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Test: Vello Bike+ - Das Klapp-Krad

  • In NEW MOBILITY
  • 20. April 2018, 12:43 Uhr
  • Mario Hommen/SP-X

Faltbare Pedelecs sind derzeit im Kommen. Allerdings macht ein zusätzlicher E-Antrieb die meisten Klappkünstler schwer und sperrig. Anders beim Vello, das in beiden Aspekten Maß hält und damit für Pendler eine Interessante Alternative bietet.

Die noch junge österreichische Faltrad-Marke Vello bringt im Mai ihr bereits 2016 vorgestelltes E-Antriebs-Modell Bike+ offiziell in den Markt. Grund genug, einmal zu testen, ob das feine und minimalistische Pendler-Pedelec als kompetente Alternative zu Klappradklassikern wie Brompton oder anderen E-Bikes taugt.

Bei der ersten Inspektion hinterlässt das Vello jedenfalls einen kompetenten Eindruck. Die Rahmenkonstruktion wirkt elegant, filigran und stabil zugleich. Dank der profillosen Kojak-Reifen von Schwalbe und der Abwesenheit von Schutzblechen vermitteln die 20-Zoll-Räder zudem eine sportliche Leichtigkeit. Darüber hinaus gefällt das Rad mit einigen smarten Lösungen wie etwa der in den Rahmen integrierten, allerdings nicht sonderlich leuchtstarken LED-Lichtanlage oder dem (optionalen) Riemenantrieb. Edle Anbauteile wie der dezent gepolsterte und zugleich sportliche Selle-Royal-Sattel oder der von Vello selbst designte Faltlenker aus Alu runden den positiven Eindruck ab. Letzterer verzichtet allerdings auf jegliche Kröpfung, was nach einigen Kilometern die Handgelenke in unangenehmer Weise belasten kann. Vello bietet aber Lenkeralternativen an, die eine bequemere Haltung erlauben sollen.

Besonders aufgeräumt ist das Vello in Hinblick auf den E-Antrieb, da sich dieser ausschließlich auf die Hinterradnabe konzentriert, die etwas wuchtiger ausfällt als eine übersetzungsreiche Nabenschaltung. Diese Lösung stammt von der italienischen Firma Zehus, die wirklich alles in die Nabe beziehungsweise in eine App gepackt hat. 250-Watt-Motor, die 160-Wh-Batterie sowie die Regelelektronik bündeln sich im runden Metallkorpus im Hinterrad. Schalter oder ein Display am Lenker erübrigen sich, da es ein Bluetooth-Modul gibt, mit dem sich eine Verbindung zwischen Smartphone-App und Antrieb herstellen lässt.

Mit Hilfe der App kann man unter anderem den Unterstützungsmodus einstellen und sich über Reichweite und Geschwindigkeit informieren. Will man das während der Fahrt, bräuchte man allerdings eine spezielle Handyhalterung am Lenker. Darauf kann man aber verzichten, denn wer einmal den für sich richtigen Fahrmodus eingestellt hat, wird die meiste Zeit in diesem bleiben. Für die Aktivierung des E-Antriebs braucht es keinen Schalter oder die App. Sobald man das Fahrrad ausschließlich per Muskelkraft auf 10 km/h beschleunigt hat, erweckt man durch dreimaliges Rückwärtstreten das E-Triebwerk zum Leben. Bleibt das Vello einige Zeit unbewegt, schaltet sich der Antrieb von selbst ab.

Der fast geräuschlos arbeitende Motor sorgt in der höchsten Unterstützungsstufe namens Turbo für ordentlichen, allerdings nicht souveränen Schub. Wer etwas flotter fahren will, bleibt zumeist knapp unterhalb der sonst bei Pedelecs üblichen 25 km/h. An Steigungen verliert man sogar deutlich an Schwung. Man kann auch schneller mit dem Vello fahren, wenn man entsprechend in die Pedale tritt. Der E-Antrieb leistet dabei keinen Widerstand, außer man nutzt den Rekuperationsmodus, mit dem sich Energie zurückgewinnen lässt. Man kann die Rekuperation in ihrer Intensität per Rücktritt regulieren und damit den Motor sogar als Bremse nutzen. Alles in allem eine eigentlich runde Sache, zumal die Reichweite stimmt, denn mit einer Ladung kommt man verblüffender Weise selbst bei maximaler Unterstützung gut 50 Kilometer weit. Störend ist jedoch eine fehlende Übersetzungs-Alternative. Zumindest in der Basis ist das E-Vello ein Single-Speed mit einer zudem recht kurzen Übersetzung. In der Praxis muss man deshalb mit hoher Trittfrequenz fahren. Wer das nicht mag, kann alternativ eine Schlumpf-Schaltung ordern, die eine zusätzliche, längere Übersetzungsstufe ins Spiel bringt. Dieser Extragang kostet allerdings 490 Euro Aufpreis.

Größte Zielgruppe für die E-Bike-Variante des Vello sind Pendler, die für die letzten Kilometer vom Bahnhof ohne schweißtreibende Beinarbeit zum Endziel kommen wollen. Für genau diesen Einsatzzweck ist das Klapprad gut aufgestellt. Das Zusammen- und Auseinanderklappen geht allerdings nicht ganz so locker von der Hand wie bei einem Brompton. Auch beim Packmaß im gefalteten Zustand kann das Vello mit der referenzverdächtigen Kompaktheit der britischen Faltrad-Ikone nicht ganz mithalten. Doch verliert Österreich gegen England in diesem Duell letztlich nur wenige Sekunden und wenige Zentimeter. Im Gegenzug bleibt beim Vello während jeder Transformation der Zahnriemen beziehungsweise die Kette stets unter Spannung, weshalb man sich hier, anders als beim Brompton, bei Faltvorgängen nicht mit einer gelegentlich abspringenden Kette rumplagen muss.

Ebenfalls erfreulich: Der kompakte Zehus-Antrieb beeinträchtigt nicht das Packmaß des Vello. Und anders als bei Pedelecs üblich, bleibt sogar das Gewicht mit 14 Kilogramm auf erfreulich niedrigem Niveau. Entsprechend wird man das E-Bike gefaltet problemlos auch einige hundert Meter über den Bahnsteig tragen können. Beim Verladen in den Kofferraum eines Autos hebt man sich zudem keinen Bruch. Und in den meisten Zügen sollte sich eine Abstellmöglichkeit zur kostenlosen Mitnahme finden.

Rund 2.900 Euro verlangt Vello für die Basisversion des Bike+ mit Kettenantrieb, 3.300 Euro kostet die von uns getestete Variante mit dem leisen und sauberen Riemenantrieb. Diese Lösung bietet sich für ein Klapprad in besonderer Weise an, da beim Hantieren mit dem Rad oder beim Abstellen auf empfindlichen Oberflächen kein Ungemach durch Kettenfettschmutz droht. Zusätzlich sollten beim Vello Bike+ noch die Schlumpf-Schaltung und die cleveren, weil mitfaltenden Schutzbleche dabei sein, was dann den Preis auf fast 4.000 Euro treibt. Auch wenn im Gegenzug einige schicke Komponenten wie etwa hydraulische Scheibenbremsen von Shimano dabei sind, ist das ein stolzer Preis für ein Fahrrad, dessen Einsatzgebiet sich vor allem auf  das intermodale Reisen beschränkt. Im Gegenzug bekommt der moderne Commuter immerhin ein schickes, edles und in mehrfacher Hinsicht smartes Bike mit eingebautem Rückenwind und lediglich einigen verzeihlichen Detailschwächen.

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