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Fahrradtest: Tern GSD - Packen statt klappen

  • In NEW MOBILITY
  • 18. September 2017, 16:46 Uhr
  • Mario Hommen/SP-X

Lastenräder sind meist sperrig und unhandlich. Nicht so das neue GSD von Tern. Der Ein-Spur-Pick-up im Kompaktformat ist erfreulich wendig und dank Elektromotor außerdem flott unterwegs.

Tern hat ein neues Segment für sich entdeckt: Anfang 2018 bringt der Klapprad-Spezialist mit dem GSD sein erstes Lastenrad in den Markt. In Hinblick auf die Abmessungen ist der einspurige Lastesel ein Zwerg, bei den Transportqualitäten hingegen ein Riese. Und damit die schwere Last nicht zur Last wird, gibt es einen Elektroantrieb.
 
Das neue GSD kann also vieles, eine für Tern-Räder entscheidende Kompetenz bleibt der Neuheit allerdings verwehrt: Als handliches Klapprad für multimodales Reisen ist der 29 Kilogramm schwere Lastenträger ungeeignet. Als eine Art Überbleibsel verfügt es lediglich über einen Faltmechanismus an der Lenkerstange, der ein seitliches Runterklappen des Lenkers erlaubt. Immerhin: Dank dieser Lösung, den kleinen 20-Zoll-Rädern, dem mit einem Griff absenkbaren Sattel und der schlanken Bauweise lässt sich das GSD im Vergleich zu anderen Lastenrädern sehr kompakt in Garagen oder Toreinfahrten parken. Wer kräftig genug ist, kann das 1,80 Meter kurze Transporttalent auch in einen Kompakt-Van verfrachten. Weil es so kurz und schmal baut, nennt Tern das neue Modell auch Compact Utility Bike.
 
In puncto Utility (Nutzwert) ist das GSD souverän aufgestellt. Wer mit diesem Bike zum Supermarkt fährt, kann sich hemmungslos dem Kaufrausch hingegeben, denn die Frage, ob alles aufs Fahrrad passt, stellt sich nicht. Zur Serienausstattung gehören am 80 Zentimeter langen XXL-Gepäckträger befestigte Textiltaschen, die zusammen über 60 Liter aufnehmen können. Zusätzlich lassen sich jeweils Gepäckträger am Heck und Vorbau montieren, die auf eine passgenaue Aufnahme von Euroboxen zugeschnitten sind. Die größere Heckbox kann locker eine Getränkekiste aufnehmen. Das Gewicht ist ebenfalls kein Problem, denn das Fahrrad ist auf eine Zuladung von 180 Kilogramm ausgelegt. Anstelle der hinteren Euro-Boxen-Halterung lassen sich auf dem Gepäckträger bis zu zwei Thule-Kindersitze montieren. Die Querstreben des Gepäckträgers sind exakt auf eine einfache Klickfix-Montage angepasst.
 
Auch mit zwei Fahrgästen und Gepäck kann man dank Bosch-Mittelmotor das GSD flott und ohne große Anstrengung bewegen. Das sogenannte Performance-Line-Aggregat hat keine Mühe, die Fuhre in Schwung zu bringen. Meist ist man mit 25 km/h unterwegs, lediglich an Steigungen verliert man etwas Tempo. Spätestens dann muss man eine kurze Übersetzung der 10-stufigen Kettenschaltung (Shimano Deore) bemühen und etwas kräftiger in den Pedalen treten. Ansonsten fährt man das GSD vorwiegend ganz entspannt in der längsten Übersetzung. Das kann auch ziemlich weit gehen: Grundsätzlich ist ein 500-Wh-Akku dabei, optional kann man die Batteriekapazität verdoppeln. Dies soll, abhängig von Unterstützungsgrad und Streckenprofil, bis zu 250 Kilometer Reichweite ermöglichen.
 
Lastenräder sind zumeist sperrig, unhandlich und nicht sonderlich wendig. Das GSD macht hier eine Ausnahme, denn es lässt sich fast schon wie ein normales Fahrrad durch den Verkehr dirigieren. Auch wenn man nichts zu transportieren hat, kann man das Tern für alltägliche Fahrten einsetzen. Und das gilt auch für andere Familienmitglieder oder die Nachbarn, denn dank des in der Höhe variablen Sattels und eines genialen Lenker-Verstellsystems findet jeder mit wenigen Handgriffen eine für ihn angemessene Position.
 
Bemängeln muss man indes die etwas fummelige Montage des optionalen Eurobox-Heckträgers, denn um man die vier Schrauben festzuziehen, muss man ein paar Minuten investieren. Die Halterung gegen Kindersitze zu tauschen, ist jedenfalls etwas umständlich. Ein weiteres Manko: Das GSD bietet keine Federung, weshalb man in gelegentlich in unangenehm direkter Weise Unzulänglichkeiten der Fahrbahn zu spüren bekommt. Befindet sich in der hinteren Eurobox ein Getränkekiste, provozieren Erschütterungen einen Radau, so als würde eine Horde unausgeschlafener  Kinder am Schlagzeug üben.
 
Abgesehen von der nicht vorhandenen Federung ist die Ausstattung jedoch für den Alltagseinsatz gut. Ein Gefühl perfekter Kontrolle vermitteln die Vierkolben-Scheibenbremsen von Magura, die gut dosierbar sind, feinfühlig arbeiten und souverän verzögern. Es gibt zudem Schutzbleche, einen zentralen Doppelständer, Ergon-Griffe, eine Lichtanlage und Schwalbe Moto-X-Reifen mit kompetentem Pannenschutz. E-Motor, die umfangreiche Ausstattung sowie die aufwendige und erfreulich steife Rahmenkonstruktion haben aber ihren Preis: 4.000 Euro will Tern für sein Lasten-Pedelec haben. Das ist kein Schnäppchen, aber für ein Lastenrad auf diesem Qualitätsniveau absolut konkurrenzfähig.

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