Oldtimer

Clubtreffen 70 Jahre Citroen 2 CV - Hässliche Entlein und stolze Schwäne

  • In OLDTIMER
  • 3. August 2018, 08:27 Uhr
  • Wolfram Nickel/SP-X

Dieser Zweizylinder steht wie kein anderer Klassiker für französische Lebensart, Flower Power, frühe Öko-Aktivisten und die Freude an kuriosen Formen. Der Citroen 2 CV - von seinen Fans liebevoll Ente genannt - wird 70. Anlass für eine fröhliche Party, die vierrädriges Federvieh aller Art versammelt, von der Reise-Ente bis zum raren Roadster.

Es ist kein Gewässer, sondern eine Trabrennbahn, auf der in diesen Tagen kunterbunte Enten aus vielen Ländern einfliegen. Das hierzulande ,,Ente" genannte französische Kultmobil Citroen 2 CV feiert seinen 70. Geburtstag und Citroen-Clubs haben  die europäische Fangemeinde des fröhlich schnatternden Zweizylinders ins niederrheinische Dinslaken auf die Pferderennbahn eingeladen. Schließlich steht der Typencode 2 CV offiziell für zwei (steuerliche) Pferdestärken und auf dem großen Gelände des Pferdeparcours finden noch bis Sonntag, 5. August, rund 500 der rollenden Protestnoten gegen das PS-Establishment Platz.

Dieser schockierend billig gebaute Citroen, der erst das Nachkriegs-Frankreich und dann die Studentenbewegung mobilisierte, um am Ende seines langen Lebens mit ,,Atomkraft? Nein Danke"-Aufklebern die Öko-Bewegung bleifrei zu Demos zu chauffieren, lässt keinen Betrachter unberührt. Auch wer glaubt, alles zu kennen, was die vielfältige Entenzucht in den Jahren 1948 bis 1990 hervorgebracht hat, kann bei der Geburtstagsparty bislang kaum bekannte Kuriositäten entdecken. Schon ein kurzer Blick auf die Einladungsliste macht neugierig: Neben bekannten 2-CV-Derivaten wie Wohnmobilen auf Basis von Kasten-Ente und Acadiane sowie charmanten Sondermodellen à la Charleston oder Cocorico und dem 1961 lancierten Ami 6 in schriller Z-förmiger Designlinie finden sich darauf rare Typen wie Radar, Sherpa, Tangara, Lomax sowie Bijou und Burton.

Noch nie gehört? Das geht sogar den meisten Automobilexperten nicht anders. Klarheit bringen bei der Geburtstagsparty zum Enten-Jubiläum mehrere Sonderausstellungen, Vorträge von Experten und natürlich Gespräche mit den vielen Clubs, die den kleinen Citroen mit federweichem Fahrkomfort und abenteuerlicher Kurvenneigung feiern. Ob ,,Entenfreunde", ,,Düsselducks", ,,Happy Ent's" oder Citroen Veteranen Club, sie alle geben gerne Auskunft über die legendäre Ente inklusive aller Geflügel-Spezialitäten.

Danach handelt es sich bei diesen Kostbarkeiten um Bausätze für rassige Roadster (2 CV Lomax) und sonnige Strandwagen (Fiberfab Sherpa), den beim Karossier Teilhol gebauten Nachfolger des Citroen Méhari (2 CV6 Tangara) sowie belgische und holländische Spider aus GFK (2 CV Radar und Burton). Nicht zu vergessen ein von Citroen England gebautes Kunststoffcoupé (Bijou), das vergeblich versuchte, aus dem hässlichen Entlein einen stolzen Schwan zu machen. Vor allem aber sind es natürlich die liebevoll gepflegten Standard-Enten, die in Dinslaken inszeniert werden. Die weiteste Anreise hatte ein Citroen 2 CV aus Florida/USA, das vermutlich älteste Modell vor Ort mit dem Baujahr 1956 stammt hingegen aus Großbritannien. Allesamt charismatische Klassiker mit Klappfenstern und riesigem Rolldach, die von einer Vorkriegskonstruktion abstammen und das Autofahren erstmals für die französische Landbevölkerung bezahlbar machten.

Legendär ist das Lastenheft für die Entwicklung dieses bis heute mit über fünf Millionen Einheiten meistgebauten Citroen aller Zeiten: ,,Zwei Bauern und einen Zentner Kartoffeln mit 60 km/h transportieren" sollte der Viertürer und ,,einen Korb Eier durch ein frisch gepflügtes Feld fahren, ohne dass ein einziges zerbricht". In den Golden Fifties und Swinging Sixties war es dann die ebenso simple wie robuste Mechanik des 2 CV, die den Fronttriebler zum  Fernwehgenerator machte, der in der harten Praxis sogar zuverlässig Dschungelpfade und Wüstenpisten unter die schmalen Räder nahm. Als 2 CV 4x4 Sahara ab 1958 sogar mit zwei Motoren und Allradantrieb. Und wollte das kleine Entenherz von gerade einmal 375 bis 602 cm³ etwa am kalten Polar einmal nicht in die Gänge kommen: Alle Motoren konnten mit der Wagenheberkurbel gestartet werden. Auch von dieser Abenteuerlust erzählen die Enten und ihre Besatzungen beim Geburtstagstreffen. Und vom extremen Minimalismus der Gefährte, die bis heute beweisen wollen, das Verzicht glücklich machen kann.

Karge 7 kW/9 PS für 70 km/h genügten der frühen Ente, Segeltuch ersetzte Sitzpolster und hochklappbare Fenster machten Blinker überflüssig, ermöglichten sie doch Handzeichen beim Abbiegen. Die letzten Typen brachten es auf 21 kW/29 PS und ein Tempo von 113 km/h nach endlos scheinendem Anlauf. Da wird jeder Hügel zum Berg, wie schon eine kurze Probefahrt zeigt und auf der Autobahn jeder Lkw zum Gegner. Vorausschauendes Fahren ist ohnehin vonnöten, denn bis 1981 begnügten sich die Billig-Citroen mit Trommelbremsen rundum. Knautschzonen? Bei Federvieh bekanntlich Fehlanzeige. Andererseits lässt sich eine Ente trotz ihrer kuschelweichen Federung und extremen Kurvenneigung kaum umkippen. Ein Lob dem tiefen Schwerpunkt dieses Oldtimers, der heute sein natürliches Revier auf beschaulichen Chausseen findet.
    
Übrigens hielt Citroen auch Tür- und Zündschlösser lange Zeit für entbehrlichen Luxus. Wer klaute schon diese automobile Antithese zum luxuriösen Chromkreuzer? Preiswert sind die Citroen 2 CV bis heute geblieben. Nutzen Entenfans ihre nonkonformistischen Klassiker doch nicht als Wertanlage, sondern weiterhin als Weltanschauung.

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