Motorrad

Die Pläne von MV Agusta - Die Schöne und die Raren

  • In MOTORRAD
  • 28. November 2017, 10:04 Uhr
  • Ulf Böhringer/SP-X

MV Agusta hat sich aus den letzten finanziellen Schwierigkeiten befreit und setzt in der Zukunft auf eine schmälere Modellpalette

Dass die Motorräder des italienischen Herstellers zu den Aufsehen erregendsten, ja auch schönsten Serienmotorrädern der Welt gehören, wird immer wieder bestätigt: Zuletzt während der erst vor wenigen Wochen zu Ende gegangenen Eicma in Mailand, bei der die neue Dragster 800 RR unter die drei schönsten Bikes dieser Motorradausstellung gewählt wurde. Unmittelbar am Ufer des Lago di Varese im Stadtteil Schiranna werden aber nicht nur echte ,,Hingucker" wie die Dragster mit ihrem Einzelsitz und dem unnachahmlich gezeichneten Heck entwickelt, sondern auch blitzsaubere technische Lösungen: mit semiaktiver Fahrwerkstechnik, Schaltassistent und umfassender elektronischer Motorsteuerung samt vielfach einstellbarer Traktionskontrolle und diversen Motormappings. Momentan stehen die Modelle mit dem 800 Kubikzentimeter großen Reihendreizylindermotor im Fokus; die Baureihen F4 und Brutale mit Vierzylindermotor haben die Euro 4-Hürde nicht überspringen können.

Brutale, Rivale und Stradale heißen die drei eng miteinander verwandten Nakedbikes, dazu kommen die schon erwähnte Brutale Dragster und der Sporttourer Turismo Veloce. Der inzwischen Euro 4-konforme Dreizylindermotor mit 798 Kubikzentimetern Hubraum wird in fünf Leistungsstufen ausgeliefert: Mindestens vorhanden sind 81 kW/110 PS (in der Turismo Veloce und der Brutale), maximal werden 109 kW/148 PS geliefert, und zwar im Superbike F3 800. Genauso breit wie das Leistungsangebot des Dreizylindertriebwerks ist die Preisspanne: Am günstigsten ist die 110 PS leistende Brutale 800 mit 13.490 Euro, teuerste Offerte ist die von Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton geadelte Variante LH 44 des Modells Dragster 800 RR mit 24.144 Euro, in welcher der leichtfüßig in fünfstellige Drehzahlregionen vorstoßende Dreizylindermotor 140 PS abgibt, und zwar bei durchaus nennenswerten 13.100 Kurbelwellenumdrehungen. Zwischen diesen beiden genannten Modellen tummeln sich mit Rivale und Stradale zwei weitere Nakedbikes sowie die beiden Superbikes F3 mit 675 Kubikzentimetern Hubraum und dem hier 148 PS leistenden 800er Triebwerk. MV Agusta versteht es jedenfalls, aus wenig Hardware zahlreiche Varianten zu schnitzen.

Nur bei Rivale und Stradale beschränkt sich MV Agusta auf jeweils eine einzige Version. Die Stradale, deren Euro 4-Version momentan noch nicht bestätigt ist, wird mit einem kleinen Windschild sowie zwei schmalen Gepäckköfferchen ausgeliefert, die immerhin eine eingeschränkte Tourenmöglichkeit eröffnen. Dieser soll auch der am Hinterrad etwas längere Federweg dienen. Um fünf Zentimeter verlängert ist auch der Radstand, zudem sind die anderen Fahrwerksdaten auf den sporttouristischen Einsatzzweck hin modifiziert worden. Der 800er Dreizylinder leistet in der Stradale 84,5 kW/115 PS bei 11.000 U/min das maximale Drehmoment erreicht 78,5 Newtonmeter bei 9.000 U/min.

Die Rivale ist mit einer Motorleistung von 92 kW/125 PS bei 12.000 U/min. und einem maximalen Drehmoment von 84 Nm bei lediglich 8.600 U/min. deutlich leistungsstärker; irgendwelche Touren-Accessoires sind für dieses Modell mit Euro 4-Zulassung freilich nicht lieferbar. Wie die Halbschwester Stradale, so fristet auch die Rivale ein zurückhaltendes Dasein im Modellprogramm, denn sowohl die Brutale wie auch die Brutale Dragster sind doch deutlich gefragter. Beide Modelle sind nicht nur nach Euro 4 homologiert, sondern auch in vier Varianten lieferbar: Zur Basis kommen bei der Brutale 800 die leistungsstärkere RR-Version sowie die RC. Die Buchstabenkombination steht für Reparto Corse, womit die Rennabteilung gemeint ist. Die technischen Unterschiede sind geringfügig: Die RC stellt ungeniert einen 20 Zentimeter breiten Hinterreifen zur Schau, verfügt über etwas höherwertige Federelemente und weist einen Spezialauspuff auf, der zusammen mit dem modifizierten Motormapping für eine Höchstleistung von 110 kW/150 PS gut sein soll. Verbessert zeigen sich die Ventilführungen aus Sintermetall, um die Langlebigkeit zu erhöhen. Auch die Mechanik des Startmotors und verschiedene Zahnräder im Motorinneren sind nach Firmenangaben verbessert worden. Besonders begehrenswert für Fans der Marke dürfte sein, dass die RC auch im Jahr 2018 in nur 350 Exemplaren gebaut werden wird.

Erstmals hat sich MV Agusta entschlossen, eine in der Karosseriegestaltung aufgewertete Version aufzulegen, die nach einer wichtigen Partnerfirma benannt ist. Deshalb gibt es die Brutale 800 RR Pirelli im Sonderdesign; davon sind die Reifen selbst nicht ausgenommen, denn sie verfügen nach Wunsch des Käufers zusätzlich über eine farbige Reifenflanke. Zudem weist der Hinterreifen mit dem Format 200/55 ZR 17 die gleiche Dimension auf wie auf der RC-Version. MV Agusta sagte zwar, dass die Pirelli-Variante der RR nur in begrenzter Zahl produziert werde; deren Höhe blieb aber bislang unbekannt. Dasselbe gilt für die im Sommer vorgestellte Manufaktur-Version der Dragster 800 RR mit Namen RVS; sie ist mit besonders edlen Komponenten ausgestattet und wird in Handarbeit gefertigt.

Ebenfalls in den drei Varianten Basis, RR und RC gibt es das besonders gefragte Modell Brutale Dragster. Die vierte Version ist hier nicht nach einer Partnerfirma benannt, sondern nach dem bekennenden MV-Liebhaber Lewis Hamilton. Mit fast 25.000 Euro liegt der Preis für eine 800er freilich in astronomischer Höhe. Freilich ist das Finish vieler Teile außergewöhnlich: Die Speichenräder sind genauso exklusiv wie der Sattel aus besticktem Leder mit Sitzfläche aus gestepptem Alcantara. Viele Karosserieteile sind aus Karbon gefertigt. Unübersehbar ist zudem die Startnummer des GP-Stars; die 44 findet sich an der Front sowie an den Motorradseiten und auch auf dem Zündschlüssel. 244 Exemplare will MV Agusta davon bauen.

Dass es dazu auch wirklich kommt, ist seit dem Einstieg des russisch-amerikanischen Investors ComSar Invest wieder wahrscheinlich geworden; erst Mitte November wurde der Restrukturierungsplan der seit einigen Monaten ein Insolvenzverfahren durchlaufenden Firma verabschiedet. Demzufolge sollen die Produktionszahlen demnächst wieder in die Höhe gefahren werden, nachdem sie 2016 und 2017 stark reduziert werden mussten. Die Resonanz auf der vergangenen Eicma bezeichnete Firmenchef Giovanni Castiglioni als ,,sehr erfreulich"; gegenüber den ursprünglichen Planungen für 2018 werde man die Produktion nunmehr erhöhen. ComSar-Vorstand Timur Sardarov nimmt mittlerweile die Position des Vizepräsidenten von MV Agusta ein. Er versichert, dass die Investition seiner Firma als langfristig zu betrachten sei und dass MV langfristig auf dem Wachstumspfad gebracht werden solle.

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