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Kia Niro: Hybrid nicht nur für Überzeugungstäter

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  • 31. März 2017, 09:06 Uhr
  • Thomas Schneider

Bei vielen Hybrid-Autos ist der moderne Antrieb unterm Blech den Herstellern scheinbar nicht genug. Und so geben sie sich alle Mühe, das umweltfreundliche Image auch über das Design und die verwendeten Materialien zu transportieren. Das Ergebnis ist nicht selten eine der berüchtigten Öko-Schaukeln, die sich im Prinzip nur für Überzeugungstäter eignen. Beim Kia Niro ist das anders.

Bei vielen Hybrid-Autos ist der moderne Antrieb unterm Blech den Herstellern scheinbar nicht genug. Und so geben sie sich alle Mühe, das umweltfreundliche Image auch über das Design und die verwendeten Materialien zu transportieren. Das Ergebnis ist nicht selten eine der berüchtigten Öko-Schaukeln, die sich im Prinzip nur für Überzeugungstäter eignen. Beim Kia Niro ist das anders.

"Erfrischend konventionell" trifft als Beschreibung wohl am besten. Denn die Koreaner versuchen bei dem ausschließlich mit Benziner plus E-Maschine angebotenen Crossover gar nicht erst, das Rad neu zu erfinden, lassen unnötigen Chichi weg und konzentrieren sich auf das Wesentliche: ein alltagstaugliches, bequemes und sparsames Auto zu bauen. Damit ist der Niro ein Hybrid für die breite Masse, nicht übertrieben extravagant, aber doch schick und grundsolide. Mit diesem Rezept fährt ein gewisser VW Golf seit mehr als vier Jahrzehnten ziemlich gut.

In einem Punkt ist der Niro den deutschen Vertretern in seiner Klasse sicherlich überlegen. Nein, gemeint ist ausnahmsweise nicht die Garantie über sieben Jahre, obwohl die natürlich auch für den Hybrid-Crossover gilt, sondern die Serienausstattung. Diesbezüglich gibt sich Kia beim Niro besonders spendabel: Schon in der Basis "Edition7" zum Preis ab 24.990 Euro sind unter anderem eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik, Audiosystem mit 5-Zoll-TFT-LCD-Display, Tempomat, elektrische Fensterheber vorn und hinten, ein in Höhe und Tiefe verstellbares Multifunktionslenkrad, Nebelscheinwerfer und 16-Zoll-Leichtmetallfelgen an Bord.

Darüber hinaus gibt es auf Wunsch allerlei Features, die man in diesem Preissegment nicht wirklich erwartet. Ob ein Premium-Soundsystem von JBL, elektrisch einstellbarer Fahrersitz mit Memory-Funktion, Sitzventilation, beheizbares Lederlenkrad oder induktive Ladestation für Smartphones. Die Liste ist beeindruckend lang, und in den oberen Ausstattungslinien (Vision ab 27.790 Euro; Spirit ab 30.390 Euro) ist vieles Serie.

Doch kommen wir zum Hybrid-Antrieb, der ja das hervorstechende Merkmal des Niro ist. Hier arbeiten ein 77 kW/105 PS starker 1,6-Liter-Benzin-Direkteinspritzer und eine 32-kW-E-Maschine zusammen und bringen es auf eine Systemleistung von 104 kW/141 PS und 265 Nm maximales Drehmoment. In der Stadt und über Land ist der 1,5 Tonnen schwere Wagen damit sehr flott unterwegs. Die Leistungsentfaltung ist harmonisch und bereits bei niedrigen Drehzahlen kommt der Niro flott in Schwung. Gefühlt ist er schneller als die im Datenblatt vermerkten 11,5 Sekunden für den 0-100-km/h-Sprint es vermuten lassen. Dazu trägt nicht zuletzt auch das 6-Stufen-Direktschaltgetriebe bei, das bei geschwind gesenktem Gasfuß ein oder zwei Gänge herunterschaltet.

Keine Ideallösung ist der Antrieb allerdings für Menschen, die viel und auch gerne schnell auf der Autobahn unterwegs sind. Denn bei 162 km/h Topspeed ist der Niro schon bei Richtgeschwindigkeit mit recht hoher Drehzahl unterwegs. Dadurch ist es im Innenraum nicht unangenehm laut, aber Langstrecken-Spezialisten mit etwa einem Zweiliter-Diesel können das einfach besser. Da beißt die Maus kein' Faden ab. Noch dünner wird das Garn mit Blick auf die Konsequenzen auf den Verbrauch. Denn bei durchgehend Tempo 140 wird der Hybridantrieb schnell irrelevant und der Niro genehmigt sich auch mal acht Liter und mehr auf 100 Kilometer - das ist das Doppelte des Normwerts (3,8 - 4,4 Liter/100 km).

Im Stadtverkehr dagegen kommt er dank Rekuperation und ständiger Entlastung des Benziners leicht mit rund fünf Liter Super aus. Und das ist für ein Auto dieser Größe und mit diesem Gewicht schon ein sehr guter Praxis-Wert. Weiterer Pluspunkt: Der Koreaner gibt sich mit dem gut abgestimmten Fahrwerk und der direkten Lenkung leichtfüßig und ist trotz 4,36 Meter Länge kinderleicht zu fahren, auch dank der passablen Rundumsicht.

Und auch bei den Assistenzsystemen ist der Niro im Grunde gut aufgestellt - allerdings mit leichten Abstrichen in der Praxis. Sehr löblich ist, dass Kia ab für die Basisversion ein Assistenz-Paket für schlanke 995 Euro anbietet, das einen autonomen Notbrems-Assistenten mit Fußgänger-Erkennung und einen Abstandstempomaten umfasst. In den oberen beiden Linien Vision und Spirit kommen zum Preis von 1.290 Euro noch ein Querverkehrwarner zur Erkennung von Fahrzeugen im toten Winkel beim Querausparken und ein Spurwechselassistent hinzu.

Aber: Die adaptive Geschwindigkeitsregelung bremst den Wagen nicht bis zum Stillstand ab, sondern schaltet sich - wie der Hersteller auf Nachfrage bestätigt - bei knapp unter acht km/h ganz regulär aus. Die Marken-Kollegen Sorento und Optima können das besser, also warum nicht das gleiche System auch im neueren Niro? Im Testwagen jedenfalls führte diese doch ungewöhnliche Konfiguration um ein Haar zu einem Crash beim Zurollen auf eine rote Ampel. Das muss nicht sein.

Beim Spur-Assistenten sollte Kia nochmal Hand anlegen. An der generellen Funktion gibt es nichts auszusetzen, wohl aber an der Warnung vor einer Abschaltung. Nimmt der Fahrer bei anderen entsprechend ausgestatteten Fabrikaten die Hände vom Lenkrad, bricht nach ein paar Sekunden mit wild blinkenden Lichtern und Warntönen fast die Hölle los im Innenraum. Im Niro gibt es lediglich ein kleines Leuchtsymbol hinter dem Lenkrad und einen Warnton, der schon bei mittlerer Musiklautstärke kaum zu hören ist. Daimler etwa schaltet in so einem Fall das Radio einfach aus - besser ist das. Auch wenn der Niro - wie Kia zu Recht betont - nicht darauf ausgelegt ist, dass der Fahrer freihändig fährt.

Bis auf diese beiden Elektronik-Schwächen gibt sich der Kia im ausgiebigen Test aber keine Blöße. Er ist ein bequemes und praktisches Vehikel für bis zu fünf Personen. Auch in Sachen Verbrauch punktet der Hybride im Stadt- und Überland-Verkehr, die flotte Autobahn-Hatz ist aber nicht seine Sache. Und er bietet eine Ausstattung und Verarbeitungsqualität zum vergleichsweise kleinen Preis, die kaum Wünsche offenlässt. Ein echter Volks-Hybride also.

Thomas Schneider/mid

Technische Daten Kia Niro Spirit:
Fünftüriger Crossover-Kombi mit fünf Sitzplätzen, Länge/Breite/Höhe/Radstand in Meter: 4,36/1,81/1,54/2,70, Kofferraumvolumen: 373-1.425 l, Tankvolumen: 45 l, Leergewicht: 1.500 kg, Wendekreis: 10,6 m, Preis: ab 30.390 Euro.
Hybridantrieb: Vierzylinder-Benziner, Hubraum: 1.580 ccm, max. Leistung: 77 kW/105 PS bei 5.700/min, max. Drehmoment: 147 Nm bei 4.000/min. Permanent-Synchron-Elektromotor: Leistung: 32 kW bei 1.798-2.500/min , max. Drehmoment: 170 Nm bei 0-1.798/min. Systemleistung: 104 kW/ 141 PS bei 5.700/min, kombiniertes Drehmoment: 265 Nm bei 1.000-2.400 /min, 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, Beschleunigung 0-100 km/h: 11,5 s, Höchstgeschwindigkeit: 162 km/h, Normverbrauch: 3,8 - 4,4 l Super auf 100 km, CO2-Emission: 88-101 g/km, Testverbrauch: 6,5 l/100 km, Abgasnorm: Euro 6.

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