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Autosalon in Genf: 87, aber noch lange nicht in Rente (Teil 1)

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  • 17. Februar 2017, 15:17 Uhr
  • Michael Kirchberger

Der Autosalon in Genf ist auch in seiner 87. Auflage eher von Leistungsjagd als nachhaltiger Mobilität geprägt.

Es ist wohl die traditionsreichste Autoausstellung der Welt, der Genfer Salon, der in diesem Jahr seine 87. Auflage erfährt. Und immer ging es ereignisreich zu am Westende des Sees, den die französischsprachige Bevölkerung Lac Léman nennt und in dessen Wassern manche PR-Tragödie ihr ebenso nasses wie verschwiegenes Ende gefunden hat.

Das Genfer Pflaster ist teuer, vor allem zu Messezeiten. 500 Euro für eine Nacht im Hotelzimmer sind ein stolzer Preis. Vor allem aber, wenn die Hoteliers während des Salons auf eine Mindestbuchungsdauer von fünf Tagen pochen. Solange will weder der beruflich noch der privat interessierte Besucher durch die Auto-Ausstellung im kompakten Hallen-Ensemble direkt neben dem Flughafen wandeln.

Die Dramen finden ohnehin gleich zu Beginn der Messe statt. Auf den Ständen der Aussteller und bei abendlichen Empfängen werden sie inszeniert, das Produkt steht dabei nicht immer im Fokus. Im Ballsaal des Genfer Hotels La Reserve verkündete der Saab Vorstand im Jahr 2000, dass man von Stund' an zum großen amerikanischen GM-Konzern gehöre. Nicht nur auf dem Podium kullerten dabei die Tränen. Später wurde bei anderen Marken Prahlhans Küchenmeister. Ganze Schiffe wurden gechartert und vorzugsweise Medienvertreter unter gleichzeitigem Abhalten rauschender Champagnerfeten über den See geschippert. Musik auf allen Decks und die Präsenz von zahlreichen Schönheitsköniginnen stellten damals wirksam klar, dass es hier fachlich um rein gar nichts ging.

Was gut war, denn kaum etwas wird in Genf mehr gehasst als das Automobil. Der Weg in die Stadt oder aus ihr heraus ist, abhängig von der Tageszeit, ein mehrstündiges Unterfangen. Allenfalls der Busverkehr mit seinen Prioritäts-Fahrbahnen kann den Takt zumindest ansatzweise halten. Noch schneller geht es im Berufsverkehr nur auf zwei Rädern, für die jedoch Mut und eine gewisse Kälteresistenz notwendig sind. Denn die Temperaturen können zur Salon-Zeit Anfang März am Lac Léman noch ziemlich frisch sein.

Doch zurück zum Salon. Der ist 2017 vom 9. bis zum 19. März geöffnet und hat trotz seiner Bedeutung als die erste und damit zunächst wichtigste europäische Auto-Schau des Jahres eine ordentliche Portion seiner Originalität eingebüßt. Zählten früher noch Aussteller wie der Designer und Tüftler Franco Sbarro mit Spezialitäten wie einem nabenlosen Rad oder der Vordenker Frank M. Rinderknecht mit immer wieder überraschenden Ideen zu den Glanzlichtern der Messe, hat der Mainstream die Exponate heute wenn nicht über-, so doch zumindest eingeholt. Leistung, scharfe Formen und ein wenig Elektromobilität mit Feigenblatt-Funktion sind die immer deutlicher werdenden Tendenzen in Genf. Sbarro ist längst zur Normalität zurückgekehrt, Rinderknecht feierte die Premiere seiner Studie Oasis lieber in Los Angeles als in der Schweiz. Gleichwohl deutet der Salon die Entwicklung des noch jungen Autojahres an, hier werden erste Kundenmeinungen und das Kaufinteresse ausgelotet.

Alfa Romeo zelebriert die Europa-Premiere des Stelvio, der mit den zu erwartenden erklecklichen Absatzzahlen den dringend erforderlichen Erfolg für die Marke erzielen soll. Das immer weiter boomende SUV-Segment wird es wohl richten. Audi bringt den 400 PS starken RS 3 Sportback mit nach Genf, die Maxi-SUV-Studie Q8 concept haben die Ingolstädter ebenso im Gepäck. Alpina stellt den B5 für all jene vor, die nicht auf die entsprechenden M-Modelle des 5er BMW warten wollen. Begehrlichkeiten wecken die Münchner unterdessen mit dem 5er-Kombi. In Genf feiert er Premiere, im Juni kommt er zu den Händlern. Sein Ladevolumen ist auf 570 bis 1.700 Liter gewachsen, 4,94 Meter Länge genügen dafür. Das Touring-Modell startet mit vier Motoren, die Benziner leisten 252 und 340 PS, die Diesel bringen es auf 190 und 265 PS. Die Preise reichen von 47.700 bis 62.800 Euro.

Zwei Konzeptfahrzeuge führt Citroen auf dem Messestand im Palexpo vor. Das 4,15 Meter lange Citroen C-Aircross Concept zitiert die Formen vergangener Studien und könnte auch unter dem Label der PSA-Designmarke DS eine gute Figur abgeben. Das Space-Tourer 4X4 Ë Concept dagegen will zeigen, wie aus einem Nutzfahrzeug ein stylishes Lounge-Gefährt werden kann. DS selbst stellt das Kompakt-SUV DS7 vor, das bereits vor drei Jahren auf der Auto-China als Studie debütierte. Ferrari zeigt den 812 Superfast, den stärksten und schnellsten Sportwagen der Markengeschichte mit Frontmotor. 800 PS leistet der 6,5 Liter große V12, 718 Newtonmeter Drehmoment stellt er bereit.

Ford setzt beim neuen Fiesta auf Wachstum. Rund sieben Zentimeter länger ist der Kleinwagen geworden, diesen Schritt geht der Radstand jedoch nicht, weshalb sich das Raumangebot innen kaum verbessert. Mitte 2017 kommt er zu den Händlern und soll um 14.000 Euro kosten. Anders liegt der Fall beim neuen Korea-Mini: 15 Zentimeter mehr Radstand machen den erneuerten Kia Picanto bei gleicher Außenlänge (3,60 Meter) geräumiger. Der Kleinstwagen hat maximal 1.010 Liter Kofferraumvolumen, 140 mehr als bislang und bekommt in der dynamischen GT-Version eine Handvoll sportliche Gene auf den Weg, der mit rund 10.000 Euro für die Basisversion beginnt.

Der Civic Type-R ist der Blickfänger auf dem Honda-Stand. Deutlich über 300 PS machen den gewachsenen Kompaktwagen weiterhin zu einem Überflieger in seiner Klasse, er segelt in großer Höhe mit Golf R oder Focus ST um die Wette. Marktstart des bösen Buben: September 2017. Die Studie NeuV (New Electric Urban Vehivle) fährt nicht nur emissionsfrei durch die Stadt sondern reagiert auf die Stimmungslage ihres Fahrers. Der Fuel Cell Clarity schließlich kommt mit einer Wasserstoff-Tankfüllung und Brennstoffzelle mehr als 600 Kilometer weit. Hyundai zeigt in Genf den erfolgreich gestarteten i30 als Kombi, der 540 bis 1.700 Liter Ladevolumen mitbringt. Zu haben sind alle Assistenten, die bereits beim Schrägheckmodell gefallen haben und die Vernetzung über Android Auto oder Apple CarPlay. 19.000 Euro wird die Basisversion mit 100 PS wohl kosten.

Jaguar stellt den I-Pace ins Rampenlicht und elektrifiziert das Crossover-SUV mit einer 90 kWh-Batterie und einem passenden E-Motoren-Duo. Einer an jeder Achse ermöglicht eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in vier Sekunden. Die Studie ist ein Vorreiter des Serienmodells, das 2018 für 70.000 Euro auf den Markt kommen soll. Die Schwestermarke Land Rover will an den Erfolg des Evoque anknüpfen und siedelt das SUV-Coupé auf der Basis des Jaguar F-Pace oberhalb des Bestsellers an.

Fortsetzung in Teil 2

Michael Kirchberger / mid

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