Fahrbericht

Querfeldeinritt jenseits vom Krüger-Park

  • In RREISEMOBIL
  • 12. Oktober 2018, 11:06 Uhr
  • Klaus Brieter

Immer dieser Staub! Mit jedem Meter, den sich Menschen oder Fahrzeuge bewegen, wirbelt hier eine Wolke feiner Staubpartikel auf. Die Situations- und Ortsangabe 'hier' steht für die 'Spirit-of-Amarok'-Challenge 2018 und Alkmaar-Farm in der Nähe von Nelspruit im Norden Südafrikas, nicht weit vom berühmten Krüger Nationalpark entfernt. Der Motor-Informations-Dienst (mid) war bei dieser Tortur dabei.


Immer dieser Staub! Mit jedem Meter, den sich Menschen oder Fahrzeuge bewegen, wirbelt hier eine Wolke feiner Staubpartikel auf. Die Situations- und Ortsangabe "hier" steht für die "Spirit-of-Amarok"-Challenge 2018 und Alkmaar-Farm in der Nähe von Nelspruit im Norden Südafrikas, nicht weit vom berühmten Krüger Nationalpark entfernt.

Erstmals treten bei der Fahrveranstaltung (seit 2004), bei der es mehr um Geschick und Präzision als um Geschwindigkeit geht, 20 Teams aus zehn Nationen im permanenten Staub gegeneinander an. Mit dabei: zwei Teams aus Deutschland, die sich in bei den nationalen Ausscheidungs-Wettbewerben qualifiziert haben. Die einzige internationale 4x4-Offroad-Veranstaltung für Amateure wird seit 2010 ausschließlich mit dem VW Amarok ausgetragen, der seitdem Namensgeber für das Ereignis ist.

Der Vater dieser anspruchsvollen Mischung aus Fahrkönnen, Nervenkraft und Gespür für schwieriges Gelände heißt Sarel van der Merve: ein baumlanger Mann vom Typ "knorrige Eiche" und in Südafrika eine Rennfahrerlegende. Wegen seines Alters (74) und seiner Erfolge ist er mit den deutschen Rennfahrerlegenden Walter Röhrl oder Hans-Joachim Stuck vergleichbar.

Der schnauzbärtige Motorsportler nahm als Rallye-, Touren- und Sportwagenpilot rund um den Globus erfolgreich an Rennen teil und sicherte sich allein in seinem Heimatland elf Mal in der Gesamtwertung den Titel der Rallye-Meisterschaft, davon zehn Mal direkt hintereinander. Und dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus seinen Erfolgen bei Nascar-Rennen, Starts bei der Sportwagen-Weltmeisterschaft, Langstreckenrennen im Tourenwagensport und weiteren Aktivitäten. Wer könnte qualifizierter sein als er und sein Team, um die "Spirit of Amarok" zu inszenieren, die in ihrem Anspruch an die Fahrer auf höchstem Niveau rangiert.

Wir dürfen den Tross begleiten, der mal mehr und mal weniger Staub aufwirbelt. Die Autos mit je 165 KW/225 PS samt 8-Gang-Automatik unter der Haube werden von VW of South Africa gestellt. Die elefantenstarken Allradkletterer müssen von den Teilnehmern an fünf Tagen durch schweres Geläuf bugsiert werden. Bei den "Technical Events" muss bei Kriechgeschwindigkeit Millimeterarbeit geleistet werden, bei den "Speed Events" geht es eher hurtig durch das Gelände.

Allerdings sorgen eng gesteckte Tore dafür, dass die Teilnehmer mit dem Tempo nicht zu großzügig umgehen. Anders als beim Skirennen beschert jede auch nur leicht angetickte Torstange schmerzhaften Punktabzug, der sich auf die Wertung stark bremsend auswirkt. Ein Team, das die Warnung der Marshalls nicht ernst nimmt, speziell bei den Toren mit den roten Fahnen deutlich Fahrt rauszunehmen, hebt dann auch prompt über alle vier Räder ab, versucht erfolglos in den Luft zu bremsen und ruiniert beim Aufschlag den linken Kotflügel. Ergebnis: Disqualifikation.

Unterschiedlich die Strategien der deutschen Teams: Sebastian Orgis und Martin Strassburger halten es zum Beispiel mit der Arbeitsteilung. Sebastian sitzt bei den High-Speed-Prüfungen hinter dem Lenkrad, während Sebastian mehr als Experte für das feinmotorische Bugsieren bei den "Technical Events" im Cockpit waltet. Anders machen es Attila Burk und Mischa Hageloch: Attila fährt so gut wie immer und Mischa assistiert als Co-Pilot mit präzisen Ansagen zu den Abständen zwischen dem Außenspiegel und Hindernissen auf seiner Seite oder zum Streckenverlauf Verlauf der nächsten Sektionen.

Gerade für Festlandseuropäer, die das Fahren mit rechtsgelenkten Fahrzeugen nicht so gewohnt sind, eine wertvolle Hilfe. Kein Wunder, dass die Spirit-Favoriten aus Südafrika, Botswana und Australien kommen, die obendrein in den Vorausscheidungen ganz ähnliche Prüfungen zu meistern hatten. Man sollte die Teilnehmer künftig abwechselnd mit Rechts- und Linkslenkern fahren lassen, um die Chancengleichheit zu erhöhen.

Freude und Niedergeschlagenheit liegen dicht beieinander. Was nützt es, ein Tor mittig anzupeilen, wenn das Vorderrad in eine Kuhle plumpst und sich die Karosserie listig zur Seite neigt? Volltreffer am Wertungspfahl! Wir hören, wie der kontrollierende Streckenwart den Fehler per Funk an den Marshall meldet. Kaum ist das Problemtor passiert, soll im rechten Winkel eine Bergaufpassage angezirkelt werden, die sich wie der Kilimandscharo vor dem Kühlergrill aufbaut.

Weil der Amarok vorn rechts erst einmal in die Furt abtaucht, hängt plötzlich das linke Hinterrad in der Luft. Schnell die Differenzialsperre eingelegt, schon geht es mit bulliger Kraft die Steilwand hoch - selbstverständlich in einer Staubwolke. Wie war noch gleich die Empfehlung? Den Motor mit etwa 2.500 Umdrehungen pro Minute bei Laune halten, damit das kräftige Drehmoment den Antriebsachsen keinesfalls verlorengeht. Die im unbefestigten Untergrund scharrenden Räder hüllen den Pick-Up in eine Staubfahne, die uns bis zum Gipfelpunkt begleitet, wo die Zielfahne steht.

Nach fünf Tagen Schwerstarbeit für die tapferen Teilnehmer holen sich die Südafrikaner wie erwartet den Doppelsieg (1. Platz: Jan-Daniel Kruger, 2.Platz: das Ehepaar Bennie und Erica Kotze) vor den Australiern (Lachlan und Philip Tombs). Die Deutschen Sebastian Orgis und Martin Straßberger ergattern den Platz neun, Attila Burk und Mischa Hageloch Platz 15. In der Nationenwertung landen die vier sympathischen Kerle aus Stuttgart und Leipzig auf dem sechsten Platz hinter Südafrika, Australien Botswana, Namibia und - mit knappem Abstand - Schweden. Auf dem letzten Platz geht schließlich Taiwan, das zum ersten Mal antrat, über die Ziellinie. Gratulieren kann man allen Teilnehmern, denn das Turnier mit dem Auto auf der Staubpiste ist ähnlich anspruchsvoll wie das Springreiten hoch zu Ross.

Mit VW of South-Africa als Sponsor der "Spirit of Amarok" ist klar, dass die Marketing-Abteilung hinter dem Event steht. Aber welche Werbung ist glaubwürdiger als die Demonstration dessen, was ein Produkt im Extremfall leisten kann? In einem Hochglanzprospekt lässt sich über ein Produkt viel Eigenlob unterbringen. Ausprobieren und Ankommen unter schwierigen Bedingungen ist besser. So gesehen ist die staubige Angelegenheit in Südafrika noch die ehrlichste Werbung. Mal sehen, wie die ermutigende Botschaft den Verkauf global ankurbelt. In Deutschland startet die Amarok-Preisliste bei rund 32.000 Euro für den Hecktriebler mit 163 PS. Im Wettbewerb wurde noch die hier nicht mehr erhältliche Version mit 225 PS gefahren. Die deutsche Topversion mit 258 PS (mit kurzzeitigem Overboost sogar 272 PS), ist als Highline nicht unter 51.384 Euro zu haben. Aber zum Glück als Linkslenker und ohne Original-Afrika-Staub - der vermutlich stattlichen Aufpreis kosten würde.

Klaus Brieter / mid

Technische Daten:

VW Amarok 3.0 V6 TDI EU 6 SCR "Aventura"

Viertüriger Pick-Up mit Doppelkabine und Ladefläche, Länge/Breite/Höhe in Metern: 5,19/2,23 (mit Außenspiegel), 1,88, Leergewicht: 2.920 kg (inkl. Fahrer), Zuladung: 586 kg, Tankinhalt: 80 l, Motor: 6-Zyl-Turbo-Diesel, Hubraum 2.967 cm3, Leistung: 190 kW/258 PS bei 3.250 - 4.000 U/min, max. Drehmoment: 160 Nm bei 1.800 - 3.500 U/min, 0-100 km/h: 10,8 s, Höchstgeschwindigkeit: 205 km/h, 8-Gang-Automatikgetriebe, Allradantrieb, Durchschnittsverbrauch: 8,4 l Diesel/100km, CO2-Ausstoß: 220 g/km, Preis: 58.072 Euro (48.800 Euro ohne MwSt.)

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