Motorrad

Die Roller-Trends 2018 - Kein Platz mehr für die Dicken

  • In MOTORRAD
  • 2. Januar 2018, 10:16 Uhr
  • Ulf Böhringer/SP-X

Die Bedeutung hubraumstarker Roller ist auf dem deutschen Markt im steten Sinkflug - größte Bedeutung hat die Mittelklasse mit 300 bis 400 Kubik. Auch die neuen Stromer können eine kleine Rolle spielen.

Die Zeiten, in denen in Deutschland großvolumige Motorroller in der Zulassungsstatistik eine große Rolle gespielt haben, sind offenbar vorbei: gibt die Hubraum-Mittelklasse ganz klar den Ton an. Sechs der zehn meistzugelassenen Scooter weisen Motoren mit 300 bis knapp 400 Kubikzentimetern Hubraum und damit Leistungen zwischen gut 20 und etwa 35 PS auf. Dazu addieren sich zwei etwas hubraumstärkere, aber auch deutlich schwerere Dreiräder - sie stammen von Piaggio und Peugeot - sowie je ein stark motorisierter E-Scooter (von BMW) und eine 150er Piaggio. 2013, also vor vier Jahren, gehörten noch vier der zehn meistverkauften Roller zu den Hubraum-Giganten mit Triebwerken von mindestens 600 Kubikzentimetern.

Branchen-Experten wissen es seit jeher: Deutschland ist kein gutes Pflaster für hubraumstarke und damit zwangsläufig entsprechend teure Scooter. Anders als in Frankreich oder Italien, wo man Roller wie Yamaha TMAX oder - eingeschränkt - auch die 650er BMWs für die regelmäßige Fahrt zum Arbeitsplatz einsetzt, werden die Hubraum-Riesen hierzulande fast ausschließlich für Freizeitfahrten genutzt; entsprechend ist die Nachfrage deutlich geringer. Weder der Honda Integra oder der davon abgeleitete Honda X-ADV noch die aufgefrischten 650er BMWs, aber genauso wenig der Suzuki Burgman 650 können sich zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen so richtig in Szene setzen. 2017 findet sich kein einziger Großroller mehr unter den Top Ten. Ob der um eine Traktionskontrolle erweiterte Honda Integra den Sprung in die Erste Liga wieder schafft, ist unkalkulierbar.

Deutsche Rollerhändler können insbesondere dann gute Geschäfte machen, wenn sie Fahrzeuge aus dem Haus Piaggio vertreiben: Zwar ist die Zahl der bis November 2017 erstmals zugelassenen Kraftroller mit über 125 Kubikzentimetern Hubraum gegenüber dem Vorjahr um rund acht Prozent rückläufig, doch ist dieses Minus kein Beinbruch: Erstens rührt das achtprozentige Plus von 2016 aus der damaligen Sondersituation der Umstellung von Euro 3 auf Euro 4, und zweitens ist der Rückgang in den anderen Zweirad-Segmenten (Motorräder, Leichtkraftroller, Leichtkrafträder) noch höher. Auch der langjährige Marktführer Piaggio muss deshalb, wie auch Honda, Einbußen hinnehmen, doch beträgt der Marktanteil der Italiener hierzulande noch immer über 50 Prozent!

Zu verdanken hat Piaggio diese Marktdominanz der seit Jahren ungebrochenen Liebe der deutschen Rollerkäufer zur Vespa GTS-300 Super. Fast vier von zehn in Deutschland verkauften Kraftrollern sind eine 300er Vespa! Den nahezu 4.000 Zulassungen von Januar bis November 2017 der großen Vespa stehen gerade 700 des Honda SH 300 gegenüber; er rangiert auf Platz zwei. Danach folgen Piaggio Beverly 350, Yamaha X-MAX 300, Kymco Xciting 400 und Kymco New Downtown 350. Diese vier Modelle erreichen zusammen gerade eine Stückzahl von rund 1.350 Fahrzeugen - ein Drittel der Vespa GTS-300 Super.

Ein nicht zu unterschätzender Konkurrent für die ,,normalen" Scooter kommt im späten Frühjahr 2018 neu auf den Markt: BMW tritt - freilich mit beträchtlicher Verspätung - mit dem Modell C 400 X erstmals in das Segment der Midsize-Scooter ein. Der flüssigkeitsgekühlte Einzylindermotor leistet 25 kW/34 PS, das Gewicht des Rollers liegt mit 204 Kilogramm ebenfalls im Rahmen des in dieser Klasse Üblichen. Nicht zuletzt der Preis dürfte eine bedeutsame Rolle spielen bei der Frage, wie gut sich der C 400 X am Markt etablieren kann. Es wird aber wohl eher nicht der deutsche Markt sein, der über den Erfolg des BMW-Scooters entscheiden wird; wichtiger sind die traditionellen Rollerländer Frankreich und Italien, abgeschwächt auch Spanien.

Eine Sonderrolle spielen die Dreirad-Scooter. Marktbedeutung haben lediglich der Peugeot Metropolis 400 (rund 300 Stück) und der MP3-500 LT, wiederum aus dem Hause Piaggio mit der etwa dreifachen Stückzahl des Peugeot. Immerhin etwa 900 MP-3 dürften heuer von den Piaggio-Händlern an Kunden ausgeliefert werden; die Größenordnung ist seit Jahren unverändert.

Bleibt noch das Thema Elektro-Scooter. Außer BMW war in der Vergangenheit noch keine andere große Marke auf diesem vermutlich doch recht zukunftsträchtigen Gebiet der urbanen Mobilität angetreten. Der aus München stammende C-evolution rollt seit dem vergangenen Jahr bereits in zweiter Generation von den Berliner Produktionsbändern, und zwar in einer deutlich stärkeren Version und mit 60 Prozent mehr Reichweite. 160 Kilometer sind jetzt im fetten Akku drin. In der Saison 2018 erscheint mit der Vespa Elettrica ein zweiter, im Roller-Segment freilich weitaus bedeutsamer Hersteller mit einem E-Scooter. Das Leistungsvermögen der Vespa Elettrica ist allerdings zwei Klassen tiefer angesiedelt als diejenige des BMW C-evolution: Mit 2 kW/2,7 PS Dauerleistung und 4 kW/5,5 PS Spitzenleistung ist die vollelektrische Italienerin zulassungstechnisch ein 50er Roller, kommt also mit einem Versicherungskennzeichen aus, weil sie auf 45 km/h gedrosselt ist. Dennoch: Die Vespa Elettrica dürfte in Regionen, in denen es größere Sperrzonen für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gibt, interessante Stückzahlen schreiben.

Deutschlands Rollerkäufer werden in der Saison 2018 nach aller Voraussicht keine Trendumkehr einleiten: Der Thron der Vespa GTS-300 Super steht so sicher wie der Dom in Köln, und auch die abgeschlagen auf den Plätzen folgenden Scooter dürften von den Midsize-Kandidaten aus den Häusern Honda, Piaggio, Yamaha, Kymco und vermutlich auch von BMW kommen. Und bei den Dreiradlern wird die Bastion Piaggio ebenso uneinnehmbar sein wie im Falle der Vespa.

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