Motorsport

Hyundai in der Rallye-WM - vom Jäger zum Gejagten

  • In MOTORSPORT
  • 2. Dezember 2016, 16:53 Uhr
  • Mirko Stepan

Hyundai gegen Volkswagen, Thierry Neuville gegen Sébastien Ogier, Vize-Weltmeister gegen Weltmeister - so sollte das Duell 2017 in der Rallye-Weltmeisterschaft aussehen. Doch nach dem Ausstieg von Volkswagen aus der Rallye-WM gibt es einen arbeitslosen Weltmeister und ein koreanisches Werksteam mit Sitz in Deutschland, das sich eigentlich nur selber schlagen kann. Könnte man meinen.


Hyundai gegen Volkswagen, Thierry Neuville gegen Sébastien Ogier, Vize-Weltmeister gegen Weltmeister - so sollte das Duell 2017 in der Rallye-Weltmeisterschaft aussehen. Doch nach dem Ausstieg von Volkswagen aus der Rallye-WM gibt es einen arbeitslosen Weltmeister und ein koreanisches Werksteam mit Sitz in Deutschland, das sich eigentlich nur selber schlagen kann. Könnte man meinen.

Mit dem zweiten Platz in der Teamwertung und mit dem Belgier Thierry Neuville als Vize-Weltmeister hat Hyundai in der abgelaufenen Saison gezeigt, dass die Luft ganz oben dünner geworden ist und dass man näher an Volkswagen, dem Über-Team der vergangenen Jahre, dran ist, es sogar hin und wieder schlagen kann. Insbesondere in der zweiten Saison-Hälfte zeigte Hyundai eine starke Performance. Am Ende konnte Hyundai Motorsport mit Sitz im bayerischen Alzenau, wo rund 160 Spezialisten nur an den Rallye-Autos arbeiten, zwei Siege, 47 Siege bei Wertungsprüfungen und Podiums-Plätze in zehn der 13 Rallyes verbuchen.

Das Gefühl im neuen Auto sei sehr gut, sagt Hyundai-Spitzenfahrer Neuville. Durch die Regeländerungen fühle sich alles besser und schneller an, verrät der Belgier. "Und es macht auch mehr Spaß", sagt Neuville, der sich ernsthafte Hoffnungen auf den Weltmeistertitel 2017 machen darf. Dennoch schränkt er die Erwartungen - die eigenen und die von außen - bei der Präsentation des Hyundai i20 WRC 2017 auf dem "Autodromo Nazionale di Monza" ein. "Wir haben keine Idee wo wir im Vergleich zu den anderen Teams stehen."

Bisher hat die Hyundai Mannschaft rund 6.000 Testkilometer mit dem neuen Auto abgespult, eine Weiterentwicklung des 2016er i20 WRC. 800 bis 900 Kilometer gehen auf Neuvilles Konto, genauso viele sollen noch folgen, bevor es zur Rallye Monte Carlo geht, mit der am 19. Januar 2017 die Saison startet. Größte Veränderung, zumindest optisch: Der 2017er Rennwagen basiert nicht mehr auf dem Fünftürer, sondern aus dem dreitürigen Coupé. Außerdem ist das Auto 55 Millimeter breiter als in der Vorsaison und etwas höher. Dazu kommt der große Heckflügel - Neuville gefällt's: "Die Autos sind jetzt attraktiver. Es war notwendig, eine Veränderung zu machen, und vom Streckenrand wird es spektakulärer sein."

Auch technisch hat sich einiges getan, bei der größten Regeländerung der Serie der vergangenen Jahre. Teamchef Michelle Nandan spricht von einer neuen Ära des Sports. Die neue technische Herausforderung sei man mit Begeisterung angegangen. Der größte Schritt für Vize-Weltmeister Neuville sind Motor und Getriebe, wie er sagt. Die Leistung des neuen Boliden gibt Hyundai mit 380 PS an. Unter der kantigen Haube steckt ein 1,6-Liter-Vierzylinder-Turbo und Allradantrieb. Maximales Drehmoment: 450 Newtonmeter bei 5.500 Umdrehungen pro Minute.

Ebenfalls neu: Das sogenannte "Center-Diff", also ein Differential, das die Antriebskraft des Allraders zwischen der Vorder- und der Hinterachse verteilt. "Das Center-Diff hilft, mit dem Auto bei verschiedenen Lenkungswinkeln schneller in die Kurve zu fahren. Beim Herausbeschleunigen bleibt das Auto stabiler. Dadurch kann der Fahrer es präziser auf den eigenen Fahrstil einstellen", erklärt Neuville, der auf einen entscheidenden Nachteil des Systems aufmerksam macht. "Man hat aber auch viel mehr Möglichkeiten, daneben zu liegen." Es werde schwieriger sein als früher, mit seinem Renn-Ingenieur die richtige Abstimmung zu finden und zu wissen, wann das Auto den maximalen Grip aufbaut.

Neuville rechnet nicht nur wegen der Reglements-Veränderungen mit einer spannenden Saison. Durch den Ausstieg von Volkswagen seien die Karten neu gemischt worden. "Der Wunsch wäre gewesen, dass Volkswagen bleibt, selbst wenn sie wieder vorne gewesen wären. Aber wir hätten ihnen das Leben noch schwerer machen können als in der abgelaufenen Saison. Wir werden nie wissen, ob sich die Möglichkeit geboten hätte, sie zu schlagen. Aber Citroen kommt zurück, und Citroen wird sehr stark sein. Es wird eine spannende Saison, noch spannender als 2016", prophezeit Neuville. Und bei Citroen ist der viermalige Weltmeister Ogier im Gespräch, der in jedem Auto den entscheidenden Unterschied machen kann - das lässt sich zumindest aus den Ergebnissen der vergangenen Jahre schließen.

Von seiner eigenen Performance hat der Belgier ganz konkrete Vorstellungen. "Ich will mehr Rallyes gewinnen als letzte Saison - leider reichte es nur für einen Sieg. Wir sind schnell, das Team ist super aufgebaut. Und wir haben die Chancen, bei einigen Rallyes vorne mit zu fahren."

Man wolle um die WM mitkämpfen, sagt Teamchef Nandan bei der Präsentation des i20 WRC. Sein bester Fahrer 2016 und Hoffnungsträger für 2017 formuliert es angriffslustiger: "Wir machen uns keinen Druck für die Weltmeisterschat, aber ganz klar: Wenn wir es besser machen wollen als diese Saison, sind wir am Ende Weltmeister."

Mirko Stepan

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