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Test: Mercedes S 450 - Und die Welt bleibt draußen

  • In AUTO
  • 22. Juli 2018, 09:08 Uhr
  • Peter Eck/SP-X

Die S-Klasse gilt seit jeher als die Krone der automobilen Schöpfung. Kann sie diese Rolle angesichts der schnell auf uns zukommenden Veränderungen auch in der Mobilität heute noch ausfüllen? Wir haben es mal ausprobiert.

Auf was kann man sich heute noch verlassen? Wenn wir die Nachrichten als Grundlage nehmen zum Beispiel nicht mehr auf die Transatlantische Partnerschaft und wenn wir in den Sportteil der Tageszeitung schauen offensichtlich auch nicht mehr auf unsere Fußballer. Doch damit nicht genug, auch die Herrlichkeit deutschen Ingenieursschaffens hat in den letzten Jahren empfindliche Kratzer abbekommen, die Stichworte ,,BER" oder ,,Dieselgate" dürften hier als Beispiele schon genügen. So stiegen wir etwas bangen Herzens in eine Ikone schwäbischer Automobilbaukunst: Ist wenigstens die S-Klasse von den Zeitläuften und dem allgegenwärtigen ,,Auf-nichts-ist-mehr-Verlass" verschont geblieben?
 
Der erste Eindruck scheint dies auf jeden Fall zu bestätigen. Hat man die Türe geschlossen, was übrigens ganz sanft geschehen kann, weil die Zuziehhilfe dann den Rest erledigt, ist auch die Welt zunächst mal außen vor. Dann folgt ein erster Moment der Irritation - hat man den Motor nun gestartet, oder nicht? Zumindest wenn wie bei uns ein Benziner unter der Haube säuselt, kann man sich da schon mal unsicher sein. Erst wenn das Gaspedal etwas beherzter durchgetreten wird, macht sich der Reihensechszylinder bemerkbar, aber nicht unwillig oder angestrengt, sondern eher dezent, als würde er nur mal eben darauf aufmerksam machen wollen, dass es ihn gibt und dass man durchaus mehr von ihm verlangen dürfe.
 
 
Das fängt also schon mal gut an. Geht aber nicht unbedingt so weiter. Denn obwohl der Autor dieser Zeilen körperlich guten Durchschnitt verkörpert - der schwäbische Ingenieur würde von 1.830 Millimetern sprechen - hat er bei der Sitzeinstellung das Gefühl, als hätte sich das Gestühl noch gerne einen Zentimeter weiter nach unten verstellen lassen können. Er sitzt natürlich trotzdem sehr gut, aber eben nicht perfekt.
 
Dafür stimmt in diesem Fall die häufig bemühte Floskel von der ,,Langstrecken-Tauglichkeit" der Sitze mal wirklich. Selbst eine Fahrt von 1.500 Kilometern über zwei Tage ging an Rücken und Gesäß von Fahrer und - viel wichtiger noch - der in dieser Beziehung recht empfindlichen Beifahrerin komplett schmerz- und druckstellenfrei vorbei. Wir glauben, dass es eventuellen Mitfahrern hinten ähnlich gegangen wäre. Dort lagerten in unserem Fall allerdings nur einige Taschen, denn der Kofferraum fällt mit 470 Litern zwar nicht gerade klein aus, die eigentlich eine Nummer kleinere E-Klasse fasst allerdings 70 Liter mehr. Woraus wir schließen können: Die S-Klasse ist zwar eine perfekte Reiselimousine, aber nicht wirklich für die große Urlaubsfahrt konzipiert, sondern soll in erster Linie wichtige Menschen höchstkomfortabel ins Büro, zu Besprechungen oder zum Flughafen bringen.
 
Das macht sie natürlich (S-)Klasse und auf sehr distinguierte Art dazu. Denn eigentlich ist das Fahrzeug in jeder Beziehung eher unauffällig. Das Design, ähnlich wie bei der C-Klasse. Die Innenraumeinrichtung, kennt man irgendwie auch, hier ist alles nur nochmals feiner. Der Antrieb, ein Sechszylinder-Benziner ohne Schnickschnack, leise und durchzugsstark, wenn auch unter Last nicht gerade sparsam: Im Schnitt kamen wir auf 10,4 Liter statt der optimistischen 7,3 des Normwertes.
 
Ist ja auch eine Menge Auto, das man da durch die Straßen fährt. Über zwei Tonnen Gewicht, mehr als 5,10 Meter Länge. Parkplatzprobleme hat der S-Klasse-Fahrer wohl trotzdem eher nicht, wartet doch vor dem Büro der reservierte Vorstandsparkplatz und zuhause die großzügig bemessene Garage vor der Villa. Und wenn es mal einfach in die Stadt gehen soll: sollte man einen Chauffeur haben oder einen Zweitwagen. Auch dies dürfte kein unlösbares Problem sein.
 
Für einen ganz normalen Autoalltag ist das Flaggschiff der Schwaben allein aufgrund seiner Abmessungen dagegen kaum geeignet. Obwohl wir uns an die sanft-dynamische Fortbewegung und den zurückhaltenden Luxus recht schnell gewöhnt hatten. Weniger schnell gewöhnt man sich an die Preise: Mit über 93.000 Euro steht die S-Klasse mit dem knapp 390 PS starken Benziner in der Preisliste. Wer eine solche schon mal durchgeblättert hat, weiß, wie viele Optionen dort noch zur Verfügung stehen. Aber wer schmale 120.000 Euro investiert, oder in diesem Fall besser gesagt seine Firma investieren lässt, sollte alles Wichtige und vielleicht auch einiges Überflüssige an Bord haben. Ob das heute noch sinnvoll ist? Das war nicht die Frage.

Mercedes S 450 - Technische Daten:
Viertürige, fünfsitzige Limousine der Oberklasse; Länge: 5,13 Meter, Breite: 1,90 Meter, Höhe: 1,50 Meter, Radstand: 3,04 Meter, Kofferraumvolumen: 470 Liter
3,0-Liter-Reihensechszylinder-Benziner, 286 kW/389 PS, maximales Drehmoment: 500 Nm, Neungang-Automatik, 0-100 km/h: 5,1 s, Vmax: 250 km/h, Normverbrauch: 7,3 Liter/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 166 g/km, Effizienzklasse: B, Abgasnorm: Euro 6d temp, Testverbrauch: 10,4 Liter
Preis: ab 93.385 Euro

Kurzcharakteristik:
Warum: schweben wie im Zeppelin, die Welt einfach draußen lassen
Warum nicht: Kofferraum überraschend klein, Sitzposition nicht optimal, teuer
Was sonst: BMW 7er, Audi A8, Jaguar XJ, Lexus LS

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