Motorrad

Panorama: Yamaha trifft Abarth - Schnelle Brüder im Geiste

  • In MOTORRAD
  • 21. April 2017, 16:35 Uhr
  • Ulf Böhringer/SP-X

Wenn zwei dasselbe tun, kann durchaus Ähnliches dabei herauskommen. Fiat hat die limitierte XSR-Sonderversion des Abarth 695 aufgelegt und Motorradhersteller Yamaha veredelte seine XSR 900 zu einer Abarth-Version.

Man kann es für reine Albernheit halten, ein ,,Abarth"-Bike zu präsentieren und von einem Kleinwagen eine Sonderserie aufzulegen, die an ein Motorrad erinnert, scheint auch nicht viel klüger. Zwei 50-Kilometer-Runden im kurvigsten Südzipfel Sardiniens später ist man allerdings schlauer. Die in Pista Grau lackierte Yamaha mit roten Applikationen und die im selben Outfit antretende, 165 PS starke Rennsemmel entwickeln eine unerwartete Anziehungskraft.

Den Abarth 695 XSR ziert unter anderem hinter der Handbremse eine am Mitteltunnel befestigte Plakette mit der laufenden Fertigungsnummer. Auch die Yamaha trägt eine Fertigungsplakette, sie ist rechts am Rahmen befestigt. Auch bei ihr endet deren Ziffernfolge bei 6-9-5. Mehr Motorräder gibt es nicht, während es bei den Autos doppelt so viele sind, denn Limousine und Cabrio mit Stoffverdeck zählen einzeln.
 
Seit 2007 ist Fiat Sponsor des Yamaha-MotoGP-Teams. Und zu Fiat gehört Abarth, wo man spröde Serienmodelle in hochemotionale Spaßautos verwandelt. Ähnliche Überlegungen leiten Yamaha bei der Abwandlung seiner MT-Baureihe, aus denen im Sinne der Faster-Sons-Philosophie XSR-Versionen geschnitzt werden. Jetzt gilt es nur noch beide Aspekte zusammenzuführen. Und exakt das ist im Falle XSR-Abarth passiert.
 
Die Herangehensweise der beiden Firmen ist ähnlich, denn wesentliche technische Veränderungen gegenüber dem jeweiligen Basismodell finden sich weder beim Abarth 695 XSR noch bei der Yamaha XSR900 Abarth. Es sind die Applikationen, die den Unterschied machen - Kohlefaser-Bauteile, Farbdesign und Ausstattungs-Finessen. Der Abarth 695 XSR basiert auf dem Modell 595 Turismo (22.290 Euro), wird durch edlere Materialien wie Alcantara, etwas Karbon, hochwertigere Räder und eine upgedatete Infotainment-Anlage aufgewertet. Bei der Yamaha ändert sich aufgrund des neuen Lenkers in M-Form die Sitzposition gegenüber dem Basismodell erheblich: Die wesentlich tiefer montierten Lenkergriffe bringen den Piloten in eine gestrecktere, ja gebückte Haltung und infolgedessen auch mehr Gewicht aufs Vorderrad. Das wiederum hat durchaus Auswirkungen aufs Fahrverhalten, denn die vorzügliche Balance der XSR900 ist der Abarth-Version nicht mehr zu Eigen. Hier ist der Fahrer gefordert und dann klar im Vorteil, wenn er die Einstellmöglichkeiten des Federbeins, aber auch die der Telegabel auszureizen versteht.
 
Mit ihrer Cockpit-Verkleidung, den unterhalb der Gabelbrücke monierten Lenkergriffen und dem sehr schlanken Heck mit serienmäßiger Soziussitz-Abdeckung aus Karbon sieht die Yamaha XSR900 schon im Stand verdammt schnell aus. Und das ist sie auch, denn die 115 PS/85 kW des Dreizylindermotors haben es mit lediglich 195 Kilogramm Fahrzeuggewicht zu tun. Addiert man zu diesem weitere 90 Kilo für einen voll ausgerüsteten Piloten, ergibt sich ein Leistungsgewicht von knapp 2,5 Kilogramm pro PS; der mit 165 PS keineswegs untermotorisiert wirkende Abarth kommt wegen seines Gewichtes von 1.110 Kilo auf einen Wert von 6,7 Kilogramm/PS. Beschleunigungsduelle entscheidet die Yamaha deshalb klar zu ihren Gunsten.
 
In ihrem Element ist die Yamaha, solange die Straße großzügig ausgebaut ist und die Kurvenradien ein Tempo von mindestens 90 km/h zulassen; hier kann sie ihr überlegenes Leistungsgewicht ausspielen und das Abarth-Raubtier auf Distanz halten. Nicht dass der Abarth, engagiert gefahren, so einfach ,,abgefrühstückt" werden könnte, aber dennoch: Ein schneller Zweiradpilot wird unter solchen Umständen mehr oder minder klar die Oberhand behalten.
 
Ein wenig anders sieht es aus, wenn es darum geht, beispielsweise die extrem kurvige Provinzstraße Nummer 71 entlang der sardischen Südküste möglichst schnell zu befahren. Hier spielt der Abarth die Haftung seiner vier Räder aus, und zwar erst recht, wenn die Straße feucht oder gar nass ist. Zwar flackert die ESP-Anzeige je nach Einsatz des Gasfußes mehr oder minder häufig, doch hält die Elektronik den tiefergelegten, auf breiten 205/40er-Reifen auf 17-Zoll-Felgen rollenden Abarth XSR jederzeit sicher auf Kurs. Zwar verfügt auch die Yamaha über eine Traktionskontrolle, doch ist auf ihr beim gleichen Straßenzustand wesentlich mehr Zurückhaltung angesagt, denn vom heftigen Regen auf den Asphalt geschwemmte Steine mag man mit ihr nicht touchieren, mit dem Abarth spielt das keine wesentliche Rolle. Schneller macht die Yamaha auch die gestreckte Sitzhaltung auf der Abarth-Version nicht: Das Umfahren enger Kurven, wie sie hier zuhauf und in den unterschiedlichsten Radien lauern, ist anspruchsvoller als mit der XSR-Basisversion.
 
Nach zweimal 50 Kilometern kurvigster Strecke - mehr als ein Achtel Auge für die landschaftliche Schönheit dieses Küstenabschnitts blieb dabei leider nicht - nehmen wir erneut den Abarth XSR Yamaha Special Edition in Augenschein. Da schau her! Wie die Yamaha, so weist auch er eine zweiflutige Akrapovi?-Auspuffanlage auf; die beiden Endrohre sind aus Kohlefaser. Auch sie ist klappengesteuert, und sie sorgt für einen gleichermaßen aufregenden Klang wie die am Zweirad montierte slowenische Sound-Machine. An beiden Fahrzeugen finden sich weitere Karbonteile: An der Yamaha bestehen die Cockpitschale, die Soziussitzabdeckung und die Kotflügel aus dem federleichten Werkstoff, der Abarth stellt das hochwertige Material im Armaturenbrett permanent zur Schau. Vorausgesetzt, der Käufer legt auf den Basispreis des Abarth 695 XSR Yamaha Limited Edition von 24.890 Euro für diese Sonderausstattung weitere 990 Euro drauf; eines der 695 Cabrio-Exemplare ist für 27.490 Euro zu haben. Auch fürs Cabrio sind weitere Extras im Angebot. 12.595 Euro verlangt Yamaha für sein auf 695 Stück limitierte Retro-Special mit Café-Racer-Design. Natürlich lässt sich der Motorradpreis ebenfalls noch steigern: Nicht weniger als 41 Zubehörteile bietet Yamaha an, von der Kühlerabdeckung über diverse Billet-Teile bis hin zum hochwertigen Öhlins-Federbein.
 
Zwei schnelle Brüder im Geiste sind es geworden, die schicke Yamaha und der graue italienische Kugelblitz-Skorpion. Beide sehr fahraktiv und dynamisch, und beide sind rar. Gerade mal 140 Motorräder sollen den Weg nach Deutschland finden, und bei den ,,vierrädrigen Motorrädern" werden es wohl kaum mehr sein. Wäre eigentlich ganz cool, wenn man beide zusammen erwerben könnte.

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