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Mobilitätsstudie zum autonomen Fahren: Megatrend mit Chancen

Das Ökosystem Straßenverkehr ist heute so stark im Wandel wie noch nie zuvor, besonders aufgrund des sich immer konkreter anbahnenden autonomen Fahrens. Dass dies zwar Gefahren und Probleme, aber vor allem große Chancen in sich birgt, unterstreicht jetzt unter dem Titel ''ThinkGoodMobility'' eine gemeinsame Studie von Goodyear und der London School of Economics (LSE).

Das Ökosystem Straßenverkehr ist heute so stark im Wandel wie noch nie zuvor, besonders aufgrund des sich immer konkreter anbahnenden autonomen Fahrens. Dass dies zwar Gefahren und Probleme, aber vor allem große Chancen in sich birgt, unterstreicht jetzt unter dem Titel "ThinkGoodMobility" eine gemeinsame Studie von Goodyear und der London School of Economics (LSE).

Die Befragung von rund 12.000 Menschen aus elf europäischen Ländern ergab, dass die Skepsis gegenüber autonomem Fahren in Deutschland besonders groß sei. Nicht zuletzt deshalb macht sich bei der Präsentation der Studie in der Münchner Allianz Arena die Erkenntnis breit: Es ist in den kommenden Jahren nicht nur wichtig, noch viele ungeklärte Fragen zu klären, sondern vor allem die mit autonomem Fahren verbundenen Vorteile zu kommunizieren.

Innerhalb der elf europäischen Länder, aus denen die Befragten stammen, rangiert Deutschland in Sachen "Spaß am Fahren" an erster Stelle, jedoch beim Punkt "Aufgeschlossenheit gegenüber autonomen Fahrzeugen" an der letzten. Zu groß scheint hierzulande also die Freude am Selbstfahren zu sein, als dass viele Menschen das Steuer so ohne weiteres aus der Hand geben und auf Technik vertrauen wollten.

Dabei klingen die künftigen Möglichkeiten autonomen Fahrens durchaus verlockend, wie sie zum Beispiel Goodyear-Geschäftsführer Jürgen Titz bei der Präsentation der Mobilitätsstudie "ThinkGoodMobility" aufzählte. Unter anderem könne man nicht nur Emails checken, sondern sich Taxifahrten sparen oder sogar die Sonntagsbrötchen vom autonomen Fahrzeug eigenständig holen lassen - dazu müssten nur der Einkaufszettel und Geld auf dem Sitz liegen. Es stelle sich laut Titz also die Frage: "Wollen wir die Effizienzgewinne solcher legalen Möglichkeiten, oder wollen wir unbedingt die volle Kontrolle behalten?"

Laut Goodyear-PR-Direktorin Kerstin Flötner hat die Studie trotz aller in Deutschland nachgewiesenen Skepsis auch ergeben: "Zunächst war das Level sehr hoch, aber bei näherem Nachdenken wurden die Befragten immer aufgeschlossener." Deshalb müsse sich etwa die Autoindustrie darum kümmern, dass die Menschen die Vorteile autonomen Fahrens sehen und begreifen. Flötner: "Das ist zu schaffen, da bin ich optimistisch." Zu den dabei hilfreichen Chancen der neuen Technologien gehört es laut Prof. Uwe Clausen, Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik, zum Beispiel, die Zahl der Verkehrstoten von jährlich in Deutschland rund 3.300 drastisch senken zu können. Dies bestätigt in München Dr. Tobias Nickel vom Vilsbiburger Zulieferer Dräxlmeier. Wegen der zu erwartenden drastischen Verringerung von Verkehrsunfällen rechne er mit einem Wandel beim typischen Geschäftsmodell der Autohändler, denn diese würden heute mehr mit Service und Reparatur von Fahrzeugen verdienen als mit deren Verkauf.

Erklärungsversuche für die große deutsche Skepsis gegenüber autonomen Fahrzeugen gibt es viele. Für Nickel liegt ein möglicher auf der Hand: "Wir sind ein Exotenland, ohne Tempolimit und mit ungewöhnlich vielen Premium-Fahrzeugen." Wer gerade mit 250 km/h über die Autobahn gefahren ist, ist laut Nickel nicht so leicht für autonomes Fahren zu begeistern. Auch er sieht in dem Megatrend trotzdem große Chancen, die es nun zu vermitteln gelte. Das zeige sich zum Beispiel bei der aktuellen Entwicklungsarbeit von Dräxlmeier, bei der Fachleute ständig an den Innenräumen für künftige Modelle von Marken wie Audi, BMW, Jaguar, Maserati, Mercedes, Porsche oder VW arbeiten.

Die verlockenden Zukunftsperspektiven zum Interieur autonomer Fahrzeuge reichen laut Nickel bis hin zur Schlafstätte für längere Strecken - wie etwa beim Flugzeug. Alle Fensterflächen rundum werden künftig zu Bedien- und Anzeigeflächen, weil sich die Insassen und vor allem der Fahrer nicht mehr vor allem nach vorne orientieren müssen. So werde die Mobilität der Zukunft einen fundamental anderen Innenraum mit sich bringen, als wir ihn heute kennen. Dass Dr. Tobias Nickel deshalb kein uneingeschränkter Optimist in Sachen autonomes Fahren ist, belegt er mit dem deutlichen Hinweis auf die zahlreichen juristischen Fragen, die es noch zu klären gelte.

Zu den weiteren Chancen des Megatrends autonomes Fahren zählt er außerdem die mögliche Entzerrung des Straßenverkehrs. Studien zum Thema würden immer wieder einen deutlich besseren Verkehrsfluss vorhersagen. Dies klinge deshalb absolut überzeugend, weil zum Beispiel alleine in Köln der tägliche Parksuchverkehr eine Länge von 14.000 Kilometer habe. Dies lasse sich ebenso durch eigenständig fahrende Fahrzeuge verringern, wie der Zeitaufwand für viele Tätigkeiten, die sich heute noch nicht legal mit der Fahrt vereinbaren lassen - von der Nutzung des Internets übers Lesen und Fernsehen bis hin zur Nahrungsaufnahme.

Für den Umgang mit der in Deutschland festgestellten großen Skepsis gegenüber autonomen Fahrzeugen hat Kerstin Flötner bei der Präsentation der Studie "ThinkGoodMobility" entscheidende Schlussfolgerungen parat. Man müsse sich auf den menschlichen Faktor konzentrieren und die Bedeutung der Straße als soziales Interaktionsfeld begreifen: "Sobald die Fahrer einen klaren Nutzen für die Verkehrssicherheit und ihre individuelle Mobilität erkennen, sind sie eher bereit, sich der neuen Technologie zu öffnen."

Ralf Schütze / mid

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