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Im Gespräch mit Kia-Designer Peter Schreyer - Die Zukunft muss nicht anders aussehen

  • In AUTO
  • 19. Mai 2017, 11:57 Uhr
  • Michael Gebhardt/SP-X

Elektro-Fahrzeuge werden oft übertrieben futuristisch gezeichnet, und selbstfahrende Autos kommen nicht selten als seltsam anmutende Transportkapseln daher. Das muss nicht sein, findet der Chef-Designer des Hyundai-Konzerns.

Die Autoindustrie, da sind sich alle einig, steht an einem Wendepunkt: Nach über einhundert Jahren, in denen ein Verbrenner den vom Fahrer gesteuerten Wagen angetrieben hat, stehen nun Elektroantrieb und autonomes Fahren in den Startlöchern. Das wirkt sich auch auf das Design aus: Manch Stromer scheint schon heute wie aus einem Science-Fiction-Film und schaut man sich auf den Messen um, was zum Thema selbstfahrendes Auto gezeigt wird, sieht man reichlich radikale Konzepte. Ohne Lenkrad, mit Lounge-Atmosphäre oder fahrende Büros. Doch wenn es nach Star-Designer Peter Schreyer geht, hat das ,,alte Design" noch lange nicht ausgedient.

Schreyer weiß, von was er spricht. Mit wegweisenden Modellen wie dem VW Golf IV, dem New Beetle und nicht zuletzt dem schon zu seiner Bauzeit als Ikone geltenden ersten Audi TT hat sich der Oberbayer im Volkswagen-Konzern seine Sporen verdient, ehe er 2006 von den Koreanern abgeworben wurde. Sein Auftrag: Das etwas hinterherhinkende Kia-Design auf Vordermann zu bringen. Dass dem inzwischen auch für Hyundai verantwortlichen und zum Präsidenten des Konzerns aufgestiegenen Kreativen das gelungen ist, zeigt schon ein Blick auf die Absatzzahlen. Die haben sich fast verdreifacht, seit Schreyer in Seoul den Bleistift schwingt. Und er gibt sich selbstbewusst: ,,Andere zu kopieren haben wir nicht mehr nötig", erklärt der Ingolstädter beim Besuch einer Korea-Ausstellung in der Neuen Pinakothek München, wo auch sein Erstlings-Werk für Kia, die Studie Kee ausgestellt wird. Mit dem Concept Car von 2007 hat Schreyer den Grundstein für den Tigernose-Grill gelegt, ein bis heute bei Kia verwendetes Stilelement. Ein markantes Gesicht, so Schreyer, sei wie die Unterschrift eines Künstlers auf seinem Werk. Es muss auch ohne Markenlogo die Identität des Autos verraten.

Genauso wichtig sind dem Designer Emotionen: ,,Dadurch wird das Auto zu etwas, was man nicht nur aus rationalen Gründen kauft, sondern weil man's haben will, weil es einem einfach gefällt." Stolz zeigt er auf seinen neuesten Wurf, den Kia Stinger: ,,Das ist doch einfach ein geiles Auto!" Dass diese Emotionen verloren gehen, wenn neue Techniken wie das autonome Fahren oder der E-Antrieb Einzug halten, fürchtet Schreyer nicht. ,,Das sagen immer alle, aber ich glaube das nicht", gibt sich der Chef-Designer zukunftsfreudig und blickt gleichzeitig zurück: ,,Wenn die Herrschaften hinten im Fond eines Rolls-Royce saßen, war das auch eine Form des autonomen Fahrens, und alles andere als unemotional."

Dass sich am Design was ändern wird, davon ist Schreyer dennoch überzeugt. Die klare Struktur, vorne ein Armaturenbrett, dahinter die Leute, wird aufgebrochen, das Interieur wird ,,gleichberechtiger" werden; es gibt nicht mehr den einen Fahrer, auf den alles ausgerichtet ist. Wie so etwas aussehen kann, sieht man zum Beispiel an Flughäfen: ,,So eine fahrerlose Bahn, die Sie vielerorts von A nach B bringt, ist ein gutes Beispiel für gleichberechtigtes Design", sagt Schreyer. Aber, und das ist ihm wichtig: So muss es nicht aussehen. Warum soll nicht auch ein Sportwagen, ein Kombi oder ein klassischer Kleinwagen alleine fahren. Nur weil es neue Möglichkeiten gäbe, so Schreyer, müssten die klassischen Formen nicht verschwinden: ,,Das wird wie bei den Wohnungen sein, die sind ja auch nicht alle gleich eingerichtet."  

Auch der Elektro-Antrieb macht dem Designer keine Sorgen. Zwar sähen viele E-Autos heute ein bisschen wie hochgebockte Kutschen aus, doch das werde sich ändern, sobald die Batterien kleiner werden. ,,Schauen Sie sich das Tesla Model S an, da sieht man, dass ein E-Auto auch mit einer klassischen Form funktioniert." Natürlich bekommen die Designer durch die neue Technik mehr Möglichkeiten: ,,Wir brauchen keinen Grill mehr, weil der Motor keine Kühlung nötig hat. Diese Freiheit kann man sich zu Nutze machen, um etwas Neues zu entwerfen. Aber: Wir müssen auch weiterhin die Freiheit haben zu entscheiden, dass das Elektroauto wie ein ganz normales Auto aussehen darf." Von dogmatischen Ansätzen hält Schreyer nämlich gar nichts: ,,Dass ein Elektroauto zwingend anders aussehen muss, ist Quatsch. Ein Benziner sieht ja auch nicht anders aus als ein Diesel."

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