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Sonst noch was? - Die Welt als Wille und Anschauung

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  • 16. September 2018, 09:27 Uhr
  • Peter Eck/SP-X

Weltanschauliches Denken und überflüssige Provokationen bestimmen ja längst unseren gesellschaftlichen Alltag. Nein, es geht hier nicht um Chemnitz, Herrn Maaßen oder gar die AFD. Was die Sache aber auch nicht viel besser macht.

Zugegeben, was dem einen viel zu teuer, erscheint dem anderen als geradezu geschenkt. In erster Linie hängen Einschätzungen zum Preis eines Gutes oder einer Dienstleistung natürlich vom zur Verfügung stehenden Budget ab. Es können aber auch andere Faktoren eine Rolle spielen, etwa die eigene Weltanschauung. Ein schönes Beispiel für letztere Variante lieferte in dieser Woche der Geschäftsführer des Allgemeinen Deutscher Fahrrad-Club (ADFC), der natürlich schon von seiner Jobbeschreibung her frei von jeglichem Verdacht ist, wertfreie verkehrspolitische Einordnungen vorzunehmen. Vor allem außerhalb von Städten wohnende, verkehrstechnische schlecht angebundene Familien - vielleicht sogar noch mit mehreren (kleinen) Kindern - werden die aktuellen Einlassungen des Lobbyisten zum Thema Parkgebühren mit Interesse vernommen haben.

Jener ist nämlich der Meinung, dass die Autos in Deutschland ,,fast überall kostenfrei oder zu Spottpreisen" parken könnten und das dies ,,eine Sünde" sei. Nun könnte man ihm entgegenhalten, dass man in einer Großstadt wie Köln für einen guten Tipp, wo man jetzt echt noch kostenfrei parken kann sehr, sehr dankbar sei, oder man könnte erwähnen, dass 15 Euro Parkgebühr für einen fünfstündigen Aufenthalt in der City (bei 3 Euro Gebühr pro Stunde) auch nicht gerade die Bezeichnung ,,fast kostenfrei" erfüllt. Aber vielleicht soll ja mit der Einlassung auch nur der Internethandel weiter gestärkt werden, da es den Innenstadtgeschäften ja bekanntlich über alle Maßen gut geht. Oder man ist tatsächlich der Meinung, die Menschen würden als Folge sprunghaft gestiegener Parkgebühren nicht einfach zu Hause bleiben und vom Computer aus bestellen, sondern massenhaft auf den ÖPNV oder das Fahrrad umsteigen. Ja, sicher.  

Es geht natürlich hier auch gar nicht wirklich um Parkgebühren, sondern um Weltanschauung. Und dies wird auch gar nicht bemäntelt. Denn wie heißt es in der Pressemitteilung weiter: mit intelligenter Parkraumbewirtschaftung könne man Geld und Platz für ÖPNV und Radverkehr schaffen. Was wiederum übersetzt heißt: Man vergraule mit hohen Parkpreisen möglichst viele Autos aus den Städten, und wer dann trotzdem noch so blöd ist und reinfährt wird noch kräftiger als bislang abkassiert. Nicht umsonst nennt der ADFC London (5,60 Euro/Stunde) und Amsterdam (5,00 Euro) als leuchtende Beispiele. Meistens werden solche Forderungen übrigens von Menschen erhoben, die schon eine schöne Altbauwohnung in der Stadt und/oder in der Nähe ihres Arbeitsplatzes haben. Übrigens: Nichts gegen weniger Autos in den Innenstädten. Wer schon jemals an einem Samstag in Frankfurt, Köln oder Hamburg unterwegs war, wird den Wunsch der Bevölkerung nach weniger (Such-)Verkehr verstehen. Mit seinen einfallslosen Brachialvorschlägen fällt der ADFC als Partner für eine Suche nach wirklich intelligenten Lösungen nun aber leider komplett aus.

Parken im öffentlichen Raum ist tatsächlich fast immer teuer. Wer dagegen gerade über den Kauf eines neuen Autos nachdenkt, der könnte in den nächsten Wochen und Monaten vielleicht ein Schnäppchen machen. Denn der Autohandel hat gerade in den Monaten Juli und August viele zehntausend Fahrzeuge auf Vorrat zugelassen, die noch nach der alten NEFZ- und nicht nach der seit 1. September geltenden WLPT-Norm zugelassen sind. Und die müssen mit teilweise erheblichen Nachlässen jetzt an den Autofahrer gebracht werden. Da wird man sich beim ADFC sicher freuen, wenn die frischgebackenen Besitzer eines neuen Golf-Diesel das gesparte Geld in die City tragen, äh fahren.

Hier die guten, Fahrrad, Straßenbahn oder Bus fahrenden Menschen, dort die schrecklich bösen Autofahrer, die Zweiteilung der Gesellschaft (links vs. rechts, reich vs. arm, doof vs. schlau, Fleischfresser vs. Veganer, Bayern vs. Dortmund) hat längst auch die Mobilität erreicht. Und sie könnte noch weiter zunehmen. In Österreich denkt man zum Beispiel darüber nach, E-Autos auf Autobahnen freie Fahrt einzuräumen. Also genau genommen nicht völlig freie Fahrt, vielmehr sollen die Stromer auf Abschnitten mit Tempo-100-Begrenzung die im Alpenländle maximal erlaubten 130 km/h fahren dürfen. Eigentlich eine prima Idee, sollte man denken. Doch wer schon mal ein E-Auto mit solcher Geschwindigkeit gefahren hat weiß: So schnell der Tachozeiger nach oben schnellt, so schnell und noch viel schneller leert sich auf der anderen Seite die Batterie. Und wer nicht gut aufpasst, parkt schnell unfreiwillig am Straßenrand. Übrigens: Die Kosten für die dann anfallenden ,,Parkgebühren" würden das Herz gewisser Lobbyisten sicherlich wärmstens erfreuen. Sonst noch was? Nächste Woche wieder.

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