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Wiener Motorensymposium - Brennen für die Zukunft

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  • 27. April 2018, 11:40 Uhr
  • Peter Weißenberg/SP-X

Die Motorenbauer übertreffen sich auf ihrem wichtigsten Jahrestreffen mit neuen Ideen für bessere Verbrennungsmotoren. Fragt sich nur, ob Kunde und Gesetzgeber auch so begeistert sind.

Hans-Peter Lenz gibt sich ganz sicher: "Der Verbrennungsmotor wird auch in den nächsten 20 Jahren die Hauptantriebsquelle der Straßenfahrzeuge bleiben", sagt der Professor in seiner Eröffnung des Wiener Motorensymposiums. Und Ingenieure von Daimler, VW, Hyundai, BMW, Toyota oder Audi zünden danach ein Feuerwerk an neuen Ideen zur Verbesserung von Benzinern, Diesel und Gasmotoren.

Alles wieder gut? Feinstaub, City-Maut, Dieselskandal, Stickoxid-Debatte abgehakt? Dass die Selbstsicherheit aus den bisherigen 38 Jahrestreffen der weltweiten Motorenentwickler-Elite dahin ist, zeigt sich beim vorletzten Vortrag. Da referiert nämlich erstmals ein Jurist vor den Technikern. Und Professor Klaus Gärditz von der Uni Bonn analysiert doch tatsächlich, dass sogar die Debatte um ein Verbot der Dieselproduktion "aktuell werden könnte", wenn die Anwesenden nicht Gas geben. Die nächsten 20 schönen Verbrenner-Jahre sind also akut gefährdet - und damit der eigene Job. Wenn das kein Ansporn ist.

Wichtigste Maßnahme der Motorenentwickler: Diesel und Benziner sollen von sich aus noch viel sauberer werden. Helmut List, Chef der gleichnamigen Messtechnik-Firma, ist sich sicher, dass Schadstoffe im Verbrennungsmotor so weit reduziert werden können, dass Autos "keinen großen Einfluss mehr auf die Luftqualität haben".

Geheimwaffe Nummer eins: Höllenhitze. Ob neue 1,6-Liter-Diesel von Mercedes, 1,5-Liter-Benziner von VW oder mächtige Achtzylinder bei BMW - die nächste Generation Motoren wird die Abgasanlagen noch näher an die Turbolader oder die Maschine direkt bringen. Das hilft, um bei der Abgasnachbehandlung die Reste besser zu verbrennen. Wenn der Motor allerdings noch kalt ist, oder der Winter klirrend, dann muss zusätzlich nachgeholfen werden.

Geheimwaffe zwei: 48 Volt plus Mini-Elektromotor. Mit einem vierfach stärkeren Netz und Kraft aus dem Riemen-Starter-Generator kann der Heizkatalysator auch dann schon wirken, wenn aus dem Motor nicht genug Wärme kommt, um sauber zu verbrennen. Experte List ist sich sicher, dass dieser Schritt zur Super-Batterie gerade beim Diesel bald Standard wird. VW führt das 48-Volt-Netz etwa beim Volumen-Diesel mit zwei Litern Hubraum ein. Im Herbst startet das Aggregat bei Audi, auch der nächste Golf bekommt es.

Geheimwaffe drei: der doppelte SCR-Kat. Der Stickoxid-Killer für den Diesel ist schon jetzt der Königsweg, um die Selbstzünder fit für die Zukunft zu machen. Problem dabei: Steht der Motor unter Höchstlast, weil der eilige Handelsvertreter den Diesel über die Autobahn peitscht, stößt der motornahe SCR-Kat an seine Grenzen. Dann soll künftig ein zweiter Kat im Unterboden die Emissionen filtern. Auch Grenzwerte künftiger Normen jenseits von Euro 7 oder 8 ließen sich so unterbieten.

Beim Benziner werden zudem auch in der Großserie künftig variable Verdichtungen dafür sorgen, dass die Abgase noch rückstandsfreier verbrennen - und nebenbei der Lauf komfortabler und spritziger wird. Hochdruckeinspritzung oder Selbstzündung wie bei Diesel sind weitere Tricks, mit denen Ingenieure die Benziner besser machen werden. Mazda etwa bringt im kommenden Jahr schon einen solchen Benziner mit Diesel-Funktionalität.

Nicht zu vergessen ist die schlichte Verwendung von Erdgas statt Benzin, die schon einen großen Vorteil beim CO2-Ausstoß bringt. Gerade Volkswagen gibt hier mächtig Gas mit einem brandneuen 1,5-Liter-CNG-Motor.

Viele Ingenieure fühlen sich aber ungerecht behandelt. Denn der Gesetzgeber und die Öffentlichkeit konzentrierten sich nur darauf, was aus dem Auspuff kommt. Wenn künftig auch die Herstellung des Kraftstoffs mit in die Ökobilanz und die Abgasnormen einbezogen würden, könnte sich die Umweltbilanz dramatisch ändern. Autos, die mit klimaneutralen Kraftstoffen aus Öko-Produktion laufen, wären bei gerechter Betrachtung sauberer als ein Elektrofahrzeug mit dem Strom aus Braunkohle - die Kosten der Batterieproduktion noch gar nicht eingerechnet. Die Schweiz experimentiert bereits mit einem solchen Berechnungs-System bei synthetischem Erdgas aus Windkraft. Neue Chancen für den Verbrenner.

Aber natürlich verlassen sich die Motorenentwickler nicht nur auf den Sinneswandel der Gesetzgeber. Darum ist in Wien auch überall Neues bei Batterietechnik und Wasserstoff-Antrieben zu sehen. Zulieferer Mahle etwa zeigt ein batteriegetriebenes Stadtfahrzeug mit 170 Kilometern Reichweite, dessen komplette Motor-Getriebe-Einheit platz- und kostensparend auf der Hinterachse sitzt. Die Schwerlast-Experten von Ziehl-Abegg packen diese ganze Technik in die Radnaben der Hinterachsen großer Stadtbusse. Die 70-Sitzer mit 3.700 Newtonmetern Drehmoment und 164 PS sind schon im Testeinsatz", so Sascha Klett, technischer Leiter des Mittelständlers. Kommt ein Diesel-Verbot in den Citys, die Techniker stehen bereit.

Müssen sie auch. Denn anders als früher ist die Zukunft der Motorentechnik vor allem eins: höchst ungewiss. "Wir müssen 15 verschiedene Normen allein in China, Europa und Nordamerika umsetzen - und bis 2021 alle Emissionen aller Fahrzeuge neu berechnen. Das gab es noch nie", sagt Kurt Blumenröder, Aggregate-Chef bei VW. Dazu kommen lokale Vorgaben und mögliche Gerichtsurteile, die oft unabsehbar sind. Motorenentwickler müssen darum auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen, um die Flottenverbräuche der Zukunft sicher zu erreichen: von saubereren Verbrennern über Hybrid-Motoren mit Elektrounterstützung bis zum Plug-In-Hybriden, der lokal auch mal 60 Kilometer schadstofffrei unterwegs sein kann.

Nicht zu vergessen, die rein elektrische Fahrzeuge - bei denen sieht Michael Bramberger von Samsung rund 30 Prozent mehr Speicherkapazität auf gleichem Bauraum bis Mitte des nächsten Jahrzehnts kommen. "Und dann beginnt eh die Zeit der Festkörper-Batterie, die bei gleichem Gewicht und Volumen viel mehr Energie speichern kann", so der Zell-Spezialist.

Das Problem bei all dem Fortschritt: Niemand weiß, welcher Technik-Mix in ein paar Jahren von den Kunden wirklich gekauft wird. Genau daran aber bemisst sich die Einstufung der Flottenverbräuche, die sukzessive unter Durchschnittswerte von 100 Gramm gedrückt werden müssen.

Am einfachsten geht das mit einer möglichst großen Zahl von verkauften Elektroautos. Bei VW sollen es 2025 schon ein Viertel aller Fahrzeuge sein: "Aber gelingt das nicht, haben wir ein Riesenproblem", so VW-Mann Blumenröder. Darum muss der Verbrenner unbedingt supersauber werden. Es gibt noch viel zu tun bis zum nächsten Motorensymposium.

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