Motorsport

Faszination Rallye: Ein Leben "auf Achse"

  • In MOTORSPORT
  • 23. August 2016, 10:30 Uhr
  • Thomas Schneider

Rallye-Fahrer sind eine ganz spezielle Spezies Mensch: Hartgesottene Kerle und taffe Mädels, die keine Mühen und Strapazen scheuen, um perfekt gewappnet in die nächste Wertungsprüfung zu gehen. Dabei ist der Rallye-Sport mehr noch als andere Motorsport-Disziplinen Team-Arbeit. Bei der Deutschland Rallye in Trier gewährt Autobauer Skoda einen Blick hinter die Kulissen.


Rallye-Fahrer sind eine ganz spezielle Spezies Mensch: Hartgesottene Kerle und taffe Mädels, die keine Mühen und Strapazen scheuen, um perfekt gewappnet in die nächste Wertungsprüfung zu gehen. Nur dann ist eine gute Platzierung überhaupt möglich. Schon Tage vor dem eigentlichen Start fahren sie mit ihrem Copiloten die Strecke ab und notieren jede Kurve, jede Kuppe und jeden Poller am Straßenrand. Vorbereitung ist alles, denn auf der Prüfung selbst fährt der Pilot nicht auf Sicht, sondern muss sich zu 100 Prozent auf den Copiloten verlassen, der jede Biegung ansagt.

Bei der Deutschland Rallye in Trier gewährt Autobauer Skoda einen Blick hinter die Kulissen. 16 Fahrzeuge haben die Tschechen am Start, darunter einen Fabia S2000 und 15 brandaktuelle Fabia R5 - das derzeit weltweit erfolgreichste Fahrzeug in der WRC2-Klasse. Mittlerweile sind laut Andreas Leue, Teamleiter Motorsport und Tradition bei Skoda, rund 100 Autos im Einsatz. Den Allradler darf prinzipiell jeder kaufen - für rund 180.000 Euro. Und auch an der Mosel ist er nicht zu stoppen: Die Plätze eins bis vier belegen ausschließlich Fabias.

Den Einsatzwagen können die Besucher der Deutschland Rallye dann sogar selbst erleben - und das gleich zweifach: Der siebenmalige deutsche Rallyemeister Mattias Kahle lässt im Rahmen der Wertungsprüfung "Panzerplatte" auf Renntaxi-Fahrten mit Zuschauern die Reifen seines eigenen Fabia R5 qualmen. Und für jedermann zugänglich hat Skoda insgesamt drei Simulatoren aufgebaut, die es in sich haben. Die Profi-Geräte im Wert von je 60.000 Euro sind wohl der Traum eines jeden Playstation-Fans: Originalgetreue Rennsitze, Pedalerie und Lenkrad und auf mehr als 40 Strecken sowie alle gängigen Rennfahrzeuge einstellbar. Drei Elektromotoren passen den Sitz in Längs und Querrichtung 250 Mal je Sekunde an die Fahrsituation an - das ist nichts für lädierte Bandscheiben und anschnallen ist Pflicht.

Neben den zwei Werksteams der tschechischen Marke - dem in Trier erfolgreichen finnischen Duo Esapekka Lappi und Janne Ferm sowie den beiden zweitplatzierten Tschechen Jan Kopecký und Pavel Dresler - geht in der WRC2 an diesem Wochenende auch ein Fahrer für den deutschen Importeur an den Start: Fabian Kreim ist einer der großen Hoffnungsträger im deutschen Rallye-Sport und hat in Trier einen Gastauftritt. Der 23-Jährige, seit vergangener Saison bei Skoda, fährt zusammen mit Copilot Frank Christian eigentlich in der Deutschen Rallye Meisterschaft (DRM) und liegt dort zwei Rennen vor Saisonende an der Spitze.

In Trier aber läuft es an diesem Wochenende für ihn alles andere als rund: Nach dem Showstart am Donnerstagabend vor der alt ehrwürdigen Porta Nigra, kommt es am Freitagmorgen zuerst zu einem Reifenschaden, auch der Stoßdämpfer hat etwas abbekommen. Daher kommt es nun erstmals auf das Mechaniker-Team um den österreichischen Haudegen Christian "Widi" Wiedenhofer an.

Dass größere Reparaturen in den 30 Minuten Service zwischen den Wertungsprüfungen überhaupt zu machen sind, liegt in der Art und Weise begründet, wie das Fahrzeug aufgebaut ist: "Wir haben einheitliche Schraubengrößen und Schnellverschlüsse für viele Komponenten", sagt Routinier Widi, der bereits seit 22 Jahren an Rennboliden schraubt. "Im vergangenen Jahr hatten wir einen Fall, da waren drei Seiten des Autos kaputt, dazu Scheiben, Kühler, Heckscheibe und die Scheinwerfer." Zum Glück hat das Team für alle Teile Ersatz dabei, die getauscht werden dürfen. Tabu sind laut Reglement nur der Motor und der Sicherheitskäfig.

Schließlich ist der Wagen wieder flott gemacht, doch das Pech nimmt kein Ende. Vor der nächsten Prüfung will der knapp 280 PS starke 1,6-Liter-Turbomotor partout nicht anspringen, der Fabia muss auf den Hänger und in den Service-Bereich transportiert werden. Das Team geht von einem Elektronik-Fehler aus, doch eine Ursache ist am kommenden Morgen noch immer nicht gefunden. Der Fabia springt nun an, aber keiner weiß, ob es beim nächsten Versuch wieder funktioniert. Doch davon lässt sich das ambitionierte Fahrer-Duo nicht schocken. Der Gesamtsieg ist nun zwar unerreichbar, doch gelingen am Wochenende immerhin noch ein Prüfungssieg und sieben Top-5-Zeiten.

Fabian Kreim hat sich einiges vorgenommen. Erst einmal soll der DRM-Titel in trockene Tücher gebracht werden, nach einem guten und dennoch letztlich unglücklichen zweiten Platz in der vergangenen Saison. Daneben tritt das deutsche Duo auch bei der FIA Asia-Pacific Rally Championship an. Dort soll Kreim Erfahrungen auf Schotter sammeln. Das ist auch nötig für sein großes Ziel: "Ich will Rallye-Weltmeister werden."

Dafür nehmen er und Co-Pilot Frank Christian ein Leben "auf Achse" in Kauf. Gerade erst sind sie aus Asien zurück, verbringen jetzt eine Woche in Trier und schon in der kommenden Woche steht die Rallye in Tschechien an. "Das bedeutet 1.000 Kilometer im Auto hin, die Rallye fahren, danach den gleichen Weg zurück und am nächsten Tag geht es wieder 700 Kilometer nach Hamburg", berichtet Fabian Kreim. "Das schlaucht."

Auf die Frage, ob er denn auch privat auf rasante Autos steht, antwortet er pragmatisch: "Im Alltag lege ich mittlerweile mehr Wert auf Komfort als auf Sportlichkeit." Dass er es im Alltag ruhiger angehen lässt, hat noch einen weiteren wichtigen Grund: Er darf seinen Führerschein nicht verlieren, sonst ist mit Rallye erstmal Schluss. Denn die Überführungsetappen führen durch den öffentlichen Verkehr, also ist Disziplin gefragt, wie so oft.

Dass Fabian Kreim das Potenzial für Großes hat, davon ist das Team überzeugt. "Er hat sich gegenüber der vergangenen Saison nochmal sehr verbessert", konstatiert Widi Wiedenhofer. Vielleicht entwickelt er sich ja sogar zur nächsten echten Größe im deutschen Rallye-Sport. Das würde dann nicht nur ihm selbst, sondern der deutschen Szene insgesamt gut tun. "Man braucht einen nationalen Star, um eine Sportart in der Wahrnehmung nach vorne zu bringen - denken Sie an Boris Becker, Steffi Graf oder Michael Schumacher. Walter Röhrl war in der Rallye der letzte Deutsche dieser Kategorie, das ist aber fast 40 Jahre her", sagt Teamchef Andreas Leue. Es ist also höchste Zeit für den nächsten deutschen Rallye-Star.

Thomas Schneider

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