New Mobility

Wasserstoff als Treibstoff - Toyotas Träume und Japans ,,Hydrokultur"

  • In NEW MOBILITY
  • 8. Januar 2018, 12:00 Uhr
  • Michael Specht/SP-X

Japan will eine emissionsfreie Mobilität. Genau wie Toyota. Eine Schlüsselrolle dabei spielt Wasserstoff.

Ein Anfang zumindest ist gemacht. Täglich rollen etwa zehn Toyota Mirai aus der Produktionshalle im heimatlichen Japan. ,,3.000 sind es im Jahr", sagt Entwicklungschef Kiyotaka Ise. Unter der recht eigenartig gestylten Karosserie könnte nicht nur Toyotas Zukunft, sondern die der gesamten Autoindustrie stecken. Der Mirai fährt mit Strom. Das ist nichts Neues. Andere Elektroautos machen das auch. Sie haben aber eine riesige Batterie, die meist über Stunden aufgeladen werden muss. Der Toyota nicht. Eine Brennstoffzelle produziert hier den Strom an Bord. Nötig ist dafür Wasserstoff. Das Gas wird mit dem Sauerstoff der Luft in sogenannten Stacks zusammengebracht. In einem chemischen Prozess entsteht hier Strom. Fachleute sprechen daher von Kaltverbrennung. Als Abfallprodukt fällt harmloses Wasser an.

Heile Welt, schöne Technik. Brennstoffzellenautos haben gegenüber Batteriefahrzeugen zudem den Vorteil, in fünf Minuten wieder aufgetankt zu sein. Die Reichweiten liegen schon jetzt bei 500 Kilometern und sollen mit der nächsten Brennstoffzellen-Generation auf das Doppelte steigen. Dies zumindest verspricht Toyota für seine Studie ,,Fine-Comfort Ride", wie sie im vergangenen Oktober auf der Tokio Motor Show gezeigt wurde. Auch das Flaggschiff LS der Toyota-Tochter Lexus - so die Gerüchteküche - wird in spätestens zwei Jahren mit einer Brennstoffzelle unterwegs sein. Schon früher haben Hyundai und Mercedes ihre Fuel-Cell-Modelle auf der Straße.

,,Wir glauben fest an eine Wasserstoff-Gesellschaft", sagt Toyota-Konzernchef Akio Toyoda. Mit dem Energieträger sollen zukünftig nicht nur größere Autos angetrieben und Häuser beheizt, sondern auch Busse, Laster und Industriefahrzeuge wie Bagger, Radlader und Gabelstabler versorgt werden. Wie so etwas funktionieren könnte, zeigt Japans größter Autobauer mit der in letzten Sommer eingeweihten Pilotanlage Hama Wings. Sie liegt im Hafen von Yokohama. Ein Windrad erzeugt hier den Strom. Mit ihm wird Wasserstoffgas hergestellt, das elektrische Gabelstabler antreibt, in denen wiederum Brennstoffzellen stecken, wie sie auch der Mirai nutzt. Ein CO2-neutraler Prozess, getrübt lediglich durch den Spritverbrauch der beiden Hybrid-Tankwagen, die den Wasserstoff zu den insgesamt 40 Gabelstablern im nahen Umfeld bringen. Toyota hat das aber ehrlicherweise mit einberechnet. Gegenüber einem batterieelektrischen Stapler soll die Brennstoffzellen-Variante 86 Prozent an CO2-Emission einsparen, weil dessen Strom aus dem öffentlichen Netz kommt und dieser nur einen regenerativen Anteil von zwölf Prozent hat. ,,Gegenüber einem benzinbetriebenen sind es sogar 94 Prozent" sagt Toyotas Mann für Neue Energien, Naomichi Hata.

Weil Windenergie allerdings den Nachteil hat, nicht konstant verfügbar zu sein, installierte man 180 gebrauchte Prius-Batterien, um Flauten zu überbrücken. Zu großen Paketen zusammengeschaltet, speichern die Akkus genügend Strom, um eine permanente Produktion von Wasserstoff sicherzustellen.

Wirtschaftlich ist das Hama-Wings-Projekt längst nicht im Grünen Bereich. Wie viel ein auf diese Weise produziertes Kilogramm Wasserstoff letztlich kostet, vermochte weder Toyota noch der Betreiber Yokohama Wind Energy zu sagen. Das Ganze läuft mit finanzieller Unterstützung des Umweltministeriums.

Japans Regierung hilft auch kräftig bei einem weiteren Toyota-Projekt namens SORA mit. Die Buchstaben stehen für Sky, Ocean, River und Air, Himmel, Ozean, Fluss und Luft. Sie kleben an einem hochmodernen Brennstoffzellenbus, dessen Produktion im nächsten Jahr beginnen soll. 100 Stück sind geplant. Ihre Aufgabe: Zunächst Menschen während der Olympischen Spiele 2020 in Tokio emissionsfrei von A nach B zu bringen. Danach ist der Einsatz im öffentlichen Nahverkehr vorgesehen. Toyota ist Hauptsponsor der Sommer-Olympiade und Partner der Paralympic, hat dafür insgesamt rund 800 Millionen Euro bezahlt. Unter Umständen gut investiertes Geld. Während die Welt dem Sport zuschaut, lässt sich prima die Botschaft vom saubersten und nachhaltigsten Autohersteller der Welt in Szene setzen.

Sollten sich eines Tages die SORA-Busse dem Preisniveau eines konventionellen Busses nähern - derzeit kostet ein Brennstoffzellen-Exemplar mit umgerechnet 900.000 Euro fast viermal so viel - denkt die japanische Regierung darüber nach, sämtliche rund 35.000 Stadtbusse im Land auszutauschen. Zeithorizont: 2030 bis 2050. Bis dahin sollte auch eine passende Infrastruktur aufgebaut sein. Denn noch ist das Netz sehr grobmaschig. ,,Wir haben in Japan etwa 90 Tankstellen für Wasserstoff. Bis 2020 erwarten wir 160, bis 2025 über 320 Tankstellen", sagt Kiyotaka Ise. Zum Vergleich: Das Versorgungsnetz in Deutschland umfasst 30 Anlagen. Bis Ende 2018 will H2 Mobility 100 Säulen aufgestellt haben, 2023 sollen es dann 400 Zapfsäulen sein.

In Long Beach im US-Bundesstaat Kalifornien baut Toyota gerade eine Wasserstoffanlage, die sich umweltfreundlich aus Biomasse ernährt. Sie soll Brennstoffzellen-Fahrzeuge versorgen, die in der Region unterwegs sind, unter anderem ein Schwerlast-Lkw von 36 Tonnen. Dessen Reichweite wird mit 320 Kilometern pro Tankfüllung angegeben. Kalifornien zählt zu den Ländern mit dem am besten erschlossenen Wasserstoff-Tankstellennetz. Derzeit gibt es 31 Stationen.

Doch ist Wasserstoff beileibe kein Wunderstoff. Er ist zwar nahezu unbegrenzt vorhanden, hat aber den Nachteil, als Gas nicht ungebunden in der Natur vorzukommen, sondern muss mit viel Energie irgendwo herausgeholt werden, beispielsweise per Elektrolyse aus Wasser. Oder es fällt in Raffinerien an. Oder entsteht als Nebenprodukt bei der Düngemittelherstellung. Oder man spaltet es aus Erdgas ab, was energetisch aber wenig sinnvoll ist. Weltweit und jährlich werden in der Großchemie rund 50 Millionen Tonnen Wasserstoff produziert. Allein diese Menge würde laut Toyota ausreichen, gut 250 Millionen Mirai 20.000 Kilometer weit fahren zu lassen.

Japan setzt auch deswegen auf diesen Energieträger, weil es so gut wie keine eigenen Ressourcen besitzt. Rohöl und Kohle müssen nahezu vollständig importiert werden. Wasserstoff dagegen ließe sich im eigenen Land herstellen, idealerweise aus regenerativen Quellen. Ihr Anteil soll von bereits erwähnten zwölf in den nächsten drei Jahren auf 20 Prozent steigen. Ironie: Viele Windräder stehen im Gebiet um Fukushima, wo vor im März 2011 ein Atomkraftwerk havarierte.

Je nach Entwicklung der Brennstoffzellen-Technologie, der Reduzierung der Kosten und je nach Menge der Pkws, Busse und Laster, die damit in vielleicht zehn oder 20 Jahren herumfahren mögen, macht man sich die Regierung bereits Gedanken darüber, wie eine ausreichende Versorgung garantiert werden kann. Pläne liegen in der Schublade. Sie sehen vor, zusätzlich Wasserstoff mittels Sonnenenergie in Australien gewinnen zu lassen, ihn vor Ort zu verflüssigen und mit Kühlschiffen nach Japan zu bringen.

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