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200 Jahre Fahrrad: Teil 5 - Der plötzliche Siegeszug des Pedelecs

  • In NEW MOBILITY
  • 11. April 2017, 16:50 Uhr
  • Mario Hommen/SP-X

Ein großer Motor für die jüngere Erfolgsgeschichte des Fahrrads ist der Pedelec-Boom. Seit über 10 Jahren beglücken die E-Bikes die Fahrradindustrie mit gewaltigen Umsatzzuwächsen. Tatsächlich ist das Elektrofahrrad ein alter Hut, der vor allem von einer jüngeren technischen Entwicklung mächtig profitierten konnte.

Gefühlt sind Elektrofahrräder ein eigentlich noch junges Phänomen. Tatsächlich wurde - das moderne Fahrrad war erst wenige Jahrzehnte alt - bereits Ende des 19. Jahrhunderts an elektrisch getriebenen Rädern getüftelt. Mit der großflächigen Verbreitung elektrischer Energie ab etwa 1880 nahm die Elektrifizierung in allen Bereichen Fahrt auf. Ende der 1880er-Jahre gab es erste industriell gefertigte Akkus, die auch den Bau von Elektrowagen erlaubten. Dieses neue Prinzip wurde unter anderem auch auf das Fahrrad übertragen. Das erste Patent für ein Elektrofahrrad, das allerdings ohne Pedalantrieb war, wurde von Ogden Bolton Jr. 1895 in den USA angemeldet. Vier Jahre später hat der Deutsche Albert Hänsel das E-Fahrrad mit Pedalantrieb patentieren lassen.
 
Zur Serienproduktionen reichte es allerdings nicht. Erst in den 1930er-Jahren wurden erste Versuche unternommen, E-Fahrräder in größerer Zahl zu bauen. So produzierte die Philips-Tochter EMI ab 1932 das Simplex Elektrofahrrad in Kleinserie. Im Prinzip war dieses den heutigen E-Bikes schon recht ähnlich, allerdings fiel die Batterie vergleichsweise mächtig aus, außerdem fehlte noch eine ausgeklügelte Leistungselektronik. Parallel wurde in England an einer Konstruktion mit Nabenmotor am Hinterrad experimentiert, die auf das Rekuperationsprinzip setzte.
 
Erst nach dem zweiten Weltkrieg verbreiteten sich Fahrräder mit Hilfsmotoren in größerer Zahl. Angetrieben wurden diese allerdings von Miniaturverbrennern. Recht erfolgreich war ab 1949 unter anderem das aus britischer Produktion stammende Cyclemaster. Doch der Boom der motorisierten Fahrräder ebbte in den 1950er-Jahren schon wieder ab. Letztlich erschienen die schwachen Antriebe im Vergleich zu stärker motorisierten Zweirädern unattraktiv.
 
In den frühen 1970er-Jahren gab es dann wieder neue Ansätze, elektrifizierte Fahrräder zu bauen. In Japan stellte etwa Panasonic einen Prototypen vor, der heutigen Pedelecs schon recht ähnlich war. Als Antwort auf die Ölkrise brachte dann die Sindelfinger Firma Solo das Elektromofa Electra 720, welches zumindest in kleiner Stückzahl sogar auf die Straße kam. Auch in den 1980er-Jahren wurde vielerorts weiter an E-Fahrrädern gebastelt, die sich meist durch viel Gewicht und wenig Reichweite auszeichneten und nicht über den Prototypenstatus hinausgelangten.
 
Ein wichtiger Schritt zum modernen E-Bike war 1982 die Patentanmeldung für das Pedelec-Prinzip durch Egon Gelhard. Seine Idee: Die Motorunterstützung abhängig von der Tretleistung zu machen. Erstmalig eingesetzt wurde dieses Prinzip allerdings erst 1990 von der Schweizer Firma Velocity.
 
Wie schon Anfang der 1950er-Jahre kamen um 1990 herum wieder motorisch unterstützte Räder in Mode. Neben der Saxonette mit Verbrennungsmotor war auch das Elektrofahrrad Hercules Elektra recht erfolgreich. Dieser namhafteste Vertreter der neuen Elektro-Velos, bei denen der Fahrer radeln kann, aber nicht mehr schwitzen muss, blieb bis Mitte der 1990er-Jahre das meistverkaufte E-Bike in Europa. Später beherrschten Kynast und Yamaha den noch überschaubaren E-Bike-Markt. Yamahas wichtiger Beitrag war die Entwicklung des Power-Assist-Systems PAS, bei dem mithilfe eines Sensors die Muskelkraft gemessen wurde und dieser Impuls die Unterstützung des Motors regelte.
 
2001 wurde dann mit dem Sparta Ion der Prototyp eines erstmalig als Pedelec bezeichneten E-Fahrrads vorgestellt. Hier war der Akku versteckt, der Motor in der Hinterradnabe. Zwei Jahre später kam das Ion in den Markt, das trotz seines Namens auf eine Ni-Mhd-Batterie setzte. Parallel eroberte in dieser Zeit die besonders leistungsfähige Lithium-Technik die Akku-Welt. Ab etwa 2005 verhalf dieser junge Batterie-Typ auch den Pedelecs und E-Bikes zum Durchbruch. Seither kamen in sehr kurzer Zeit eine Vielzahl neuer E-Bike-Typen mit zunehmend verfeinerter Technik und eleganterem Design auf den Markt. Vor allem die geschmeidiger arbeitenden Antriebe und immer größere Reichweiten, beispielsweise von Bosch, leisteten bei Kunden große Überzeugungsarbeit. Zunächst erfreute sich der eingebaute Rückenwind vor allem bei älteren Menschen zunehmender Beliebtheit, doch schnell eroberte das Pedelec-Prinzip immer neue Segmente und immer größere Kundenkreise. Allein in den Jahren 2012 bis 2016 hat sich in Deutschland die Zahl der Pedelecs von 1,3 auf 2,8 Millionen mehr als verdoppelt. Heutzutage sind sie eine Selbstverständlichkeit, mit denen selbst eingefleischte Beinarbeiter kokettieren. Viele Radfahrer sehen das Pedelec nicht mehr im völligen Widerspruch zu einem aktiven und sportiven Lebensstil.

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