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Panorama: Renaults leichte Nutzfahrzeuge - Aller Laster Anfang

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  • 23. November 2017, 10:12 Uhr
  • Michael Gebhardt/SP-X

Spätestens seit dem Werbeclip, bei dem ein Kangoo das Herz eines Nashorns erobert, weiß fast jeder, dass Renault auch Nutzfahrzeuge baut. Doch die Historie der französischen Transporter reicht noch viel weiter zurück.

Mit 434.000 leichten Nutzfahrzeugen hat Renault 2016 so viele Kangoo, Trafic und Master verkauft wie noch nie, 40 Prozent mehr als 2011. Tendenz: steigend. Im ersten Halbjahr 2017 konnten die Franzosen ihren Absatz nochmal um viereinhalb Prozent erhöhen. Wie bei den Pkw arbeitet Renault auch im Nutzfahrzeugbereich mit Nissan zusammen, seit dem Frühjahr in der neugegründetenRenault-Nissan LCV Business Unit. Zeit, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen - denn der Grundstein für den Erfolg wurde bereits rund hundert Jahre zuvor gelegt. 
 
Ende 1899 stellte Renault mit dem Type C sein bis dahin größtes Modell vor: 2,40 Meter lang und erhältlich als Phaeton, Tonneau, Coupé und Kastenwagen, der - befeuert von einem dreieinhalb PS starken Einzylinder-Motor - bis zu 250 Kilogramm Last schleppen konnte und unter anderem als Milchtransporter zum Einsatz kam. Der könnte, hätte Renault ein öffentlich zugängliches Museum, sogar heute noch bestaunt werden, schließlich befindet sich das gute Stück in Firmenbesitz. Immerhin: Vor einigen Jahren durfte der Oldie mit senkrecht stehendem Lenkhebel in einem Werbespot der Franzosen die Hauptrolle spielen.
 
Ob der Type PR auch mal die Hauptrolle in einem Film gespielt hat, ist nicht überliefert. Nicht unwahrscheinlich aber ist, dass die eine oder andere Showgröße schon damit gefahren wurde. Nachdem Louis Renault bereits 1909 den ersten Omnibus auf die Räder stellte und zwei Jahre später eine Cabrio-Version nachreichte, folgte mit dem Type PR in den 1920er Jahren ein 5,50 Meter langer Zehnsitzer, der vor allem als Shuttlefahrzeug zwischen Bahnhöfen und Hotels Karriere machte. Wer sich heute auf den weichen Polstern des tiptop in Schuss gehaltenen Busses niederlässt und zuschaut, wie die Landschaft mit beachtlichen 65 km/h an den Fenstern vorbeirauscht, braucht nicht viel Phantasie, um sich vorstellen zu können, wie die Stars und Sternchen seinerzeit damit vom Bahnhof in Nizza zum Negresco kutschiert wurden. Der Fahrer freilich saß im Freien, und musste - aus heutiger Sicht - richtig arbeiten, um den 2,4-Tonner sicher um die Kurve zu manövrieren oder wieder zum Stehen zu bringen. Servolenkung? Bremskraftunterstützung? Das alles musste durch reine Muskelkraft ersetzt werden.
 
In die Geschichte eingegangen sind auch Modelle wie der Renault Goélette, oder wie er im Volksmund genannt wurde, der ,,1000 Kilogramm". Mit einer Tonne Nutzlast spielte der 1945 vorgestellte Kastenwagen eine bedeutende Rolle nach dem zweiten Weltkrieg und wurde schnell zum Symbol des französischen Wiederaufbaus. Nicht weniger kultig: der Renault 4. Zwischen 1961 und 1992 wurden mehr als acht Millionen R4 produziert, und nicht wenige davon haben als Kastenwagen Renault 4 F4 wertvolle Dienste als Handwerker-Mobil, als Abschleppwagen, als Transporter für Handelsreisende und sogar als Pick-up geleistet. Besonders originell war der R4 F4 Darby, ein Kleintransporter mit Klappdach, mit dem  man sogar Giraffen transportieren konnte - zumindest wenn der damaligen Werbung glauben schenkte.
 
Gut sechs Jahre nach seinem Ende bekam der R4 mit dem Renault Kangoo einen würdigen Nachfolger, der zusammen mit dem Citroën Berlingo dem Hochdachkombi-Segment neuen Schwung verliehen hat und bis heute eine feste Größe im Nutzfahrzeugbereich ist. Schon bei der ersten Generation experimentierte Renault ab 2002 übrigens mit einem Elektroantrieb: Der Kangoo Electric' Cité wurde von einem 25-kW-E-Motor angetrieben und kam bis zu 90 Kilometer weit, beim Elect'road RE diente ein zusätzlicher Zweizylinder-Benziner als Range-Extender und sorgte für rund 200 Kilometer Reichweite. Während die beiden E-Pioniere nur in Frankreich vertrieben wurden, steht der Kangoo II seit 2011 auch bei uns offiziell als Stromer namens Z.E. (für Zero Emission, null Emissionen) in der Preisliste - für aktuell 24.776 Euro plus Mietzins für die Batterie.
 
Inzwischen ist der Kangoo Z.E. längst nicht mehr allein als grüner Lastesel unterwegs: Renaults Kleinst-Stromer, der Twizy, ist in einer Cargo-Version erhältlich, außerdem gibt es den ebenfalls rein elektrisch betrieben Zoe als Nutzfahrzeugvariante Société ohne Rückbank, und auch der große Transporter Master ist mit Elektromotor erhältlich. Über die Zukunft der Lastesel denken die Franzosen allerdings nicht nur im Bereich Antrieb nach. Mit ein paar futuristischen Studien haben sie mehrfach gezeigt, was alles möglich ist. Da ist zum Beispiel der Trafic Deck'Up, mit dem Renault 2004 eine Mischung aus Transporter, Pick-up und Landaulet präsentierte, bei dem die beiden hinteren Sitze ins Freie geschoben werden können. Oder aber der Dataspace von 2001, der, ebenfalls auf Trafic-Basis, im Fond nicht nur mit einer runden Sitzecke aufwartete, sondern schon damals mit allerlei Kommunikationstechnik ausgestattet war - inklusive eines großen Multifunktions-Displays. Doch wie bei den Pkw schaffen es auch bei den Nutzfahrzeugen die meisten futuristischen Fingerübungen nie in die Serie.

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