Mehr als 50 Marken wollten vor 60 Jahren den Traum von der schöneren Aussicht wahr machen. Obwohl der Trend zur Panorama-Frontscheibe von den Medien als totwinkelfreie Windschutzscheibe gefeiert wurde, dauerte er nur wenige Jahre.
Es war die großzügige Panoramaverglasung, mit der die Amerikaner die Lebenslust der frühen Nachkriegszeit in automobile Formen fassten und einen globalen Designtrend auslösten. Vor 60 Jahren kamen die riesigen Fenster für mehr Fahrspaß nach Europa. Ob Opel, Alfa, Mercedes oder Volvo - Panorama lag im Trend. Statt des Blicks aus kleinen, geteilten Windschutzscheiben oder Brezel-Rückfenstern boten Limousinen und Coupés, aber auch erste Kombis mit Panoramascheiben ihren Passagieren eine schöne Aussicht. Der Hype erreichte im Modelljahr 1958/59 einen Zenit, als allein in Deutschland nicht weniger als 55 Marken von Alfa bis Volvo den Traum dem Trend folgten.
Tatsächlich hatte es schon vor dem Zweiten Weltkrieg mehrere Anläufe gegeben, Limousinen in lichtdurchfluteten Formen zu etablieren. Richtig los ging die Suche nach der großen Sicht 1947, als Studebaker im Starlight die erste gebogene Frontscheibe aus Sicherheitsglas einführte. Essentielles Accessoire aller glamourösen amerikanischen Stilikonen wurde die beim Le Sabre gezeigte, ,,herumgewickelte" Wraparound-Windschutzscheibe 1953. Ein Jahr später präsentierte der italienische Stardesigner Pininfarina den Lancia Aurelia B24 Spider mit einer Panoramascheibe, die an die Windabweiser der legendären Riva-Motorboote erinnerte. Noch weiter ging 1956 Pininfarinas Ferrari Superfast, der auf A-Säulen verzichtete und plexiverglaste Scheinwerfer einführte.
Aber auch bei den Massenmodellen wurde Panorama nun zur automobilen Mode für Millionen. Prädestiniert für diesen Schaulauf war der Panoramascheiben-Rekord P1 (P = Panorama), wie der heute unvorstellbare Jubel begeisterter Passanten unterstrich, als diese ersten Opel im Buick-Style auftauchten. Der Sicherheitsgewinn durch ein besseres Sichtfeld führte dazu, dass sogar konservative Hersteller wie Volvo immer größere Verglasungen einführten, wie der Volvo PV 544 demonstrierte.
Panoramascheiben öffneten den Passagieren die Augen, fühlten sie sich damit doch fast im Freien, besonders natürlich in exklusiven Hardtop Coupés á la Facel Vega oder Mercedes 220. Auch Auto Union 1000 SP Coupé, Simca Océane oder Alfa Giulietta Sprint Speciale punkteten so - ohne bei Regen oder Gewittern unpässlich zu sein wie Cabriolets. Neben Panorama-Front- und Heckscheiben (in fast allen US-Modelle sowie bei Panhard Dyna, Simca Ariane und Vedette, Tatra 603, Vauxhall Victor und Cresta) konzentrierten sich manche Marken auf extragroße Heckscheiben (etwa BMW 502, Borgward Isabella Coupé, Bristol 406, Ford Consul, Goggomobil Coupé, Lloyd Frua, Renault Floride oder Volvo PV 544). Ganz auf das Thema Reisen ausgerichtet waren dagegen nicht nur Panorama-Busse, sondern auch Vielfenster-Typen wie Wartburg 311 Camping, Borgward Isabella Combi, Fiat Multipla, Lloyd LT 600 oder Opel Caravan.