New Mobility

Norwegen fährt in der Elektromobilität vor - Mit dem Leaf im Blätterwald

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  • 18. Mai 2017, 12:24 Uhr
  • Alexandra Felts/SP-X

Durch gezielte Förderung und staatliche Steuerung zählt Norwegen längst zu den Musterschülern der alternativen Mobilität. Wer durch Oslo fährt, erlebt eine mobile Messe der aktuellen E-Modelle - allen voran Platzhirsch Nissan Leaf.

Erstaunlich, wie schnell man sich an den Anblick gewöhnt und aufhört, die Exemplare zu zählen: Tesla, Tesla, Tesla, Leaf, Zoe, Leaf, i3, i3, E-Golf. Nur den "Think" - ein 1990 in Norwegen konzipiertes Minielektroauto - entdeckt man im Osloer Straßenbild nicht. Die Fertigung wurde 2011 eingestellt. Dafür sind alle anderen Marken da. Es kommt einem auch vor, als würden in fast allen Straßen auch noch Ladestationen so häufig wie Parkuhren bereitstehen. Blickt man aufs Navi, quirlt es nur so vor den kleinen weißblauen Steckerzeichen. So sieht also die Zukunft aus, wie man sie sich auch in der Berliner Politik für den innerstädtischen Verkehr wünscht. Für Befürworter der raschen Elektrifizierung der Mobilität ist Norwegen das Paradebeispiel für den gelungenen Übergang von Verbrennungsmotor zu Batterie.

"Wir haben selbst keine Autohersteller", schränkt Christina Bu das skandinavische Vorzeigeprojekt mit feinem Lächeln ein. Die Generalsekretärin der norwegischen Vereinigung für Elektromobilität ist wo etwas wie Lobbyistin und mit rekordverdächtigen 40.000 Mitgliedern Vertreterin der E-Autofahrer in Personalunion. "Unsere Politiker haben vor einigen Jahren verstanden, dass man die Nachfrage nur durch staatliche Förderungen und kommunale Anreize schafft." Wer ein Elektroauto - in Norwegen sind auch einige Wasserstofffahrzeuge unterwegs - erwirbt, muss dann weder die satten 25 Prozent Mehrwertsteuer noch die sogenannte Anschaffungssteuer bezahlen. Zum Vergleich: Aber allein schon 80 Prozent der in Norwegen verkauften Volkswagen sind Plugin-Hybride. Dass die teure Limousine Tesla S gefühlt so oft anzutreffen ist, wie in Deutschland ein Golf, liegt daran, dass sie mit diesem Verzicht des Finanzministeriums billiger ist, als ein konventioneller BMW der Fünfer-Reihe hierzulande - umgerechnet 75.000 Euro. "Seit 2010 haben wir so die Zahl der E-Autos im Land auf 110.000 Stück erhöht. Tendenz steigend. Das ist mehr als ein Prozent der gesamten Pkw." Auch die Norweger lieben SUVs und Kombis, deswegen wünscht sie sich mehr Elektromodelle in diesen Segmenten von den Herstellern. Aber weil man sich auch emissionsfrei im täglichen Stau der boomenden Metropole Oslo ärgern kann, locken noch zusätzliche Angebote wie kostenlose Nutzung der Fähren und Mautstraßen. Aber vor allem dürfen sich E-Autos auch auf den Busspuren bewegen, allerdings erst ab zwei Insassen nachdem sich die Busfahrer beschwerten.

Norwegen hat sich ambitionierte Ziele gesteckt. Ab 2025 plant man, keine konventionell motorisierten Fahrzeuge mehr zuzulassen. Zugleich werden allmählich die Subventionen gesenkt, denn das Projekt E-Norwegen kostet den Staat eine dreistellige Millionensumme und durch die Schwankungen im Energiemarkt hat das Öl- und Gasreiche Land in den letzten Jahren Einnahmen eingebüsst. Andererseits bezieht das Berg- und Fjordreich 95 Prozent seiner Energie aus der Wasserkraft. "Woran wir noch arbeiten müssen", sagt Frau Bu, "ist ein Netz für das ganze Land. Derzeit gibt es 850 Schnellladestationen. Unser Ziel ist ein Supercharger pro hundert Autos. Ideal wäre dann auch in Zukunft eine optimale Versorgung mit den noch schnelleren 150 kW-Geräten." Schon jetzt kann man bei Shell-Tankstellen, McDonalds-Filialen und bei Ikea laden.

Mitte Mai liegen am berühmten Holmenkollen auf 1.350 Meter mit Skischanze und Panoramablick auf Oslo nicht wenige Schneereste. "Ich frage jeden Leaf-Interessenten vorher, wie weit sein Weg zur Arbeit ist. In unserem Winter bedeutet das schnell eine maximale Reichweite von nur mehr 80 Kilometer", erzählt Eirik Nilsen, Verkäufer bei Birger N. Haug, dem Elektro-Topseller unter Europas Nissanhändlern. Kürzlich wurde der 30.000 Leaf verkauft - der uneingeschränkte Marktführer vor Tesla. Auch der batteriebetriebene Nissan NV 200 ist unter den leichten Nutzfahrzeugen ein Star. Seine Nachfrage steigt, denn auch die Osloer Stadtverwaltung stellt ihren Fuhrpark um und ordert kräftig. "Anfangs waren unsere Kunden überwiegend Trendsetter aus dem Hightechsektor. Jetzt kommen Familien. Weit über die Hälfte sind Privatkunden." Was ihn freut: "Viele haben bei uns vorbeigeschaut, weil sie Monate auf einen Tesla warten mussten. Den Leaf gab es fast sofort. Wir müssen unsere Kunden aber auch intensiv in die Eigenschaften eines Elektroautos einführen." Weil immer mehr elektrifizierte Konkurrenz auf den Markt drängt, denke man erstmals auch über Leasingverträge mit Servicepaket nach. Inzwischen steigt auch die Nachfrage nach gebrauchten Leaf-Modellen, die Eirik in ganz Europa aufstöbern muss - zu einem Endkundenpreis von gut 14.500 Euro.

Auch Taxen sind inzwischen elektrisch unterwegs. Für Krankenfahrten beispielsweise schreiben manche Kliniken und Pflegeeinrichtungen Fahrten mit einem E-Auto vor. Ein sicheres, lukratives Vertragsgeschäft für die Unternehmen der Branche.

"Denken Sie nicht, dass es einfach war, diese Politik umzusetzen", sagt Ola Elvestuen, liberaler Abgeordneter im norwegischen Parlament und als ehemaliger Vizebürgermeister von Oslo einst an der Schaltstelle der Elektrifizierung. "Es herrschte kein automatischer Konsens. Das alles ist das Ergebnis zäher Verhandlungen. Wir streben das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens an, bis 2030 Emissionen um 40 Prozent zu senken. Aber wir dürfen auch unseren Haushalt nicht überstrapazieren. Denn unser Markt ist zu klein, um allein den Wandel zu stemmen", sagt er mit Blick auf Deutschland und seine Autobauer. "Aber genauso wichtig ist auch, die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs zu fördern. Die Lkw nutzen Biodiesel und wir haben die erste elektrische Fähre." Aber noch langwieriger, erinnert er sich lachend, waren die Verhandlungen, ehe man durchsetzten konnte, dass die Osloer Verkehrsbetriebe im Interesse des Gesamtkonzepts nachhaltiger Mobilität ihre Fahrkartenpreise um 20 Prozent senken mussten.

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