. So viel Exklusivität muss dann schon sein.
 
Die Gegenwart ist gegenwärtig wirklich nicht immer erfreulich und das nicht nur wegen Trump, Erdogan und dem IS. Doch andererseits: Ist es nicht genau jene Zeit, die wir in Zukunft ,,die gute alte Zeit" nennen werden? Und ist das dann doch nicht auch irgendwie tröstlich? Sonst noch was? Nächste Woche wieder.
 

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