News

Tradition: 50 Jahre Saab 99 vs. Volvo 140 - Standhafte Nordlichter

  • In NEWS
  • 16. Oktober 2017, 11:28 Uhr
  • Wolfram Nickel/SP-X

Mit dem Saab 99 und dem Volvo 140 eroberten die Wikinger einst Europa und die Welt. Dabei galten sie als so langlebig, dass sie ihre Marken für Jahrzehnte prägten und bis heute auf den Straßen zu finden sind

Zwar hatten die nordischen Autobauer bereits mit früheren Nachkriegsmodellen Achtungserfolge errungen, der globale Durchbruch als echte Großserienhersteller gelang ihnen jedoch erst mit den Baureihen Saab 99 und Volvo 140, welche die Autowelt ähnlich nachhaltig beeindruckte wie die ersten Ikea-Kataloge die Möbelbranche.
 
Mit dem frontangetriebenen Saab 99 kam 1967 eine moderne Mittelklasselimousine mit unverwechselbaren Charakteristika, die sich in allen weiteren Autos aus Trollhättan wiederfinden sollten. Dagegen entwarf Volvo für die Göteborger ein markantes Design aus schlichten, kantigen Linien mit drittem Seitenfenster. Nach dem Viertürer 144 prägten ab 1967 der zweitürige 142 und der Kombi 145 das Image von Volvo als Hersteller fast unzerstörbar sicherer und kastenförmiger Familienfahrzeuge. Tatsächlich passten die Typen aus Trollhättan und Göteborg perfekt in die Lücke zwischen angepasstem Benz und revolutionärem NSU Ro 80. Erst jetzt wurden die Schweden eine Macht im Automobilbau mit unvergänglichen Konturen, wegweisender Sicherheitsausstattung und technischen Pionierleistungen wie dem 1977 lancierten Saab Turbo.
 
Alles andere als Allerweltswagen waren Saab 99 und Volvo 140 von Anfang an. Schließlich wollten sie weltweite Sicherheitsstandards setzen. So besaßen sie nicht nur eine Fahrgastzelle mit Knautschzonen und Dreipunktsicherheitsgurten auf allen Plätzen, sondern auch neuartige Details wie Sicherheitslenksäulen mit Sollbruchstelle und rückwärtsgewandte Kindersitze im Volvo. Maßstäbe in der gehobenen Mittelklasse setzte zudem die Bremsanlage mit zwei separaten Bremskreisen. Handlich wie Kleinwagen waren die hinterradangetriebenen Volvo dagegen dank des fast einzigartig kleinen Wendekreises von 9,25 Metern.
 
Saab kaufte für den 99 einen neuen englischen Triumph-Vierzylinder, der in Schweden Feinschliff erhielt. Dazu wurde die Lebensdauer der Bauteile vervierfacht und auf mindestens 250.000 Kilometer ausgelegt. Noch eine Besonderheit: Nur im Saab war der Motor längs über der Vorderachse eingebaut und das Getriebe unter dem Motor platziert. So ergab sich ein außergewöhnlich großes Interieur. Zum Titanen avancierte Nummer 99 aber erst im Jahr 1977 mit 107 kW/145 PS starkem 2,0-Liter-Turbo. Der aufgeladene Vierzylinder machte die Turbo-Technik mehrheitsfähig und erzielte in Tests Beschleunigungswerte, die vergleichbar waren mit dem V12-Ferrari 400.
 
Dagegen übernahmen die Volvo 140 anfangs Motoren des altgedienten Amazon. Dennoch konnten sich die 55 kW/75 PS bis 74 kW/100 PS leistenden Vierzylinder im Wettbewerbsumfeld von Mercedes 200, BMW 1800/2000 oder Peugeot 404 sehen lassen. Einen Sprung nach vorn gab es im Herbst 1968 mit der Einführung des B20-Vierzylinders, der es später als sportliche Spitzenversion Volvo 142 GT auf 103 kW/140 SAE-PS brachte und Kultstatus gewann.
 
Letztlich gewann Volvo aber nicht mit Motoren, sondern mit Sicherheitstechnik: In Schweden war es ein Viertel des Neuwagenmarktes und in Nordamerika hob die Nachfrage derart ab, dass die USA 1973 global größter Volvo-Markt wurden. Drei Jahre später wählte die amerikanische Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA die zum 240 weiterentwickelten Volvo sogar als Referenzfahrzeuge für die Definition künftiger Sicherheitsnormen. Optisches Sinnbild für Sicherheit an allen Volvo und Saab waren dabei stets die wie Jahresringe in mehreren Stufen wachsenden Stoßfänger. So blieben die schwedischen Baureihen bis zum Jahr 1993 in Bestform. Damit nicht genug vererbten die hinterradangetriebenen Volvo ihre kantigen Formen sogar noch an den folgenden Volvo 850 mit Frontantrieb - und der erste unter General Motors entwickelte Saab 900 trug die Linien seines Vorgängers sogar ins neue Jahrtausend.
 

STARTSEITE