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BMW 750iL vs. M760Li - Zwei Zwölfender im Vergleich

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  • 7. Dezember 2017, 15:13 Uhr
  • Patrick Broich/SP-X

Der BMW 750iL trug den ersten deutschen Zwölfzylinder nach dem zweiten Weltkrieg unter der Haube. Und trotz aller Downsizing-Bemühungen hat der aufwendig konstruierte Maschinentypus bei den Münchenern bis heute überlebt: Der aktuelle Siebener mit Zwölfzylinder heißt M760Li. Zwischen den beiden Topmodellen liegen inzwischen dreißig Jahre. Zeit für ein Treffen.

Die Zeiten haben sich wahrlich geändert in den letzten dreißig Jahren. Wir schreiben das Jahr 2017, und - kein Scherz - BMW bietet die gestandene Mittelklasse-Limousine der Dreier-Reihe in einer Dreizylinder-Version an. Drei Zylinder in der Mittelklasse! Es ist eine Zeit des Hubraum- und Zylinderkampfes - und Krampfes - und trotzdem rollt da jüngst ein mächtiger V12 von BMW um die Ecke. Nicht irgendein Zwölfzylinder, sondern eine fette Ansage: 6,6 Liter schenken die Bayern neuerdings ein - da hätten sogar die Amerikaner zu besten Muscle Car-Zeiten ihre Augenbrauen hochgezogen. Ein Anachronismus von und bei BMW also, der aber die Augen der Autofans leuchten lässt.

Doch was viele entweder nicht wissen oder wieder vergessen haben: Der Kampf um große Verbrenner ist keine Erfindung unserer Zeit. Auch das Debüt des E32-Siebeners mit V12 vor 30 Jahren war keine Selbstverständlichkeit. Dem voraus gingen lange Diskussionen und zähes Gerangel - schließlich hatten die Entwickler aus München bereits in den Siebzigern sowohl einen Acht- als auch einen Zwölfzylinder bis zur Serienreife entwickelt, um dann im letzten Moment einen Rückzieher zu machen. So mussten sich die Kunden bis 1987 mit einem Sechszylinder begnügen - die Ölkrise ließ grüßen.

Wie Recht doch die Motorengourmets hatten, beweist der Schlüsseldreh im betagten E32. Der fünf Liter große Zwölfender fällt nach dem typisch ,,einphasig" klingenden Startgeräusch in einen sahnigen Leerlauf, ist derart vibrationsarm, dass eine Münze auf dem Zylinderkopf aufrecht stehen bleibt, wenn man sie in der Mitte der appetitlich drapierten Ansaugrohre platziert. Dieses längst zur Legende gereifte Experiment funktioniert wirklich.

Werfen wir einen kurzen Blick auf unser Prachtexemplar. Der silberne 750er kommt gediegen-sportlich daher mit Kreuzspeiche, leichtem Chrom-Zierrat und nobel anmutendem Modellschriftzug. ,,750 iL" auf dem Heckdeckel ist der chromgewordene Hinweis darauf, dass es sich hier um die luxuriösere Version mit dem Plus an Beinfreiheit handelt. Und der Erstbesitzer hatte einen beherzten Griff in die Sonderausstattungs-Kiste getätigt, denn nicht nur die Vorder-, sondern auch die Rücksitze sind mit E-Motoren bestückt und können elegant per Taste surrend in Position gebracht werden.

Schieben wir also den Wählhebel des damals bereits obligatorischen Automatikgetriebes in Stellung ,,D". Dezent hebt sich der Bug, wenn der verhältnismäßig simpel konstruierte Zweiventil-Fünfliter (M70) loslegt und seine schwächeren Brüder mit den ebenfalls nicht gerade rau agierenden Reihensechszylindern der M30-Reihe in puncto Laufruhe deklassiert. Und ein beherzter Tritt auf das rechte Pedal (bitte nur bei warmem Motoröl) lässt den alten Luxusliner auch für heutige Verhältnisse noch knackig antreten.

Trotz lediglich vier Fahrstufen und recht großer Übersetzungssprünge schiebt das Samt-Triebwerk den aus aktueller Perspektive fliegengewichtigen 1,9-Tonner binnen unter 30 Sekunden auf 200 km/h, wie Fachmedien seinerzeit ermittelten. Den Standard-Sprint auf 100 km/h schafft er innerhalb von 7,4 Sekunden. Doch das faszinierende hier sind gar nicht mal die schieren Werte, sondern die Mühelosigkeit, mit der sich das große Schiff durch den Straßenverkehr bewegt. Selbst unter Komfort-Gesichtspunkten leistet der Siebenfuffziger auch heute noch gute Dienste: Selbst wenn die Armaturen verhältnismäßig karg anmuten, die Sitze samt Armlehnen zierlich wirken und die Innenarchitektur insgesamt mehr sachlich denn nobel aussieht, würde man keine Sekunde zögern, ihn auf einer langen Strecke einzusetzen. Man sitzt kommod in den feinen Lederfauteuils, während der säuselnde Siebener sanft nachschwingend über Autobahnwellen fließt und dank Tempomat die zuvor eingestellte Geschwindigkeit penibel einhält. Schlechten Asphalt klammer Kommunen verarbeitet die Oberklasse angesichts von 15-Zöllern und 60er-Querschnitt ebenso geschmeidig.

Gegen den kompakt und schlicht aussehenden 750er kommt der aktuelle M760Li wie ein muskelbepackter Bodybuilder daher, vor dessen Fahrwerten man überdies Ehrfurcht bekommen kann: Der stets vierradgetriebene Kraftprotz soll in 3,7 Sekunden auf Landstraßentempo sprinten. Und der matte Braunton unseres Vergleichsfahrzeugs - im BMW-Jargon ,,Frozen Dark Braun" - verstärkt den Muskelmann-Charakter genauso wie die unter Code 754 bestellbare Abrisskante auf dem Heckdeckel. Doch keine Sorge, wer nicht so arg auffallen möchte, kann diese selbst in Verbindung mit dem optionalen M-Paket weglassen (die vierflutigen Abgas-Endrohre bleiben aber als Erkennungsmerkmal) und sich über die Vmax-Aufhebung freuen. Der neuzeitliche Über-V12 mit 448 KW/610 PS lässt sich dann auf 305 Sachen beschleunigen.

Das mit anderen Felgen und anders akzentuierter Innenausstattung daherkommende Excellence-Modell regelt klassischerweise bei 250 km/h ab. Den Sprint auf 200 km/h erledigt der M760Li binnen kaum mehr als elf Sekunden - mehr Sportwagen im Businessdress geht kaum. Wer wegen des obligatorischen ,,M" im Modellnamen gedacht hat, der aktuelle Top-Siebener sei schroff oder hart zu seinen Passagieren - nein, das ist er nicht. Im Gegenteil, der M760Li ist maximal samtig, hebt seine Stimme selbst unter Volllast nicht, benimmt sich trotz 275/35 20er-Walzen wie ein fliegender Teppich und tritt dennoch ganz schön dynamisch an dank Hightech-Fahrwerk.

Das 2,3-Tonnen-Dickschiff liegt auf variabel steuerbaren Luftbälgen, tastet die Straße per Kamera noch vor der Vorderachse auf Unebenheiten ab, lenkt auch mit der Hinterachse und gleicht Wankbewegungen aus. Die Sitze belüften, heizen und massieren - spenden mit anderen Worten maximalen Komfort. Der Siebener parkt automatisch ein, ja, lässt sich sogar fahrerlos per Schlüssel aus der Parklücke bugsieren. All diese Features zeigen, wie komplex und technisiert unsere Welt geworden ist.

Dabei fasziniert der Siebenhundertsechziger schon alleine mit seinem Zwölfzylinder-Triebwerk und dem sämigen Antriebskomfort. Er schiebt bei aller Flauschigkeit urgewaltig, zoomt den 5,24 Meter-Brocken zusammen mit der Achtgangautomatik im Handumdrehen auf jede Geschwindigkeit innerhalb der Werksangabe. Nur schade, dass er sich ein paar der früher gesetzten V12-Spezifika verkneift: So haben BMWs Klang-Designer ihm eine irgendwie künstliche Soundnote verpasst - vorbei das typisch turbinenhafte Säuseln. Wer nicht weiß, in welcher Ausführung er sitzt, würde ihm auch einen Achtzylinder abkaufen. Doch Schwamm drüber. Schön, dass der Zwölfender bisher überlebt hat. Zum Grundtarif von 171.800 Euro plus den sündhaft teuren Unterhaltkosten wird er auf deutschen Straßen eine Rarität bleiben. Und sicherlich einmal ein beliebter Klassiker werden - genauso, wie der 750iL der Baureihe E32 einer geworden ist.

BMW 750iL - Technische Daten:
Limousine der Oberklasse, Länge: 5,02 Meter, Breite: 1,85 Meter, Höhe: 1,40 Meter, Radstand: 2,95 Meter
5,0-l-Zwölfzylinder-Benziner-Saugmotor mit Zweiventiltechnik, 220 kW/300 PS, maximales Drehmoment: 450 Nm bei 4.500 U/min, 0-100 km/h: 7,4 s, Vmax: 250 km/h, Viergang-Wandlerautomatik
Ehemaliger Neupreis (1987):  ab 119.000 Mark
Heutiger Marktpreis nach Classic Data
Note 2:  9.240 Euro
Note 3:  4.305 Euro
Note 4: 1.575 Euro

BMW M760Li - Technische Daten
Limousine der Oberklasse, Länge: 5,24 Meter, Breite: 1,90 Meter, Höhe: 1,48 Meter, Radstand: 3,21 Meter
6,6-l-Zwölfzylinder-Benziner mit doppelter Turboaufladung und Direkteinspritzung, 448 kW/610 PS, maximales Drehmoment: 800 Nm bei 1.550 - 5.000 U/min, 0-100 km/h: 3,7 s, Vmax: 305 km/h, Achtgang-Wandlerautomatik, Durchschnittsverbrauch: 12,8 l/100 km, CO2-Ausstoß: 294 g/km, Schadstoffklasse: G, Preis: ab 171.800 Euro

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