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Sonst noch was? - Russisches Roulette mit Führerschein

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  • 22. Juli 2018, 09:08 Uhr
  • Peter Eck/SP-X

Auf was kann man sich schon hundertprozentig verlassen? Uns fällt da auf Anhieb ausgesprochen wenig ein. Assistenzsysteme gehören auf jeden Fall nicht dazu.

Die Welt ist in ständigem Fortschritt. Denken Sie - sofern Sie alt genug sind - mal 30 Jahre zurück: Kein Mobiltelefon, kein Notebook, kein Facebook, Amazon oder Google. Und beim Auto? ABS hatten nur Oberklasse-Limousinen an Bord, an ESP dachten nur die damit befassten Ingenieure und beim Stichwort ,,Assistenzsysteme" hätten alle nur verständnislos den Kopf geschüttelt. Ja, seitdem ist vieles anders, einiges sogar besser geworden.
 
Mancher Fortschritt lässt einen allerdings auch kopfschüttelnd zurück und uns gleichzeitig doch ein wenig an der Zukunft zweifeln. So wird uns Autofahrern ja allenthalben mehr oder weniger suggeriert, die elektrische und autonome Zukunft - und die ist ja offensichtlich nur gemeinsam zu haben - stünde, wenn nicht unmittelbar zuvor, dann doch in nicht mehr allzu weiter zeitlicher Distanz. Nun benötigt man zum autonomen Fahren welchen Levels auch immer, und jetzt verehrter Leser kommt der Autor mal langsam zur Sache, unter anderem perfekt arbeitende Sensoren und Kameras.
 
Zugegeben, die sind heute tatsächlich schon ziemlich gut. Aber eben nicht perfekt. Wie wir in dieser Woche mal wieder erleben durften, arbeitet selbst in einem Oberklasse-SUV deutscher Provenienz ein simples System zur Erkennung der Verkehrszeichen bei bestem, klarem Sommerwetter nicht fehlerfrei. So fährt man dann, sich wider besseres Wissen auf die Ingenieurskunst verlassend, fröhlich mit 130 Sachen über die Autobahn, obwohl seit einigen Kilometern Tempo 80 vorgeschrieben war. Ist aber noch mal gutgegangen.
 
Nun werden Sie, verehrter Leser, nicht ganz zu Unrecht sagen: Soll er eben besser aufpassen und selbst die Schilder lesen. Worauf ich antworten würde: Sicher, aber warum benötige ich dann noch ein System zur Erkennung von Verkehrszeichen? Damit wir hier nicht falsch verstanden werden: In wahrscheinlich weit über 90 Prozent aller Fälle arbeitet das System verlässlich. Nur in wenigen Fällen versagt es. Nur, das ist die Krux, man weiß leider nicht, wann genau dies passiert. Anders gesagt: Ein Informations- oder Sicherheitssystem, auf das ich mich nicht zu einhundert Prozent verlassen kann, ist im Kern eigentlich unbrauchbar. Wer sich doch darauf verlässt, spielt eigentlich ständig Russisches Roulette mit seinem Führerschein als Einsatz. Wobei, zugegeben, hier nicht eine Kugel im sechsschussigen Revolver lauert, etwas besser ist das Gewinn-Verlust-Verhältnis schon. Aber würden Sie zum Beispiel Ihren Führerschein in den Einsatztopf werfen, wenn Sie blind aus einem 32er-Skatspiel eine einzelne Karte ziehen müssten und es dürfte auf keinen Fall der Pik-Bube sein? Denn dann wäre der Lappen weg. Ach ja, zu gewinnen gibt es übrigens: nichts.
 
So ähnlich ist es mit der Verkehrszeichenerkennung - übrigens in fast jedem Fahrzeug, das eine solche hat. Und damit nicht genug: Auch andere ,,Assistenzsysteme" versagen regelmäßig. Automatisches Überholen nur durch Antippen des Blinkers? Klappt meistens schon, aber wir haben es auch schon anders erlebt. Also misstraut man dem System, schaut selbst hin und kann es dann eigentlich gleich selbst erledigen. Soviel mal zu Assistenzsystemen.
 
Aber halt, eines würden wir doch ganz gerne und sogar zwingend einführen wollen. Ein nach unserem Wissen ganz neues System, nützlich und ausgesprochen gut für die Verkehrssicherheit: den automatischen Blinker. Denn die zum Blinken zu lässigen Poser in ihren PS-Protzen, die mit ,,WhatsApp"-Nachrichten dringend beschäftigten Kosmetikerinnen auf der Heimfahrt und natürlich jene, die ihren Führerschein sowieso offensichtlich in der Lotterie gewonnen haben - all diese und noch einige mehr benötigen ganz dringend dieses zukunftweisende neue Assistenzsystem. Und zwar serienmäßig und nicht abschaltbar eingebaut. Müsste sich doch eigentlich machen lassen. Hier wären wir übrigens mit einer Erfüllungsquote von 90 Prozent schon mehr als zufrieden. Sonst noch was? Nächste Woche wieder.

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