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Sonst noch was? - Deutschland einig Radlerland

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  • 25. Juni 2017, 10:41 Uhr
  • Peter Eck/SP-X

Was ist nur los mit unserem einst so stolzen Autoland? In Scharen laufen die Deutschen der guten alten Auspuff-Mobilität davon. Und kaufen Fahrräder und natürlich E-Bikes. Nur, wo sind die ganzen Räder und ihre Nutzer eigentlich?

Liebe Autofahrer. Nein, was sagen wir: Liebe Auto-Enthusiasten, -Fans oder -Liebhaber (suchen Sie sich was aus), jetzt müssen Sie mal ganz, ganz stark sein. Denn heute geht es nicht um Sie, den souveränen Beherrscher aller Straßen und Verkehrssituationen. Nein, heute reden wir mal über eine stark benachteiligte, mindestens jedoch von den o.g. Luftverpestern mitleidig belächelte Gruppe von Verkehrsteilnehmern. Ja genau, die Radfahrer. Insofern Sie nun beides sind, und das soll es ja gar nicht so selten geben, müssen Sie diese mobilitätsbedingte Persönlichkeitsspaltung nun einfach mal aushalten.

Wussten Sie überhaupt, dass wir ein Volk von Radfahrern sind? Nach Angaben des einschlägigen Verbandes gibt es bei uns sage und schreibe 73 Millionen Fahrräder. Eine derart gewaltige Zahl, dass wir sie im Laufe dieses Beitrags noch zweimal wiederholen werden. Und dazu kommt jetzt ja noch der E-Bike-Hype, über drei Millionen dieser Spezies gibt es schon bei uns. Angeblich überlegt im Moment jeder fünfte Deutsche, sich bei der Radtour demnächst mit Hilfe von Strom zusätzlichen Rückenwind zu verschaffen. Wir freuen uns schon darauf, wenn wir - eine beliebte und belebte Radstrecke direkt vor der Haustür habend - demnächst während unserer eher gemütlichen Ausfahrten von Oma und Opa aus dem Nachbardorf uncharmant zur Seite geklingelt werden. Ganz bestimmt dann auch in Kombination mit einer abfälligen Bemerkung über das von uns mit einem wenig glamourösen Trekkingrad (8 lächerliche Gänge) vorgelegte Tempo. Doch, doch, Rentner können so sein. Schon jemals mit einem Golf-Plus-Fahrer eine Diskussion darüber gehabt, wer den einzig freien Parkplatz zuerst entdeckt hat? Wir schon.

Wo aber eigentlich genau befinden sich im Moment diese rund 73 Millionen Fahrräder in unserem 83-Millionen-Volk? Eigentlich müsste ja rein rechnerisch so ziemlich jeder Deutsche - von Säuglingen und Greisen mal abgesehen - immer mal wieder fröhlich zweiradeln. Nun ja, in Freiburg und Münster scheint es ja auch so zu sein. Oder in der Kölner Südstadt, wo uns radelnde Studenten und solche, die ihre Exmatrikulation bis heute nicht verwunden haben, immer wieder mit unvorhergesehenen Rad-Choreografien überraschen. Ständigen Formationswechseln etwa, die ihren Höhepunkt in einer die gesamte Straße versperrenden Dreier- oder Viererformation (nebeneinander ) finden. Eine Hand dabei lässig am Lenkrad, die andere am Wegbier. Oder der eher spontane Typ, der natürlich ohne Handzeichen zu geben, sich kurz vor der Kreuzung noch zum Linksabbiegen entscheidet, und dabei radgenau und um Millimeter an unserem Kühlergrill vorbeisaust. Und wehe, man wagt aufzumucken.

Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, die 73 Millionen Räder. Irgendwie ist es dann aber auf der erwähnten Ausflugsstrecke und auch auf dem Fahrradweg der benachbarten Landstraße wiederum nicht so richtig voll. Man könnte ganz vorsichtig daraus schließen, dass vielleicht nicht ganz so wenige Drahtesel gar nicht ganz so häufig genutzt werden, ihr Dasein vielmehr in staubigen Kellern, ölverschmierten Autogaragen oder anderen dunklen Verliesen fristen müssen. Wo sie, dies sei hier aber lobend angemerkt, immerhin im Gegensatz zu vielen Autos anderen Verkehrsteilnehmern keinen Platz wegnehmen.

Irgendwie erinnert uns das Verhältnis zwischen dem Bestand an Fahrrädern und deren Nutzung an die Menge verkaufter Kochbücher in Relation zur Zahl echter Hobbyköche. Es ist dann wohl doch eher so, dass alleine schon das Gefühl, eines der beiden Gegenstände (Rad oder Buch) gekauft zu haben, von nicht wenigen Menschen nicht als erster, sondern vielmehr schon als entscheidender und vielleicht sogar abschließender Schritt zu mehr Fitness oder gesünderer Ernährung gesehen wird. Danach, so flüstert dann das beliebteste deutsche Haustier - der innere Schweinehund - muss doch gar nicht mehr viel kommen.

Verstehen Sie uns nicht falsch, geneigter Leser. Je weniger Fahrrad- und künftige E-Bike-Fahrer rücksichtslos unsere Radwege und Innenstädte verstopfen, desto besser. (Achtung: Die Chefredaktion distanziert sich von dieser Aussage und macht darauf aufmerksam, dass es sich hier um eine plumpe Form von Ironie handelt; wir bitten von aufgebrachten E-Mails und Leserbriefen abzusehen). Und das Ernährungsverhalten uns nicht nahestehender Personen lässt uns sowieso kalt. Aber ein wenig wundern wird man sich an dieser Stelle doch mal dürfen, oder? Sonst noch was? Nächste Woche wieder.

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