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50 Jahre Hype der Kombi-Hecks fürs große Gepäck - Mit Fließheck und Freizeit-Kombis in die großen Fe

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  • 17. Juli 2017, 12:53 Uhr
  • Wolfram Nickel/SP-X

Heute ist sie in allen Fahrzeugklassen Kennzeichen familien- und freizeitfreundlicher Funktionalität und schickes Stilelement von Fastbacks. Die Heckklappe für sperriges Gepäck ist für viele Autokäufer so wichtig geworden wie ein bequemer Einstieg ins Cockpit. Eine Entwicklung, die zur Feriensaison 1967 richtig in Fahrt kam

Was für ein Sommer! In Kalifornien wagten sich 1967 die ersten Windsurfer auf den Pazifik, die Byrds und Scott McKenzie schrieben am Songbook des Summer of Love und in Europa änderten die Studentenunruhen das Wertesystem, während der Lebensstil ganz langsam Richtung Freizeitgesellschaft glitt. Eine Neuausrichtung, die auch die Automobilindustrie aufgriff, denn praktische Freizeitfahrzeuge mit variablem Laderaum und großer Hecktür waren gefragt wie nie zuvor.
 
Die Ladeluke wandelte sich vom Handwerker-Kennzeichen zum Lifestyle-Accessoire. Wer eine große Klappe hatte, zeigte diese plötzlich gerne - zum Leidwesen der Vorreiter von VW, Ford und Opel, die bis dahin vier Fünftel des deutschen Kombi-Marktes bestimmt hatten. Jetzt aber wurden anfangs unverstandene fünftürige Revolutionäre wie Renault 4 und 16 schick. Der Simca 1100 zeigte konservativen Kadett und Käfer wie moderne Kompakten aussehen müssen, der Peugeot 204 steigerte die Sensation des weltweit kleinsten Diesels durch Kombicouture und der Volvo 145 schrieb als erster Kindersicherheit groß. Sportwagen wie Maserati und Triumph fassten via Fastback-Klappe Fahrrad oder Golfbag und kleine Dreitürer wie Autobianchi Panorama, Glas 1304 CL oder Mini Countryman zeigten mit Klappe kostengünstige Extravaganz. Nicht zu vergessen die Riesenwoge amerikanischer Station Wagons, die über den Atlantik brandete.
 
Welcher Variabilitätskünstler ist der Beste? Die deutschen Kombikäufer und Freizeitsportler hatten vor 50 Jahren erstmals die Qual der Wahl, denn 42 Marken zeigten mit fast 100 meist neuen Modellreihen dem ersten Konjunktureinbruch der Nachkriegszeit durch eine große Klappe die rote Karte. Was im Sinne von Kanzler Kurt Georg Kiesinger und der von ihm geführten ersten großen Koalition in der Bundesrepublik gewesen sein muss, setzte diese doch auf die Selbstheilungskräfte der Marktwirtschaft. Kiesinger ließ sich im neu gekauften Volkswagen von seiner Frau in sein süddeutsches Feriendomizil chauffieren, schließlich waren Urlaubsreisen mit dem eigenen Auto 1967 so populär wie nie zuvor.
 
Erstmals verreiste jeder zweite Deutsche mit dem eigenen Pkw, während die Bahn nur noch ein Viertel der Urlauber beförderte. Trotz Rezession wollten die meisten Bundesbürger nicht auf die Urlaubsfreuden verzichten, dafür aber weniger Geld ausgeben. Davon profitierten vor allem Campingplätze in Süddeutschland, Österreich und Italien. Die DDR erleichterte ihren Bürgern derweil Reisen in die Tschechoslowakei durch einen Freundschaftsvertrag mit dem Nachbarland. Und exportierte den neuen Trabant 601 Universal als Devisenbringer über die innerdeutsche Grenze, wo er aber nicht einmal als Preisbrecher punktete.
 
Glücklich, wer im außergewöhnlichen heißen Sommer des Jahres 1967 sein großes Campinggepäck bequem in einen der raffinierten Ladekünstler verstauen konnte. Mit dem Geist der Hippies in einen VW T2 Bully, Ford Transit oder in einen der riesigen bis 5,60 Meter langen Full-Size-Station-Wagons mit gewaltigen V8, die damals von zehn US-Marken importiert wurden. Aber hierzulande so teuer waren, dass sogar die in Deutschland stationierten Soldaten der US-Army gerne europäische Kombis kauften. ,,Saab takes you safely home", lautete etwa ein Slogan für die in Nordamerika längst populären Schweden, die sich in Deutschland ebenso wie Volvo erst 1967 nachhaltig als Kombispezialisten etablierten. Wobei Sicherheitsoptionen wie die ersten für den neuen Volvo 145 angebotenen rückwärtsgerichteten Kindersitze kaum Nachfrage fanden. Mochten die Unfallzahlen damals immer neue Negativrekordwerte erreichen, die Deutschen investierten lieber in stattlichere und stärkere Autos statt in Sicherheitstechnik.
 
Ein Trend, von dem Sportwagen profitierten, die es jetzt vermehrt als stylishe Shootingbrakes oder mit schönen schnellen Rücken und großen Glasklappen gab. Initiiert hatten diese Bewegung Supercars wie Jaguar E-Type und Maserati Mistral, beschleunigt wurde sie durch den Jensen FF mit Allradantrieb, MGB GT, Triumph GT 6 und das winzige Honda S 800 Coupé mit hochdrehzahlfestem Motor. Das kleine Peugeot 204 Coupé wurde für die formale Fusion von Freizeittransporter mit Vmax-Konturen sogar mit dem damals wichtigsten Designpreis ausgezeichnet. Sämtliche Klischees über England als Insel der Exzentriker lassen sich an den Heckklappenträgern belegen, die vor 50 Jahren über den Kanal kamen. Britanniens Kreativität fand ihren Ausdruck in schrägen Heckmotor-Zwergen wie Hillman Imp bzw. Sunbeam Imp Sport mit klappbaren Heckfenstern.
 
Hinzu kamen drei angelsächsische Ford-Modelle, die direkt mit den Kölner Meisterstücke 12 M bis 20 M konkurrierten, nostalgische Woodies wie der Morris Minor Traveller, Badge-Engineering-Kunst durch baugleiche Kombis von Austin und Morris. Außerdem der Mini Kombi, der in deutschen Großstädten bereits Kult war, und ein feines Gespür für Noblesse, verkörpert durch Sechszylinder wie den Triumph 2000 Estate.
 
Rar blieben die Briten dennoch, das wussten die deutschen Giganten zu steuern, die nicht einmal bayerischen Extravaganzen eine Lücke ließen. Der Glas 1304 CL war deshalb glücklos, inspirierte aber nach Übernahme durch BMW immerhin zu den Touring-Modellen und der Audi 80 Variant überließ seinen Namen VW. Vor den 1967 in Mode kommenden Gartencentern - damals noch Samenhandlung genannt - wurden Hollywoodschaukel oder Gartenstühle für den Urlaub in Balkonien nach wie vor meist in dreitürige Volkswagen Variant oder Opel Caravan verladen. Nur die Italiener und Franzosen mit ihrem feinen Gespür für Formen und Familienfreundlichkeit hatten schon einen großen Freundeskreis. Der neue Fiat 124 Kombi warb als ,,Auto des Jahres" für sich, während der Sechszylinder-Fiat 2300 ebenso wie der Peugeot 404 Familie den verblassenden Charme des Trapezdesigns mit angedeuteten Heckflossen pflegte.
 
Der Renault 4 reüssierte als klassenlos revolutionäres Studenten- und Akademikervehikel, der Citroen Ami 6 Break galt ebenso wie die ID Break als dernier cri für Intellektuelle und der überraschend vorgestellte Simca 1100 war so praktisch und erfolgreich, dass er zum Urahnen der Generation Golf avancierte. Und wenn heute Fastback-Fünftürer auch anspruchsvolle Kunden begeistern, ist dies ein Erbe des Renault 16. Dieser avantgardistische Gallier verband als erste große Reiselimousine fünf Türen mit variablem Interieur und Vorderradantrieb.
 
,,Familien, erhebt Euch! Stürzt die Vati-Monarchie!", forderte ein führendes Fachblatt am Ende dieses friedlichen Hippie-Summer Of Love, der aber in Europa erste Studentenunruhen hervorgebracht hatte. ,,Dass Väter mit drei Kindern für sich ein schickes Coupé oder einen Zweitürer kaufen, ist gang und gäbe. Da ist eine Familien-Revolte überfällig!" Als sich die von dem Magazin geforderten Pragmatiker mit packendem Ende und Pforten für alle und alles endgültig durchgesetzt hatten, war allerdings schon die zweite Generation Golf im Handel und erste Vans befuhren Neuland. Nur eins blieb seit 1967 unverändert: Das Auto war weiterhin beliebtestes Reisevehikel.
 
 
 
 
In Deutschland 1967 verkaufte Modelle mit Heckklappe, Hecktür oder zu öffnendem Heckfenster:
 
Audi 80 Variant (Deutschland), Austin Mini Kombi Traveller/Austin 1100 Kombi Traveller/Austin A60 Countryman (Großbritannien), Autobianchi Panorama/Autobianchi Primula (Italien), Buick Special Station Wagon/Buick Le Sabre Estate Wagon/Buick Electra Estate Wagon (USA), Chevrolet Nova Station Wagon/Chevrolet Chevelle Station Wagon/ Chevrolet Malibu Station Wagon/Chevrolet Impala Station Wagon/Chevrolet Biscayne Station Wagon/Chevrolet Bel Air Station Wagon/Chevrolet Caprice Station Wagon/Chevrolet Suburban (USA), Chrysler Newport Wagon (USA), Citroen Ami 6 Break/Citroen Break ID 19 und ID 21 Break (Frankreich), Dodge Dart Station Wagon/Dodge Coronet Station Wagon/Dodge Monaco Station Wagon/Dodge Polara Station Wagon (USA), Fiat T 600/Fiat 124 Kombi/Fiat 2300 Familiare (Italien), Ford 12 M Turnier/Ford 15 M Turnier/Ford 17 M Turnier/Ford 20 M Turnier/Ford Transit (Deutschland), Ford Anglia Estate Super/Ford Cortina Estate/Ford Zephyr Estate/Ford Zodiac Estate (Großbritannien), Ford Falcon Futura Station Wagon/Ford Fairlane Station Wagon (USA), Glas 1304 CL (Deutschland), Hillman Imp (Großbritannien), Honda S 800 Coupé (Japan), Jaguar E-Type GT Coupé (Großbritannien), Jeep Super Wagoneer (USA), Jensen Interceptor/Jensen FF (Großbritannien), Lancia Fulvia Sport Coupé Zagato (Italien), Land Rover (Großbritannien), Maserati Mistral (Italien); Mercury Comet Station Wagon/Mercury Monterey Colony Park Station Wagon (USA), MGB 1800 GT/MGC GT (Großbritannien), Morris Mini Kombi/Morris Minor Traveller/Morris 1100 Traveller/Morris Oxford Traveller (Großbritannien), Oldsmobile F-85 Station Wagon/Oldsmobile Cutlass Station Wagon/Oldsmobile Vista Cruiser (USA), Opel Kadett Caravan/Opel Rekord Caravan dreitürig bzw. fünftürig (Deutschland), Peugeot 204 Break/Peugeot 204 Coupé/Peugeot 404 Break (Frankreich), Plymouth Belvedere Station Wagon/Plymouth Fury Station Wagon/Plymouth Satellite Station Wagon (USA), Pontiac Tempest Station Wagon/Pontiac Catalina Station Wagon/Pontiac Bonneville Station Wagon (USA), Rambler Renault Station Wagon (USA/Frankreich), Renault 4/Renault 16 (Frankreich), Saab 95 (Schweden), Scaldia 426 bzw. Moskwitsch 426 (Sowjetunion), Simca 1100/Simca 1301 Tourisme/Simca 1501 Tourisme (Frankreich), Skoda Octavia Combi/Skoda 1202 Stationswagen (Tschechoslowakei), Sunbeam Imp Sport/Sunbeam Arrow Estate (Großbritannien), Trabant 601 Universal (DDR), Triumph GT 6 Coupé/Triumph 2000 Estate (Großbritannien), Vauxhall Viva Estate/Vauxhall Victor Estate (Großbriannien), Volkswagen Variant 1500 und 1600/Volkswagen Clipper bzw. Kombi (T2), Volvo 122 Amazon Kombi/Volvo 145/Volvo PV Duett (auf Bestellung) (Schweden),Wartburg 353 (nur als Prototyp, Serie für 1968 angekündigt, DDR), Wolga-Rover Special de Luxe Kombi (Sowjetunion).

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