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Volt ihr mehr?

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  • 27. Oktober 2016, 16:20 Uhr
  • Mirko Stepan

Continental und Schaeffler haben in enger Zusammenarbeit mit Ford ein 48-Volt-Hybridsystem entwickelt, dass Mild-Hybride effizienter und kostengünstiger machen soll. Ein paar Runden im Prototypen lassen erahnen, wie sich Autofahren in naher Zukunft anfühlt.


Continental und Schaeffler haben in enger Zusammenarbeit mit Ford ein 48-Volt-Hybridsystem entwickelt, dass Mild-Hybride effizienter und kostengünstiger machen soll. Ein paar Runden im Prototypen lassen erahnen, wie sich Autofahren in naher Zukunft anfühlt.

Ein leichtes Rucken, und vorbei ist es mit der Stille. Diese Stille gehört bei den Automobilzulieferern Continental und Schaeffler zum Geschäftsmodell. Gemeinsam haben die Unternehmen, die in anderen Bereichen miteinander im Wettbewerb stehen, ein 48-Volt-Bordstrom-System entwickelt, das in Zusammenarbeit mit Ford in einem Focus eingebaut ist. Der wird vom bekannten und mehrmals prämierten 1,0-Liter Ecoboost-Benzinmotor angetrieben, zumindest immer dann, wenn es nicht still ist. In den ruhigen Momenten sorgt ein E-Modul für Vortrieb im Prototypen GTC II, das steht für "Gasoline Technology Car II". Wie der Name bereits verrät, hat es einen Vorgänger gegeben, ebenfalls ein Ford Focus. Dessen 48-Volt-Architektur, die etwas einfacher gestrickt ist als die des jüngeren Bruders, geht Ende 2016 bei Renault in Serie.

Der größte und laut Continental und Schaeffler wichtigste Unterschied ist die Platzierung des Hybridmoduls: die elektrische Maschine ist zwischen Verbrennungsmotor und Getriebe integriert. Anders als beim GTC I muss diese Einbaulage bereits bei der Fahrzeugentwicklung berücksichtigt werden. Der Autobauer hat sich also recht früh zu entscheiden, ob er ein Modell mit dem 48-Volt-System aus dem GTC II auf den Markt bringen möchte. Daher wird parallel dazu auch das zweite System angeboten, das Hersteller - ähnlich wie Renault - leichter integrieren können, dann aber Abstriche bei der Effizienz hinnehmen müssen. Im Vergleich zum GTC I verbraucht der neue Focus rund 13 Prozent weniger Kraftstoff, verglichen mit dem Serienmodell von Ford haben die Zulieferer etwa ein Viertel Kraftstoffeinsparung erreicht.

Diese Einsparung ist unter anderem möglich, weil das Auto "segelt", wenn der Fahrer den Fuß vom Gas nimmt - es rollt also, ohne dass dabei einer der Motoren beansprucht wird. Zudem ist mit dem 48-Volt-System rein elektrisches Fahren möglich. Allerdings nur - und darin unterscheidet es sich von sogenannten "Hochvoltsystemen", wie sie beispielsweise in Plug-In-Hybriden zu finden sind - im niedrigen Geschwindigkeitsbereich und auf kurzen Distanzen. Was für die Entwickler keinen Zielkonflikt darstellte. Es sollte einfach ein kostengünstiges System auf die Räder gebracht werden, das dennoch effizient ist.

85 Gramm Kohlendioxid-Ausstoß je 100 Kilometer peilen Continental und Schaeffler an. Mit verantwortlich für die Erfüllung der strengen Grenzwerte der Abgasnorm 6c ist laut Continental und Schaeffler ein komplett neues Bauteil: ein elektrisch beheizbarer 48-Volt-Katalysator, der viel effizienter arbeitet als herkömmliche Katalysatoren. "Diese Art von milder Hybridisierung wird für uns ein Schlüsselkonzept für die Mobilität von morgen sein", sagt Professor Peter Gutzmer, Technologie-Vorstand der Schaeffler AG. Er glaube fest daran, dass sich im Massensegment 48-Volt-Lösungen durchsetzen werden, betont Gutzmer.

Wer beherzt aufs Gaspedal des 48-Volt-Prototypen tritt, bekommt mit einem Ruck signalisiert, dass jetzt wieder der Verbrennungsmotor seinen Dienst angetreten hat. Bei sanfter Bedienung des Pedals sorgt ein Elektromotor für Vortrieb. So ist es beispielsweise möglich, im Stau beziehungsweise bei stockendem Verkehr rein elektrisch zu fahren. Ungewöhnlich: Normalerweise kennt man die Hybrid-Technik in Verbindung mit einem Automatikgetriebe. Der Focus-Prototyp ist ein Handschalter. Beim Tritt auf die Kupplung springt der Verbrennungsmotor an, danach - je nach Leistungsbedarf - übernimmt die E-Maschine die Arbeit oder eben der Benzinmotor.

Eine weitere wichtige Funktion ist die Rekuperation, also die Energierückgewinnung beim Bremsen. Während der Testrunde im ADAC Fahrsicherheitszentrum in Schlüsselfeld (Bayern) konnte auf wenigen Hundert Metern bei der Bergabfahrt der im Kofferraum platzierte Akku mit einer Kapazität von einer halben Kilowattstunde von 45 auf 55 Prozent aufgeladen werden.

Weiterer Vorteil des 48-Volt-Antriebs: Er ermöglicht die Nutzung der Klimaanlage bei ausgeschaltetem Verbrennungsmotor, ist also in diesem Fall sogar für mehr Komfort an Bord gut. So lässt sich im Stromer auch bei Hitze ein kühler Kopf bewahren. In Serienfahrzeugen wird das System gegen Ende des Jahrzehnts zu finden sein, prognostiziert Christopher Breitsameter, Leiter Business Development & Strategy, Division Powertrain, bei Continental. Dann startet die 48-Volt-Revolution. Ob in Modellen von Ford, verraten die Verantwortlichen noch nicht. Das ist allerdings mit Blick auf den Prototypen nicht ganz unwahrscheinlich.

Mirko Stepan

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