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Mercedes-Vans werden elektrisch - Für kleine und große Pakete

Schwaben können alles und haben auch den Anspruch es besser zu können als die anderen. So bringt Mercedes nun elektrische Variante des Transporters Vito auf den Markt. Die soll dem Streetscooter der Post zeigen, wie man Pakete transportiert.

Ob Volker Mornhinweg die Frage nach dem Streetscooter nervt, lässt sich der Leiter von Mercedes Vans nicht anmerken. Er verweist während der Präsentation des neuen, Mitte 2018 auf den Markt kommenden elektrischen Vito lieber auf die bestehende gute Kooperation mit der Deutschen Post mit konventionell angetriebenen Mercedes-Transportern und natürlich auf den Vertrag mit dem Logistikunternehmen Hermes. Dieses hat bei den Stuttgartern 1.500 elektrische Vito und Sprinter (Markstart: 2019) bestellt, die bis 2020 ausgeliefert werden und in Ballungszentren wie Hamburg und Stuttgart zum Einsatz kommen werden. Dabei betont Mornhinweg die enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Vertragspartnern, um die Fahrzeuge auf die Bedürfnisse des Logistikdienstleisters abzustimmen. Denn die Transportersparte von Mercedes sieht sich nicht nur als Hersteller von Elektrofahrzeugen, sondern auch als Dienstleister. Konfektionsware ist out; maßgeschneiderte Fahrzeuge sowie auf die Kundschaft individuell abgestimmten Mobilitätslösungen bringen langfristigen Erfolg - da ist sich Mornhinweg sicher.

Und so haben die Schwaben erst einmal viele Gespräche mit potentiellen Kunden geführt und dabei ermittelt, was diese umtreibt beim Thema Elektromobilität. Was erwarten sie, welche Befürchtungen haben sie und wie lassen sich Wirtschaftlichkeit und Stromern in Einklang bringen? Für die Dienstleister aus der Kurier-Express-Paketdienstbranche (KEP) sind garantierte Reichweiten von 100 Kilometern wichtig. Zudem müssen sich die Fahrzeuge unkompliziert in der heimischen Depotzentrale aufladen lassen und beim Alltagsnutzen darf es keine Einschränkungen geben. Nach diesen Vorgaben schafft der elektrische Vito eine Normreichweite von 150 Kilometern. Diese ist abhängig von Außentemperatur, Streckenprofil sowie vom Fahrstil des Fahrers. Im Winter beziehungsweise im Hochsommer lassen sich die Fahrzeuge natürlich noch an der Depotsteckdose vorheizen oder kühlen, so dass die Fahrt bei angenehmen Cockpit-Temperaturen beginnen kann und die Batterie nicht unnötig belastet wird. Eine Sitzheizung schont zudem die Akkureserven. Eine intelligente Routenplanung sowie spezielle Fahrertrainingseinheiten tragen dazu bei, dass zum Beispiel Gefällstrecken für die Rekuperation genutzt werden können. Je nach Kundenwunsch lässt sich die Höchstgeschwindigkeit auf 80 oder 120 km/h begrenzen.

Das Aufladen der 41,4 kWh starken Batterie erfolgt innerhalb von sechs Stunden an einer Wallbox. Ein intelligentes Energiemanagement vor Ort soll außerdem sicherstellen, dass die vorhandene Netzanschlussleistung für alle Fahrzeuge reicht. So müssen nicht alle E-Transporter gleichzeitig geladen werden, sie können auch zu unterschiedlichen Zeiten ihren Strom ziehen.

Beim Thema Zuladung darf es keine Abstriche geben. So befindet sich die Batterie unter dem Fahrzeugboden, so dass das Laderaumvolumen bis zu 6,6 Kubikmeter beträgt. Ein cleveres Regalsystem soll zudem die Zustellung von Paketen erleichtern. Die Pakte werden im Depot ins Regal gelegt, die Position online vermerkt. Das volle Regal wird ins Fahrzeug verladen. Der Fahrer muss keine Pakete mehr suchen. Erste Prototypen sind in der Erprobungsphase.

Das Zusatzgewicht der rund 400 Kilogramm schweren Batterie wird durch den leichteren, nur 200 Kilogramm schweren Elektromotor (84 kW/114 PS) kompensiert. Um die Zuladung auf die 1.073 Kilogramm des Vito zu bringen, haben die Ingenieure das zulässige Gesamtgewicht von 3 auf 3,2 Tonnen erhöht. Der e-Vito steht als Kastenwagen oder als Personentransporter zur Verfügung, er wird allerdings nur mit Frontantrieb und mit mittlerem und langem Radstand ausgeliefert. Für den Personentransport wird es die Möglichkeit geben, die Leistung des E-Motors zu erhöhen. Bis zu 140 kW/190 PS wären zum Beispiel für die Nutzung des Tourer oder der V-Klasse als VIP-Shuttle so möglich.

Mercedes bietet den e-Vito ab netto 39.990 Euro netto an. Der vergleichbare Diesel mit 84 kW/114 PS und mittlerem Radstand kostet ab 32.410 Euro netto. Beim wichtigen Thema ,,Cost of Ownership", also die Gesamtbetriebskosten, soll die elektrische Variante sich aber dank staatlicher Förderung, steuerlicher Vorteile, günstigen Industriestromtarifen und reduzierten Kosten für Wartung und Service auf drei Jahre und einer jährlichen Laufleistung von 25.000 Kilometer auf Augenhöhe mit dem Selbstzünder befinden. Zudem könne Mercedes den e-Vito kostengünstig produzieren, da er vom selben Band wie die anderen Vito-Modelle läuft, also keine eigene Plattform und Fertigungsstrecken benötigt, betont Mornhinweg. Außerdem greift die Van-Tochter auf Gleichteile aus dem elektrischen Konzernportfolio zurück. Die Batterie liefert das Daimler Tochterunternehmen Deutsche Accumotive, der E-Motor findet auch im GLCe Verwendung.

Die wirtschaftlichen Variablen sind allerdings nicht unerheblich. Wie entwickeln sich die Preise für Industriestrom angesichts des komplexen Themas Energiewende oder wie geht es mit den steuerlichen Vergünstigungen weiter? Für die Elektromodelle sprechen mögliche Einfahrverbote für Verbrenner in Innenstädte. Insgesamt werden die E-Transporter zunächst besonders für Großkunden interessant sein. Diese dürften sich auch für den elektrischen Sprinter interessieren, die 2018 auf den Markt kommt. Analog zum Vito ist zu erwarten, dass Ladevolumen und Zuladung auf dem Niveau der anderen Sprinter-Modelle liegen. Die unterflurig angebrachte Batterie dürfte für Reichweiten bis zu 200 Kilometer gut sein. Und wer größeren Transportbedarf hat: Mercedes hat den Fuso eCanter, eine Gemeinschaftsproduktion mit Mitsubishi, im Programm. Die Großserienproduktion des 7,5-Tonners startet 2019. Auf den elektrischen Stadtlieferwagen Citan müssen Kunden dagegen noch ein wenig warten. Anders als die Kangoo-Kunden des Kooperationspartners Renault  wird diese Variante wohl erst mit dem nächsten Modellwechsel bei Mercedes an den Stecker gehen.

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