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Panorama: Mount Panorama Circuit in Bathurst - Auf der gefährlichsten Strecke der Welt

  • In AUTO
  • 16. Februar 2018, 11:03 Uhr
  • Stefan Anker/SP-X

Was für ein Rennen: Die Interkontinental-Meisterschaft der GT3-Tourenwagen hat mit den zwölf Stunden von Bathurst begonnen, die so dramatisch endeten wie noch nie. Unser Reporter hat die australische Strecke selbst getestet.

,,Hey, ihr da", ruft der Mann, der aus dem braunen Porsche 911 S steigt, ,,ihr fahrt doch bestimmt nicht eure eigenen Autos, oder?" Russell, so stellt er sich vor, ist halb verwundert, halb verstimmt: In unserer Gruppe aus Porsche-Sportwagen war er relativ weit vorn gestartet, und später fand er sich am Ende wieder. Was ihn besonders gewurmt hat: Zwei von uns haben ihn mit einem schlichten 718 Boxster beziehungsweise Cayman überholt, und die haben jeweils nur 300 PS - 120 weniger als Russells Elfer.

Willkommen in Bathurst, auf einer der verrücktesten und gefährlichsten Rennstrecken der Welt. Man muss bis Australien reisen, um sie zu entdecken - preiswerter geht es nur in Computer- oder Videospielen, etwa Gran Turismo für die Playstation. Wer Bathurst dort zum ersten Mal sieht, muss glauben, die verschlungene Piste wäre eine Erfindung der Programmierer. Aber die Strecke ist echt, nur ist sie an den meisten Tagen im Jahr keine Rennstrecke, sondern eine kleine Landstraße rund 200 Kilometer westlich von Sydney.

Was Bathurst so irreal macht, ist die Gefährlichkeit. Gelbe Flaggen und Safety-Car-Phasen sind eher Regel als Ausnahme, 2017 und 2018 gab es während des Zwölfstunden-Rennens im Februar jeweils 16 Unfälle - dieses Jahr kam es 15 Minuten vor Schluss zum letzten schweren Crash, danach wurde das Rennen sogar vorzeitig beendet. Man ist also gewarnt, wenn man diese Strecke befahren und dabei auch noch schnell sein will. Es gibt nicht nur keine Auslaufzonen, sondern reichlich Mauern links und rechts der Piste, die so schmal ist, dass normalerweise nur zwei, im Rennen höchstens drei Autos nebeneinander passen. Also kein Vergleich zu einer am Computer berechneten superbreiten Formel-1-Strecke, auf der man auch Lkw-Meisterschaften austragen könnte.

Die Mauern stehen übrigens nicht zum Spaß da. Weil es hinauf geht zum 174 Meter hohen Mount Panorama, verhindern die Betonwände zum einen, dass Autos, die von der Strecke abkommen, tief abstürzen. Zum anderen halten die Mauern die Erde ab vom Nachrutschen auf den Asphalt.

Das Zwölf-Stunden-Rennen wird traditionell um 5.45 Uhr morgens gestartet, es ist damit das einzige Rennen der Welt, das im Dunkeln beginnt. So hart sind die Bedingungen bei der Porsche Track Experience nicht, wir haben Tageslicht und freie Bahn, außerdem fahren Instruktoren vorneweg. Nutzt man die gleiche Linie wie sie, sollte man keine Probleme haben, allerdings darf man sich auf keinen Fall an ihrem Bremsverhalten orientieren. Die Experten fahren Porsche 911 GT3 RS, und dieser Wagen kann dank seines riesigen Heckflügels durch manche Kurven schnell fahren, ohne sie vorher anzubremsen. Wer das im Boxster versucht, muss mit erheblichen Problemen rechnen, das Auto auf der Straße zu halten.

Aber keine Panik. Russell und die anderen haben rund 6000 australische Dollar (ca. 3600 Euro) für ein Wochenende in einem Luxus-Zeltlager an der Strecke inklusive Fahrgelegenheit gezahlt. Das Letzte, was die Instruktoren wollen, ist ein beschädigtes Auto oder gar ein verletzter Fahrer. Also geben sie in der ersten von drei Fahrstunden eher mäßiges Tempo vor, sie merken sich dabei, wer hinter ihnen wie schnell fahren kann, und dann sortieren sie später neu - mit dem Ziel, dass homogene Gruppen entstehen. Russell, der angab, sein Auto hier auf keinen Fall gefährden zu wollen, haben wir jedenfalls nach der ersten Stunde nicht mehr gesehen.

Es fängt eigentlich ganz harmlos an in Bathurst. Nach der Zielgeraden kommt eine 90-Grad-Linkskurve (,,Hell's Corner"), und dann geht es über die ,,Mountain Straight" einen guten Kilometer bergauf. Vollgas ist hier empfohlen, aber dann wird es anspruchsvoll. Eine Rechtskurve leitet den Bereich des Berges ein, in dem es zur Sache geht. Man kann in dieser Rechtskurve als Amateur viel Zeit verlieren, aber nicht unbedingt das Auto. Danach aber bauen sich drohend die Mauern auf und es kommt die erste Kurvenkombination, die hartes Anbremsen und das Zurückschalten in den zweiten Gang verlangt.

Das folgende Hochbeschleunigen ist schon eine kleine Mutprobe, weil man über mehrere Rechtskurven schneller wird und den Verlauf der Straße nicht richtig sehen kann - nur die Mauer zur Linken. Endlich knickt die Straße nach links ab, aber zuvor ist der Anstieg so steil, dass man schon wieder nichts sieht. Die Kuppe, die vor dem Auto liegt, ist eine kleine Mutprobe, verhindert sie doch den Blick auf potenziell liegengebliebene andere Autos.

Weiter geht es links herum, noch zwei unübersichtliche Kurven, das Auto fährt nicht mehr bergauf, wird also tendenziell schneller, dann folgt der gefährlichste Teil: die Abfahrt. Erst kommen ,,The Esses", eine Ansammlung von S-Kurven, dann geht es in das steilste Kurvenstück ,,The Dipper", und zum Schluss erinnert die Kurve ,,Forrest's Elbow" an den Motorradrennfahrer Jack Forrest, der sich hier mal den Ellenbogen abgerissen hat - gruselig.

Die Kurven bergab sind fahrerisch extrem herausfordernd, weil es für einen Amateur kaum herauszufinden ist, wann man das Auto tatsächlich bremsen soll. In der Regel bremst man zu früh, damit man möglichst nichts mit den Mauern zu tun hat, und wenn man dann später den echten Rennfahrern zusieht, ist man erstaunt, was alles noch geht.

Nach ,,Forrest's Elbow" geht es hinab auf die ,,Conrod Straight", hier kommt der kleine Porsche 718 Boxster an seine Grenzen. Jedenfalls sind alle 911-Varianten im Feld bergab schneller, weil sie einfach die stärkeren Motoren haben. Aber es geht beim Sportwagen eigentlich nicht darum, möglichst schnell geradeaus zu fahren. Die Kurven sind das Salz in der Suppe, und dafür gibt einem der kleine Porsche mit seinem Mittelmotor (hinter den Sitzen, aber vor der Hinterachse) sehr viel Vertrauen.

Die Tourenwagen der GT3-Klasse haben am Ende der ,,Conrod Straight" rund 290 km/h drauf und jagen ungebremst durch die zarte Rechtskurve, die das Ende der Geraden mit der nachfolgenden Links-Rechts-Schikane ,,The Chase" verbindet. ,,The Chase" ist die einzige bauliche Veränderung an der Strecke, weil die Endgeschwindigkeit vor dem folgenden Linksknick in Start und Ziel sonst zu hoch geworden wäre.

Mehr als zweieinhalb Minuten sind vergangen, bis die Zielgerade wieder überquert ist. Der Rekord für die 6,213 Kilometer lange Strecke mit ihren 23 Kurven liegt bei 2:01,286 Minuten, aufgestellt in einem GT3-Rennwagen von McLaren. Das kann man als Zivilist niemals erreichen, aber die Zeit ist abseits des Motorsports auch gar nicht so wichtig. Es geht bei so einem Trackday mehr um das Vergnügen daran, die eigene Linie, den eigenen Rhythmus mit dem Auto zu finden. Sich wohl zu fühlen beim Schnellfahren.

Und Russell hat übrigens unrecht. Das eigene Auto an die Mauer zu setzen ist teuer und sehr, sehr ärgerlich. Passiert dasselbe mit einem geliehenen Auto, dann ist es nicht nur teuer und sehr, sehr ärgerlich. Es ist außerdem noch unglaublich peinlich. Wir Porsche-Gäste waren also nicht sorgloser als Russell, eher im Gegenteil - wir hatten einfach nur einen anderen Rhythmus.

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